Kapitel 18

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Das dumpfe Klopfen, das Geräusch, das von Regen, der gegen Glas tropft, erzeugt wird, lässt mich sanft vom Schlaf in den Halbwachzustand hinüber gleiten. Die Augen noch geschlossen, das rhythmische Tok, Tok, Tok des Regens in den Ohren, bleibe ich regungslos im warmen Kokon der Decke und Negans Armen liegen.
Sein Atem streift über meinen Hals, etwa zwei Fingerbreit unter meinem Ohr, was mir verrät, dass sein Gesicht ganz nah ist. Und dieser zarte Hauch von Aftershave, der ihn immer umgibt, wie auch der mittlerweile abgestandene Mief von Zigaretten, liegt über uns, genauso wie die Wärme unserer Körper, die sich durch die Nähe und die Decke zu einer glühenden Hitze entwickelt hat, wodurch meine Oberschenkel aneinander kleben.
Ich liege auf dem Rücken, die Beine nach rechts gedreht, er, wie es sich anfühlt, auf der Seite. Sein Arm liegt angewinkelt auf meinem Bauch, seine Hand unterhalb...okay, auf meiner Brust. Mein Po fügt sich wie ein Puzzleteil perfekt in den Winkel ein, den sein Ober- und Unterkörper bilden. Unterhalb seiner Hüfte ist sein Körper an meinen gepresst, seine Knie ruhe in meinen Kniekehlen.

Wie eine Schlingpflanze, denkt mein noch ganz benommenes Hirn, er umschlingt dich wie eine gefräßige Pflanze, und du bist die saftige Fliege.
Der Gedanke ist so bescheuert, dass ich beinahe laut gelacht hätte. Im letzten Moment kann ich mich beherrschen, dennoch erblüht ein Lächeln auf meinem Gesicht.
Ja, ich bin glücklich. Trotz unserer Geständnisse gestern. Oder gerade deswegen? Eigentlich fühlt es sich jetzt noch besser an. Leichter. Wir wissen um die Geister der Vergangenheit. Ich kenne seine, er meine. Wir wissen noch nicht, wo es mit uns hingeht, aber auch das ist erleichternd. Das hier ist kein Gefängnis, sondern eine offene Wiese.
Und gerade fühlt es sich so an, als gäbe es nur das Gras unter meinen Füßen, den Duft von Blumen in meiner Nase, das Summen von Bienen in meinen Ohren und den endlosen Himmel über mir.
Ich bin frei.

Blinzelnd öffne ich die Augenlider und blicke an die Zimmerdecke, die ebenso regengrau wirkt, wie der Himmel draußen. Negan scheint wirklich zu testen, wie man die kleinstmögliche Lücke zwischen zwei Körpern lässt, denn als ich meinen Kopf nach links drehe, wäre ich beinahe mit seiner Nase kollidiert.
Ich versuche ein paar Millimeter von ihm wegzurücken, aber die Hitze und der Schweiß hat unsere Körper miteinander verschmelzen lassen. Durch Adhäsion, wenn ich mich richtig an den Physikunterricht erinnere. Ja, stimmt, meine Lehrerin hat damals eine nasse CD an den Tisch geklebt und der stärkste Schüler, Rudy, musste versuchen, die wieder abzubekommen. Jetzt bin ich also die CD die am Tisch, Negan, klebt. Wo wir wieder bei der fleischfressenden Pflanze und der Fliege wären.
Wie poetisch.
Wieder steigt ein albernes Giggeln in mir auf, diesmal kann ich mich nicht zurück halten und mache einen halb erstickten, halb kichernden Laut.

"Warum lachst du?", brummt er, die Augen noch geschlossen. Sein Arm wandert ein Stück nach unten und wird dort sofort wieder von meiner Haut angesaugt. Währenddessen pressen sich seine Lenden noch stärker gegen meinen Po.
Kein Wunder, so, wie es da pulsiert. Prompt beginnt auch mein Blut zu wallen, meine Wangen werden heiß.
"Ich habe an den Physikunterricht gedacht...an Adhäsionskräfte und...", versuche ich zu erklären, jedoch klingt es jetzt, als ich es laut ausspreche, überhaupt nicht mehr witzig. Negan schnaubt verächtlich.
"Ernsthaft?"
Er zieht mich noch näher an seinen Körper, sodass auch die letzte kleine Lücke zwischen uns geschlossen wird.

"Ich hab mir gedacht, ich überrasche dich jetzt mit einem schönen Blowjob.", flüstert er mir ins Ohr, während seine Hände auf Wanderschaft gehen.
"Du weißt schon, dass ich keinen Penis habe?", flüstere ich zurück.
"Aber ich."
Zur Untermalung pufft er mir mit Besagtem an den Po.
"Du hast dir also gedacht, dass ich dich mit einem Blowjob überrasche."
"Wir überraschen uns gegenseitig damit, würde ich sagen. Für dich ist es ja auch schön, oder?"
Ich rolle mit den Augen und drehe mich so, damit ich ihn ansehen kann. Auch er sieht glücklich aus und das macht mich irgendwie noch glücklicher.
"Einen Blowjob muss man sich verdienen."
Er schiebt schmollend die Unterlippe vor und klimpert unschuldig und gleichzeitig noch ein wenig verschlafen mit den Wimpern.
"Aber gestern war ich doch wirklich lieb!", gibt er nörgelnd zu bedenken, "Ich war mit dir Essen. Am Strand. In der Bar hab ich dich beschützt..."
"Beschützt? Wovor?"
Er grinst breit und pustet mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie flattert kurz in der Luft und schwebt dann fast an derselben Stelle wieder herab.
"Vor dem Musiker, der dich angeschaut hat, wie ein verfickt saftiges Steak. Was du ja auch bist. Trotzdem darf er dich nicht so ansehen. Das macht man nicht."
"Oh, na wenn das so ist: Vielen Dank, mein tapferer Ritter!"
Er nickt zufrieden, seine Fingerspitzen surfen auf dem Schweißfilm meiner Haut, meinen Bauch hinab. Ich kann mir ein leises Seufzen nicht verkneifen.
"Und jetzt solltest du deinen Worten Taten folgen lassen.", schlussfolgert er mit rauer Stimme, presst seine Lippen auf meine Stirn und drückt mich damit leicht nach unten.
Ich füge mich seufzend und tauche unter die Decke.

Wenn morgen die Welt unterginge...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt