Kapitel 17

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Snape starrte auf  das Glas Wein, dass vor ihm stand und halb leer war. In seinem Wohnzimmer leuchtete eine Fackel an der Wand und dämmrig schwappten einige Lichtstrahlen zu ihm herüber.

Das Glas glänzte ein wenig und spiegelte sein Gesicht wieder - müde Augen, tiefe Furchen darunter und wirre, pechschwarze Haare, die sein Gesicht umrandeten.

Er hatte sich in seinen Sessel gesetzt, die Beine übereinander geschlungen und saß dort nun seit einer halben Ewigkeit auf das Glas starrend. Er nahm es immer wieder in die Hand, hob es hoch, setzte es wieder ab, trank einen Schluck, noch einen und noch einen, füllte nach.

Es war Freitagabend und Mitternacht. Wie immer in letzter Zeit, konnte er nicht schlafen und saß mit einem Bademantel bekleidet in seinem Wohnzimmer. Mit genug Alkohol, würde er bald endlich einschlafen können und der Realität für wenige Stunden entfliehen können.

Müde starrte er weiterhin auf das Glas und verschränkte die Finger ineinander. Sein Kopf fühlte sich schwer und leer an und seinen Gedanken konnte er schon lange nicht mehr folgen, sodass er bereitwillig kapituliert hatte und einfach nur auf das Glas Wein starrte.

Sein Leben war nie reibungslos verlaufen. Bei Lilys Tod angefangen, bis hin zu seiner Affines für die Dunklen Künste und seinem  Beitritt zu den Todessern.

Albus Angebot, Doppelagent zu spielen. Undurchschaubar und selbstbeherrscht zu wirken – für jeden, sogar für den Dunklen Lord. Lügen, ohne Misstrauen zu wecken, seine wahren Gefühle zu verstecken und eine Rolle einzunehmen, die nicht seine eigene war. Er war ruhig geblieben, als der Dunkle Lord vor ihm stand – als er falsche Informationen weitergab, Albus schützte und doch als vertrauter Todesser auftrat.

Er hatte gelernt, jemand anderes zu sein. Immer dann, wenn man ihn brauchte. Doppelagent, Todesser, Professor. Seine Rollen hatte er immer perfekt gespielt.

Doch dabei vergaß er, wer er wirklich war. Wer Severus Snape wirklich war.

Noch nie, hatte ihn so jemand wie Amelia aus der Fassung gebracht.

Und das lag nicht nur an ihrem Aussehen und ihrer Ähnlichkeit zu Lily. Sondern an ihrem ganzen Tun und Sein – an ihrer Art, die Haare aus dem Gesicht zu streichen, wenn sie es nicht bemerkte, ihre Blicke, die sie ihm zuwarf, ihre leuchtend-grünen und interessierten Augen, die wissbegierig und ein wenig naiv die Welt begutachteten und ihre Art, ihn zum Lachen zu bringen, ohne auch nur ein Wort zu sagen.

Auch wenn er, aufgrund Lilys Tod traurige Gedanken an sie hatte, so dachte er auch oft lächelnd an sie. Und das gab ihm zumindest die weitere Kraft, morgens aufzustehen, den Professor zu spielen und in den wenigen Momenten, in denen er sie sah, ein glückliches Gefühl zu spüren – dass sofort durch ein trauriges und wehmütiges Gefühl ersetzt wurde.

Snape atmete tief ein und aus und schloss seine Augen. Die Arme hatte er auf den Sessellehnen abgestützt und seine Finger vor seiner Brust ineinander verschränkt.

Versteinert und leicht bebend, dachte er an gestern Morgen zurück. Es war also alles so passiert, wie er es sich vorgestellt hatte – Amelia lernte ihren Bruder kennen und vergaß ihn. Sie traf sich mit dem Stebbins Jungen und nun war er Luft für sie.

Auch wenn der unglaubliche Schmerz ihn zerfraß, so war es in keiner Weise ihre Schuld. Er konnte sie gut verstehen. Und er hatte es vorhergesehen.

Er alleine war schuld an seinem Leiden. Er hatte die Gefühle zugelassen, die Mauer seiner Selbstbeherrschung einbrechen lassen und hatte sie berührt. Sie geküsst. Sie in den Arm genommen und getröstet. Schon fast war es seine Pflicht gewesen, Amelia zu trösten und ihr Beizustehen, egal wie man es drehte und wendete.

Liebe kennt keine Grenzen | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt