Ich konnte seine Umsicht und Kampfbereitschaft förmlich spüren. Der gutmütige, freundliche Charakterzug der letzten zwei Wochen war verschwunden und der gefürchtete Söldner trat wieder in Erscheinung. Verwundert schaute ich zu ihm empor. Kurz leuchteten seine Augen lachend auf als er näher an mich trat und mich an seinen Körper zog. Schon seit drei Tagen fragte ich mich, ob er bemerkt hatte, dass ich kein Jüngling sondern eine Frau war. Doch ich konnte ihn jetzt nicht fragen. Wir wurden beobachtete oder jemand kam in unsere Richtung. Jetzt hieß es abwarten und wachsam sein. Schnell vergewisserte ich mich, dass meine Waffen noch an ihren Platz waren, denn in letzter Zeit verwendete „Le Diablo" diese genauso gerne wie ich. Sie waren schärfer als seine Waffen und konnten dadurch mehr Schaden verursachen.
Ein Hirsch brach durch das Gebüsch neben uns und schreckte die Pferde auf. Mit einem Pfiff riefen wir sie zurück und sprangen auf ihre Rücken. Nun hatten wir uns verraten und wurden bald wissen, wer uns entgegen kam. In letzter Zeit betrachtete ich „Le Diablo" und Blitz nicht mehr als Feinde und Verfolger sondern als Freunde. Doch hoffte ich, dass er nie meine wahre Identität herausfinden würde. Mehrere Hufschläge erregten wieder meine Aufmerksamkeit und ich drehte meinen Hengsten in die Richtung aus welcher das Geräusch kam.
Schon bald darauf brachen mehrere Reiter aus dem Gebüsch. Soldaten des Königs. Ich war verloren, denn sie erkannte mich sofort. Verwundert schauten sie zwischen mir und „Le Diablo" hin und her. Der Anführer der Truppe fragte schließlich den Mann neben mir, ob er gedenke die Deserteurin neben ihm irgendwann zum Lager zurückzubringen und sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Verwundert „Le Diablo" auf mich herab und ich sah die Enttäuschung und den Schmerz des Verrats in seinen Augen. Hinter den Reitern kamen noch weitere aus dem Gebüsch und alle erkannten mich. Als ich eine Söldnerin zwischen ihnen entdeckte, rang ich um Luft. Die Kleine hatte mich schon einige Male zu einem Kampf herausgefordert und anfangs fast umgebracht. Nun waren wir gleich stark, schnell und listig. Doch wenn alle gleichzeitig angriffen, hatte ich keine Chance. Zusammen mit meinem Hengst konnte ich nicht gegen alle ankämpfen. Ich würde verlieren und vielleicht meinen Freund dabei verlieren. Der Schwarze war schon lange auf der Abschussliste der königlichen Soldaten.
Schnell trieb ich mein Pferd an und galoppierte durch den Wald. Ich wusste, dass er schneller als alle anderen Reittiere war und hoffte das „Le Diablo" noch länger erstarrt stehen blieb. Als ich aus dem Wald ritt und die Ebene entlang galoppierte, hörte ich wie ein Pferd aufholte. Es konnte nur Blitz sein mit „Le Diablo", der sich wieder unter Kontrolle gebracht hatte und nun wütend und enttäuscht mir nacheilte. Rechts vor mir sah ich eine Schlucht. Ich wusste, dass sie nicht sehr breit war. Vielleicht drei Meter und das in der Tiefe ein reisender Fluss mit zahlreichen Stromschnellen floss, aber für einen Sprung war sie immer noch breit genug. Leider war dies der einzige rettende Weg. Ich trieb meine Schwarzen noch stärker an und nahm einen Sprung über die Schlucht in Angriff. Immer schneller bewegten sich die Beine meines Freundes über den Boden. Er hatte bereits meine Absicht erraten und konzentrierte sich auf den bevorstehenden Schwung. Hinter mir erklang eine bekannte Stimme, die mir befahl anzuhalten. Doch ich wollte nicht als Verräterin und Deserteurin verurteilt werden. Ich würde deswegen hingerichtet werden und niemand würde etwas diesem Urteil entgegen setzen. Immer größer wurden die Galoppsprünge meines Hengstes und er streckte sich noch weiter. Schließlich setzte er zum Sprung an. Seine kräftige Hinterhand landete zwischen seiner Vorderhand. Diese hob sich fast gleichzeitig empor, wobei einzelne Steine in die Schlucht fielen. Zuerst glaubte ich, dass er nicht mehr rechtzeitig emporschnellen konnte, so tief setzte er sich, doch plötzlich stieß er sich ab und schwebte über die Schlucht. Seine Vorderbeine landeten an der gegenüberliegenden Kante und erneut rollten Steine hinunter. Seine Hinterhand landete wieder zwischen seiner Vorderhand und er sprang erneut, um Abstand zwischen sich und dem Rand der Schlucht zu gewinnen. Hinter uns erklang ein Gefluche, das mir die Röte ins Gesicht trieb. Mit einem Schnaufen kam Blitz rutschend zum Stillstand und schaute uns hinterher. Erleichter fiel ich meinen Schwarzen um den Hals und war froh, dass wir im letzten Moment entkommen konnten. Doch ob ich jemals wieder dieses Glück und diese innere Zufriedenheit empfinden würde, wie in den letzten Wochen zu viert, wage ich zu bezweifeln.
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Die Waldfee
FantasyEin Mädchen wird geboren, was die Dämonen der Nacht bekämpfen soll. Stattdessen wird es als Tochter der Finsternis bezeichnet und verdammt. Schafft sie es sich zu behaupten und ihre wahre Bestimmung anzutreten oder verliert sie sich in den wirren de...