Kapitel 5

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„Kennst du eine Deserteurin, Jüngling?", sprach er mich an. Erleichtert atmete ich durch, noch hatte er mich nicht erkannt und hielt mich für einen Jüngling. Absichtlich lies ich meine Stimme tiefer klingen und manchmal überschlagen während ich seine Frage verneinte und nach seinem Namen fragte. Ein raues Lachen erklang, welches mich erschauern lies. Seine Stimme ging mir unter die Haut, nicht weil ich Angst vor ihm hätte, sondern weil ein mir unbekanntes Gefühl erwachte. Ich hoffte nur, dass ich mich diese neuen Empfindungen nicht zu sehr ablenken würden. „Le Diablo" hatte mich gefunden und ich wollte nicht wissen, was mich erwarten würde, wenn er meine wahre Identität herausfand. Außerdem lies mich seine Stimme jetzt schon schwach werden, wenn sein Charakter auch noch anders war als alle anderen sagten, hatte ich ein wirkliches Problem zu lösen.

Draußen wurde der Sturm immer stärker und ich lies meinen Hengsten rückwärts in die Höhle gehen, damit die Stute mehr Platz hatte und vom Eingang weg konnte. Sie blieb immer noch auf Abstand zu meinen Schwarzen. Nun musste ich mir noch zusätzlich etwas ausdenken. Ich konnte zwar als schmächtiger, mittelgroßer Jüngling durchgehen, doch meine Haare würden mich verraten. Als „Le Diablo" mir entgegen ritt, wendete ich schnell meinen Freund und ritt in die mir unbekannte Höhle hinein. Mit sicheren Schritten überwand er alle Unebenheiten und brachte mich in einen größeren Raum. Hier erhellten Glühwürmer die Wände und in der Mitte befand sich ein See. Schnell sprang ich vom Rücken des Schwarzen und nahm einen Dolch aus meiner Gürteltasche. Mit kurzen, schnellen Strichen schnitt ich mir mein langes Haar ab und warf es traurig in ein Loch in der Höhlenwand. Mit einem kurzen Blick in den See, schaute ich mein neues Spiegelbild an. Vorher waren mir meine langen, braunen Haare bis über die Hüfte gefallen und musste mit einen geflochtenen Zopf gebändigt werden. Jetzt vielen sie mir glatt bis auf die Schulter und verbargen dadurch einen Teil meines zierlichen Gesichts. Wenn ich dafür sorgte, dass sie nicht länger oder kürzer waren als jetzt und meinen Kopf immer leicht nach vorne beugte, konnte ich mein Geschlecht verbergen. So konnte ich „Le Diablo" vielleicht abhängen. Erneut kamen die Schritte der Araberstute näher. Mit einem Blick über meine Schulter vergewisserte ich mich, dass sie ihren Reiter immer noch nicht unter ihren Hufen begraben hatte. Verzweifelt schaute ich zu meinen Freund, der angriffslustig auf die Stute wartete. Schnell griff ich in seine Mähne, den ich hatte trotz der vielen gemeinsamen Jahre, immer noch keinen Sattel oder Zaumzeug für ihn. Beruhigend strich ich ihn über den Hals und wartete ab. Was wohl auf mich zukommen würde?

„Le Diablo" ritt die nervöse Stute auf den See zu und hielt neben mir an. Ich hatte Mühe, den Schwarzen auf meiner anderen Seite zu halten, denn er wollte sich zwischen mich und die Fremden stellen. So wie ich in einer gefährlichen Situation immer zwischen ihn und den Angreifern sprang, wollte er nun das Gleiche für mich tun. Schnell drängte ich ihn seitlich um den Abstand zwischen uns und den anderen zu vergrößern. Dadurch schien sich mein Freund zu beruhigen, blieb aber dennoch wachsam. Kopfschüttelnd schaute ich zu seinen tänzelnden Hufen hinab, wodurch ich nicht bemerkte, dass „Le Diablo" von seiner Stute sprang und mich an den Schultern zu ihm drehte. Kalte, graue Augen starrten mich an und versuchten mein Geheimnis zu lüften.

Ich erschrak als sich seine Hände auf meine Schultern legten. Er schien zu glauben, dass ich vor ihn Angst hatte und wich zurück. In Wirklichkeit hatte ich geglaubt, dass seine Hände mich durch die Bluse verbrannten und mein Herzschlag hatte sich erregt beschleunigt. Frustriert dachte ich mir, dass dieses Verhalten noch mein Verhängnis werden würde. Der erste Mann, der mich erregte, war mein Todfeind. Was könnte noch besser werden? Erneut schaute ich ihn in die Augen, die kurz bedrückt aufblitzten, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte. Dieses kurze Aufblitzen versetzte mir einen Stich ins Herz. Ich konnte nicht mit ansehen, wie er litt, doch konnte ich ihm auch nicht helfen ohne mich selbst zu gefährden. Es würde ein Balanceakt werden, wenn ich ihn nicht weiter zusetzen wollte und dennoch mein Geschlecht verbergen wollte.

Hilfesuchend schaute ich meinen Hengsten an, der kurz davor war die Stute oder den Mann zu attackieren. Als ich dies bemerkte, drängte ich ihn noch weiter weg und behielt dabei unsere Gegenüber im Auge. Nachdem sich die Anspannung im Körper des Schwarzen gelegt hatte, setzte ich mich zu seinen Füßen ans Seeufer. Müde schaute ich über den See und wünschte mir den weichen Waldboden um mich auszuruhen. Doch solange der Sturm und das Gewitter über uns tobten, konnte ich hier nicht weg. Solange musste ich „Le Diablo" ausweichen und meinen Freund beruhigen.

Die WaldfeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt