Peinliche Stille

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Kapitel 29
Schreiend stolperten die Feen auseinander, da ich dicht über ihre Köpfe hinweg flog und direkt vor Kandor landete. Fiepend schaute er mich aus seinen gelb, grünen Augen an.
"SEHT IHR DENN NICHT, DASS HIER EIN WELPE LIEGT?", rief ich mit Tränen in den Augen in die Menge hinein, ließ mich auf meine Knie fallen, und legte beschützend meine Flügel um seinen Körper.
"Was machst du nur für Sachen?", flüsterte ich mit erstickter Stimme und streichelte vorsichtig über seinen Hals. "Wir bekommen das schon hin. Keine Sorge kleiner", redete ich beruhigend auf ihn ein und quälte mir ein Lächeln auf die Lippen.
"Was ist passiert?", kniete sich Flora zu mir hinunter.
"Er ist in die Flut von Feen gekommen", erklärte ich leise. Eine dicke Träne rollte meine Wange hinunter. Ich hatte wirklich Angst, dass er etwas schlimmes hatte. Der Tritt in seinen Magen sah nämlich nicht Harmlos aus.
"Was genau tut ihm weh?"
"Mein Bauch", antwortete er und hechelte. Leise wiederholte ich seine Worte. Daraufhin rutschte die schwangere Frau zu mir hinüber und legte ihre leuchtenden Hände auf seinen Bauch. Angespannt kaute ich auf meiner Lippe herum. Auf einmal jaulte er laut auf und strampelte mit seinen Beinen.
"Was soll das?", rief ich sauer und schlug ihre Hände weg.
"Er hatte eine verstauchte Rippe. Ich habe sie nur wieder zurechtgerückt und den Heilungsprozess beschleunigt. Nichts schlimmes, aber trotzdem sollte er sich für einen Tag schonen", antwortete sie ruhig. Misstrauisch kniff ich meine Augen zusammen und strich über sein Fell. Erst eine Bewegung unter meiner Hand ließ mich wieder zu ihm schauen. Verdutzt verfolgte ich seine ungelenken Bewegungen, als er aufstand und sich schüttelte.
"Alles wieder okay Kandor?" Er nickte und leckte mir die Tränen von den Wangen. Angeekelt verzog ich mein Gesicht, drückte ihn dennoch an mich.
"Warum bist du denn nicht über die Menge geflogen? Dir hätte doch klar sein müssen, dass sie dich umrennen?" Erwartungsvoll sah ich in seine Augen.
"Ich habe nicht nachgedacht. Tut mir leid", senkte er schuldbewusst den Kopf. Ergeben atmete ich aus.
"Ach Kandor... Was machst du überhaupt hier? Du solltest doch bei Mona am Podest sein", fragte ich ihn nun verwirrt.
"Ich soll dich holen kommen, weil wir wieder zurück zum Schloss müssen. Deine Oma will noch mit dir über irgendeinen 'Vorfall' reden und sich deine Familie von dir verabschieden!" Verwundert nickte ich und erklärte den anderen die Situation. Sie nickten alle verständlich, luden mich auf das Fest morgen ein und verabschiedeten sich.

Schnell hob ich auf dem Übungsplatz ab und schaute, ob Kandor hinter mir war. Als ich ihn sah, flog ich langsam los und gab erst Gas, als er neben mir schwebte. Blitzschnell kamen wir bei Mona an und machten uns sofort auf den Weg zum Tor.

Dort verabschiedeten wir uns von den Torwächtern und bekamen einen Trank, der uns wieder groß machte. Anschließend gingen wir alle drei wieder zurück zum Schloss und warteten vor den Toren auf meine Familie.

Fast eine halbe Stunde später kam eine mittelgroße Truppe auf mich zu. Lächelnd, aber doch ein wenig traurig, umarmte ich jeden und bekam noch ein paar Schmatzer auf die Wangen gedrückt. Schmunzelnd ließ ich es über mich ergehen und stand nach einer halben Stunde nur noch mit meinem Vater, meiner Mutter, Yuna und David da.
„Das ihr ja nichts in meinem Zimmer anrührt", streckte ich gespielt streng meinen Finger in die Höhe und lächelte. Abwehrend hob David seine Hände, während meine Eltern schmunzelnd den Kopf schüttelten. „Wann sehen wir uns wieder?", stellte mein Bruder die Frage, welche in meinem Kopf herum spukte. Ratlos zuckte ich mit meinen Schultern. "Bald... Hoffe ich doch mal." Darauf folgte eine etwas angespannte Stille.
"Stelle bitte nichts an, während deine Oma-."
"Yuna", unterbrach ich sie harsch. "Nur weil sie plötzlich meine Oma ist, nenne ich sie noch lange nicht so!", schnauzte ich. Perplex blinzelte sie mich ein paar mal an, bevor sie zögerlich nickte.
"Wie du meinst. Wenn es irgendwelche Probleme gibt, sage es bitte Yuna." Ich verdrehte meine Augen.
"Jaha Mama." Daraufhin ging sie zur Statur.
"Du weißt wie deine Mutter ist Layla", verteidigte Papa sie.
"Ja schon. Aber so langsam nervt ihre über Fürsorglichkeit. Ich kann ganz gut auf mich selber aufpassen. Sie macht ja gerade so, als würde ich überhaupt nicht selbstständig sein!", beschwerte ich mich. Genervt verschränkte ich meine Arme vor der Brust und kickte vor mir einen kleinen Kieselstein weg.
"Sie macht sich halt eben nur Sorgen", zuckte er mit den Schultern.
"Trotzdem", nuschelte ich. Ergeben seufzte er auf und rieb mir fürsorglich über mein Oberarm.
"Wir sehen uns kleine." Vorsichtig rollte er über den gepflasterten Weg zu meiner Mutter.
"Sie wird sich nie ändern", stellte sich David neben mich und sah meinen Eltern zu, wie sie mit den anderen anfingen zu reden.
"Nöp", ließ ich das p ploppen. Kräftig zog er mich an seine Seite und grinste mich frech von oben an. Tief sog ich seinen gewohnten Geruch ein.
„Du wirst die Schule schon noch rocken", sagte er zuversichtlich, umarmte mich noch ein mal kräftig und lief dann zu meiner Familie hinüber. Winkend verschwanden sie hinter den Flügeln der Statur. Gleichdarauf strahlte blaues Licht aus den Zwischenräumen der Schwingen.
Traurig beobachtete ich mit Yuna, die neben mir stand, wie sich die Frau wieder gerade hin stellte und meine Familie nicht mehr da war.
„Tja", seufzte sie. „Da gehen sie wohl wieder." Schweigend nickte ich und schielte zu ihr hinüber.
„Yuna? Was wolltest du mit mir besprechen?"
Aus den Augenwinkel erkannte ich, wie sie mich kurz anlächelte und sagte „Komm wir gehen rein. Da besprechen wir alles." Seufzend nickte ich und spazierte mit Yuna in die Scheune von Mona. Die Mondhündin machte es sich in einer Ecke bequem und rief mich zu sich. Nun kuschelte ich mich an ihr weiches Fell und nahm Kandor auf meinen Schoß. Sanft streichelte ich über seinen Kopf und schaute die Mondgöttin abwartend an.
Sie hatte sich mir gegenüber niedergelassen und begann zu sprechen. „Elr-Frau Elria ist heute Mittag auf mich zu gekommen und hat mir von deinem kleinen Vorfall im Krankenhaus erzählt. Sie hat gemeint, dass du sehr verwirrt und verstört warst."
Langsam nickte ich und fuhr die Konturen von Kandors Flügeln nach.
„Ich nehme an, dass du eifersüchtig warst, sonst hätte nämlich nicht deine Krone gebrannt!" Wieder ein Nicken von mir. „Weißt du Layla... deine Kette, die du um den Hals trägst, hat nicht umsonst die kleinen Glastropfen. Wir wissen zwar noch nicht worum es sich dabei handelt, aber ich vermute Stark, dass dort angezeigt wird, welches Element du beherrschst." Verwundert blickt ich nach unten auf die Kette und hob sie mit meiner Hand ein wenig hoch. Yuna kam zu mir gerutscht und setzte sich neben mich. Sanft tippte sie in die Mitte der Kette und meinte gleichzeitig „Siehst du den weißen Nebel und den schwarzen? Das soll glaub ich Dunkelheit und Licht oder Böses und Gutes darstellen. Das bewundernde daran ist, dass es sich nicht verbindet und immer auf seiner Seite bleibt." Jetzt wo sie es sagte fiel mir auf, dass ich den Luftwirbel, der neben dran, in dem Glas war und sich immer wieder um sich selber drehte, auch erst bekommen hatte, als ich die Elemente im Unterricht rief.
„An deiner Vermutung könnte etwas dran sein", sagte ich zu ihr und erzählte ihr den Vorfall im Elmastoria Unterricht.
"Am besten du erzählst erst mal keinem etwas über deine Elements Gabe. Du erregst sowieso schon genug Aufmerksamkeit", murmelte sie überlegend.
"Und was soll ich dann für ein Element haben?"
"Luft", lächelte sie. "Die anderen haben nur den Luftwirbel gesehen, also ist es die einzige vernünftige Entscheidung." Entnervt stöhnte ich auf. Noch ein Geheimnis. Wie ich es doch hasste jemanden anzulügen!
„Na gut. Aber was hat das alles mit der Situation im Krankenhaus zu tun?" Verständnislos zog ich meine Augenbrauen hoch.
„Hm... Eifersucht ist ja bekanntlich nie gut, weshalb ich darauf schließe, dass deine Böse Seite aus dir heraus gekommen ist und du nicht im Einklang mit dir selber warst! Im Moment schwebst du, wie auch jeder andere Elf, zwischen Gut und Böse. Das heißt, dass du im Einklang mit dir selbst bist. Doch wenn dich jetzt zum Beispiel jemand ärgert, wirst du wütend und deine Böse Seite überwiegt!"
"Das heißt also, dass ich in dem Moment nicht im Einklang mit mir selber war und das Schlechte in mir überwiegt hat!?" Sie nickte. „Phuu... damit hab ich nicht gerechnet! Ich dachte eigentlich immer, dass es so eine 'Waage', sag ich jetzt mal, im Körper nicht gibt!" Lächelnd legte sie ein Arm um mich und drückte mich an sie.
„Das Wissen und spüren die Menschen auch nicht. Doch wenn du ein Elf oder irgendein anderes Fabelwesen bist und tief in dich gehst, spürst du es ganz schwach. Ich kann dir aber nicht sagen wo es liegt, weil es bei jeder Person anders ist." Verständlich nickte ich und rieb mir meine brennenden Augen.
Durch die Schlitze in der Mitte der zwei Toren und unter den Torflügeln, sah man die Mittagssonne hoch in den Himmel steigen. Mit der Hand vor dem Mund gähnte ich herzhaft und rieb mir die kleinen Gähntränen aus den Augen. Die Aufregung heute morgen hatte mich ganz schön müde gemacht.
„Ich glaub du gehst jetzt mal in dein Zimmer und ruhst dich ein wenig aus", riet mir Yuna und lächelte. Seufzend stand ich auf und zog die Göttin an ihrer Hand hoch.
„Wie lange bleibst du eigentlich noch hier?" Neugierig schielte ich zu ihr hinüber, während wir leise das Tor hinter uns zu drückten und auf dem kleinen Weg zurück zum Wohnheim gingen.
„Ich werde morgen abreisen und hoch zu den anderen Götter gehen. Mein Aufenthalt war lange genug und so langsam muss ich wieder meinen Pflichten nach kommen!" Etwas traurig nickte ich und fragte „Kommst du mich bei Vollmond wieder besuchen? Du musst mir nämlich noch zeigen, wie man mit Mamas Schwert richtig kämpft. Die Waffe ist sehr schwer." Lachend nickte sie und drückte mich, zum Abschied, fest an sich. Noch ein paar Sekunden winkte ich ihr hinterher, bevor sie endgültig im Wald verschwand. Alleine spazierte ich auf mein Zimmer und machte mich Bett fertig. Kandor war unten, bei Mona geblieben, weil er schon zu groß war und mir hier zu viel Platz weg nahm.

Kriegerin der Elemente [1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt