Koria

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Kapitel 5

Ein hundeartiges Wesen lief auf dem See hin und her und spielte mit dem Mondschein, das sich auf der Wasseroberfläche wieder spiegelte. Fasziniert beobachtete ich das elegante Wesen und ließ mich leise auf das Gras hinter mir fallen. Träumte ich oder war das Real? Normale Menschen wären jetzt weggelaufen, doch irgendwie wurde ich gerade zu magisch von diesem Wesen und dieser Atmosphäre angezogen.
Es hatte lange Beine mit riesigen Pfoten, leuchtete strahlend weiß und hatte astartige Hörner auf dem Kopf. Fast unsichtbare Schleier bewegten sich bei jeder Bewegung wellenartig im Wind. Auf ihrer Stirn war ein hell grauer umgekehrter Tropfen abgebildet. Auf einmal hielt es in dem Laufen inne und schaute in meine Richtung. Erschrocken hielt ich die Luft an und bewegte mich keinen Millimeter mehr. Was sollte ich jetzt tun? Weglaufen?
Strahlend blau, graue sowie rote Augen schauten zu mir neugierig hinunter. Mit grazilen Schritten kam das zwei Meter große Wesen auf mich zu gelaufen und blieb direkt vor mir stehen. Mit misstrauischem Blick verfolgte ich die Bewegungen der 'Hündin' und ließ meine Hand zögerlich zu ihrer langen Schnauze wandern. Davor stoppte ich und ließ sie an meinen Fingern schnuppern. Wartend, auf ihre nächste Reaktion, blieb ich ruhig sitzen. Sie beugte ihren riesigen Kopf nach unten und stupste ihre Stirn an meine Hand. Zart strich ich über das warme, seidenweiche Fell, das im Licht glitzerte. Meine Hand sah im Gegensatz zu ihrem Kopf so klein aus.
Ein stechender Schmerz ging durch meinen ganzen Arm und ließ mich nach hinten fallen. Schwer atmend lag ich mit dem Rücken auf dem Boden und hielt mir zischend meine Hand. Die Hündin beugte sich über mich und sah mich aufmerksam an. Vorsichtig rappelte ich mich wieder auf und schaute auf meinen rechten Arm. Ein Ying-Yang Tattoo prangte auf meinem Handgelenk.
„Was zum...?" Erschrocken schaute ich auf das Tattoo.
„Tut mir leid. Hat es sehr weh getan?" Verwirrt blickte ich um mich. Wer hat da gesprochen? Die Hündin stupste mich mit ihrer feuchten, grauen Nase an. Erwartungsvoll schaute ich sie an. „Ich heiße Mona. Und wie heißt du?" Ich zog scharf die Luft ein und versuchte hektisch von dem Wesen weg zu krabbeln. Doch meine Schuhe rutschten auf dem feuchten Gras aus, sodass ich nur ängstlich in ihre Augen starrte. Da redete doch tatsächlich die Hündin mit mir!
Stotternd antwortete ich „Lay-Layla." Sie nickte mit ihrem gewaltigen Kopf und brummte zustimmend.
Zwickt mich doch mal einer. Ich glaub ich schlafe noch, dachte ich mir.
„Oh nein, du schläfst nicht mehr. Du bist hell wach." Belustigt hallte ihre Stimme in meinem Kopf wieder. Machte sie sich gerade über mich lustig? Beleidigt wechselte ich das Thema.
„Was ist das hier?" Verzweifelt und mit hysterischer Stimme zeigte ich auf meinen Arm.
„Oh ja, also das...." , räusperte sie sich. „Das ist das Zeichen, dass wir jetzt Partner oder wie es in unsere Sprache heißt 'Koria' sind. Und ähm, außerdem hast du eine Kette auf deiner Stirn." Elegant setzte sie sich auf das feuchte Gras und schlug ihre Pfoten übereinander.
„Waaas?" Hysterisch stand ich schnell auf und fasste mir an die Stirn. Ich fühlte kaltes Eisen an meinem Scheitel hängen.
„In der Mitte der Kette ist ein Halbmond. Das ist ein Zeichen, dass du meine Gefährtin bist. Leider gibt es noch keine so genauen Angaben zu dieser Kette, weil nicht jeder mit meiner Rasse verbunden ist. Wir sind sehr scheu", erklärte sie lässig und mit ruhiger Stimme.
„Ich glaub... ich muss das... jetzt erst mal verarbeiten!", schluckte ich schwer, ließ mich wieder auf den Boden sinken und starrte ungläubig in die Luft.
„Also nochmal zur Zusammenfassung: Ich habe diese Kette und das Tattoo, weil ich mit diesem Wesen verbunden bin und sie jetzt meine Gefährtin ist. Ich bin die erste, die mit dieser Rasse in Verbindung getreten ist und es deshalb keine genauen Angaben zu dieser Kette und generell zu dieser Bindung gibt. Ich träume nicht und das hier passiert gerade wirklich. Oder.... ich bin verrückt geworden und sitze gerade in einer Psychiatrie, die Knie an meinen Körper gezogen, hin und her wippend, mit weit aufgerissenen Augen und irgendein wirres Zeug labernd in einer Ecke", dachte ich angestrengt.
„Gut", stand ich langsam auf. "Ich würde sagen", klopfte ich mir den Dreck von den Klamotten. „Das ich jetzt verschwinde!", entschied ich ruhig, drehte mich ruckartig um und lief so schnell ich konnte in den dunklen Wald hinein. Oh bitte lieber Gott! Lass das hier alles ein Traum sein und das ich morgen in meinem warmen und kuscheligen Bett wieder aufwachen werde!
Scharf zischte der Wind an mir vorbei. Konzentriert darauf nicht zu stolpern, sah ich auf den Boden.
„Jetzt warte doch mal!", rief Mona erschrocken. Ich sah in Panik hinter mich. Die Hündin war aufgestanden und rannte mir hinter her. Und zu meinem Bedauern kam sie mir schnell näher. Zu schnell! Ich sah wieder nach vorne. Wenige Schritte und ich hätte den weißen Stein, an dem ich noch vor wenigen Minuten lehnte, erreicht. Aber was dann? Zur Höhle! Mit rasendem Herzen machte ich eine scharfe rechts Kurve. Nur noch wenige Meter trennten mich von dem Eingang, als ich etwas warmes an meinem Rücken spürte und nach unten gedrückt wurde. Hart knallte ich auf den Boden.
„Tut mir leid. Aber ich kann dich nicht einfach gehen lassen! Jetzt beruhige dich erst mal und dann erklär ich dir alles", sagte sie etwas verzweifelt. Sie war noch nicht mal außer Atem!
„Luft", presste ich heraus. Ihre Pfote auf meinem Rücken war echt schwer.
„Oh! Entschuldigung", nahm sie ihre Tatze von meinem Rücken. Ächzend stand ich auf und atmete tief ein.
„Nenn mir einen Grund, warum ich dir vertrauen sollte?", zischte ich schwer atmend, während ich mich zu ihr umdrehte, und hielt mir meinen Nacken. Meine Wirbelsäule tat übelst weh.
„Ich habe keinen. Hör mal. Ich weiß es ist schwer zu glauben und das du verwirrt, verängstigt und durcheinander bist. Aber ich verspreche dir, dass sich alle Fragen nacheinander klären werden", sagte sie. Ihre Stimme hatte etwas beruhigendes an sich. Ich atmete tief durch.
„Okay", nickte ich. "Was wird jetzt passieren?"
„Naja, also zuerst müssen wir wahrscheinlich nach Sora und dann rüber zur westlichen Hauptstadt Kanderi", antwortet sie mir.
„Okay stopp", fasste ich mir an meinen Kopf, sah nach unten und hielt die Hand vor mich. „Heißt das, dass wir verreisen?" Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch und ließ meine Hand sinken. Mit verschränkten Armen vor meiner Brust schaute ich zu ihr hoch. Sie nickte. „Und was ist mit meinen Eltern? Ich muss denen noch Bescheid sagen!", fiel es mir ein.
„Keine Sorge! Darum hat sich schon Prinz Alexander gekümmert." Mir kam es so vor, als würde sie leicht Lächeln.
„Warte was?", rief ich ungläubig. Hatte ich mich gerade verhört? „Prinz? Alexander? Was hat er ihnen erzählt? Warte mal... Das war also alles geplant!", rief ich fassungslos aus. Ich glaubte es ja nicht! Die ganze Schnitzeljagd diente nur dem Zweck mich hier her zu bringen!
„Ich weiß nicht, was er ihnen erzählt hat. Aber mach dir keine Sorgen! Du kannst sie ja dann... anrufen?" Nachdenklich sah sie neben mich. „Das heißt doch bei euch anrufen, oder?", fragte sie.
Verwirrt, über ihre Frage, runzelte ich die Stirn. "Ja, warum?"
„Naja. Bei uns gibt es so etwas nicht", legte sie sich wieder hin.
„Habt ihr kein Telefon?", fragte ich ungläubig. Sie schüttelte den Kopf.
„Bei uns auf Sora-."
„Warte mal. Auf? Ist das eine Insel, wo wir hingehen?", unterbrach ich sie.
„Nein. Sora ist eine parallele Dimension die neben dieser Welt existiert. Was ich aber eigentlich sagen wollte: Auf Sora gibt es so gut wie keine Elektrischen Sachen. Nur die Königsfamilie und Schulen besitzt welche", erklärte sie.
„Okay", nickte ich und verdaute langsam die Information. „Und wie kommt man zu dieser... Welt?" Das hörte sich echt komisch an. Als würden wir über einen neuen Fantasie Kinofilm reden.
„Auf der Erde gibt es viele Portale in Form von alltäglichen Sachen, wie zum Beispiel Bäume, Türen, Schränke oder Wasserfälle, die dort hin führen", antwortete sie mir. Also wie in allen Fantasie Filmen. Interessant!
„Und warum hab ich dann noch nie so ein Portal gesehen?", zog ich misstrauisch eine Augenbraue hoch.
„Weil Menschen die Eingänge nicht sehen können. Ihr habt nicht so scharfe Sinne, wie wir Wesen!"
„Okay? Und warum soll ich nochmal genau mitkommen?" Ich sah sie abwartend an.
„Schwer zu erklären", murmelte sie.
„Ich hab Zeit", lächelte ich leicht und setzte mich nun ebenfalls auf den Boden. Leise hörte ich das Zirpen von Grillen neben mir im Gras. Keine Ahnung warum, aber ich hatte nicht mehr kalt. Vielleicht lag es ja an dem Sprint, den ich hingelegt hatte!
„Auf unsere Welt beziehungsweise unserer Dimension gibt es eine Tradition. Jede zehntausend Jahre wird ein Mädchen oder ein Junge von einem anderen Planeten auserwählt, um bei uns zu leben. In der Regel bleiben sie. Aber wir zwingen natürlich keinen dazu!"
„Und warum ausgerechnet ich?"
„Um ehrlich zu sein, weiß ich das auch nicht. Die Prinzen kommen für ein paar Monate hier her und wählen eine oder einen aus. Was sie für Kriterien haben, weiß ich nicht."
„Prinzen also", nickte ich. „Gibt es bei euch auch einen König und eine Königin? Und ein Schloss? Und ouuu ein verwunschener Brunnen?", fragte ich aufgeregt und grinste.
„Ja, ja und nein", antwortete sie und lachte leise.
„Und wie sind die Prinzen so?", fragte ich neugierig. Ob sie auch so gut aussehen, wie die immer in den Filmen?
„Du müsstest sie eigentlich kennen. Prinz Samuel, Kay und Alexander sind sehr höflich und nett", stand sie auf.
„Die drei", rief ich überrascht aus. Sie nickte. Ein breites Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Ich hatte mit Prinzen gesprochen! Wie aufregend!
„Wir müssen dann auch mal los. Würdest du bitte auf meinen Rücken steigen."
Ungläubig sah ich sie von unten an und stand langsam auf.
„Nein... ich steig doch nicht auf dein Rücken. Ich plumps nachher noch auf meinen Hintern, wenn ich runter falle", gab ich zickig von mir.
„Jetzt mach schon. Ich verspreche dir auch, dass du nicht runter fällst. Ich lauf auch ganz langsam", sagte sie und verdrehte die Augen.
Skeptisch sah ich sie kurz an, bevor ich zwei Schritte auf sie zu ging und murmelte „Wehe du lässt mich fallen!"
Sie ging leicht in die Knie, sodass ich meinen rechten Fuß auf ihr hervorstehendes Schulterblatt stellen konnte. Meine Hände umgriffen ihre Hörner. Sie waren sehr glatt und kalt. Nun sprang ich hoch und warf mein linkes Bein gleichzeitig über ihren Rücken. Mit einem 'Plums' landete ich zwischen ihrem Kopf und den Schulterblättern. Ängstlich krallte ich meine Hände in ihr weiches Fell, in der Erwartung, dass sie gleich in vollem Tempo los rennen würde. Doch sie spazierte langsam vorwärts. Erleichtert atmete ich aus. Sie hielt ihr Wort.
„Okay. Kommen wir nochmal zum Thema Prinzen zurück. Denkst du... Naja denkst du, dass sich einer der Jungs bei mir einschleimen würde, nur um mich hier her zu locken?", fragte ich vorsichtig. Es konnte ja sein, dass Sam nur mit mir abgehangen hat, weil er mich in die andere Welt führen wollte.
„Hm... Prinz Alexander ist dafür viel zu schüchtern, Prinz Samuel ist viel zu Pflichtbewusst und bei Prinz Kay... Ja, da könnte ich es mir eher vorstellen. Aber wie kommst du darauf?"
Ich zuckte mit den Schultern und murmelte „Is egal." Wenn es stimmte, was sie sagte, dann mochte mich Sam... Oder? Frustriert seufzte ich auf. Ich machte mir mal wieder viel zu viele Gedanken!
„Magst du einen der Jungs besonders gern?", fragte mich Mona leise. Ich lächelte leicht, als ich an die Person denken musste.
„Ja. Sam." Sie brummte verstehend.
„Sag mal? Weißt du, ob Alex und Kay was von dem Rätsel wussten, was Sam organisiert hatte?", schaute ich auf ihren Hinterkopf. Ihre Ohren lugten rechts und links aus dem Fell. Sie ähnelten den eines Rehes.
„Keine Ahnung", antwortete sie. Ich nickte. Wenn sie das alles gewusst hatten, bekamen sie aber was von mir zu hören! Wahrscheinlich hatten sie sich heimlich ins Fäustchen gelacht. Von wegen: „Keine Ahnung was das Rätsel mit dem weißen Stein zu tun hat und wo die Treppen hin führen!" Die wussten bestimmt alles von Anfang an! Aber ich wollte ja keine voreiligen Schlüsse ziehen. Wer weiß! Vielleicht wussten sie es ja wirklich nicht!
Ich atmete tief durch und ließ mich im Schritttempo von Mona tragen.
„Was ist eigentlich mit meinen Kleidern? Ich hab gar kein Gepäck dabei", fiel es mir ein.
„Du bekommst Kleider von der Königsfamilie", sagte sie fröhlich. Ich nickte. „Aufpassen! Ich steigere jetzt das Tempo. Halte dich also gut an meinem Fell oder meinen Hörnern fest", warnte sie mich vor. Ich nickte und krallte mich an ihren Hörnern fest. Langsam erhöhte sie ihr Tempo, bis wir im vollen Kararo durch den Wald düsten. Schnell lehnte ich meinen Körper nach vorne, um dem Wind auszuweichen, und beobachtet die vorbei huschenden Bäume. Die kalte Luft ließ meine Haare nach hinten Wirbeln und pfiff mir unangenehm in den Ohren.

Kriegerin der Elemente [1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt