Mittlerweile ist es Abend geworden und meine Eltern müssten schon zu Hause sein. Eigentlich habe ich gar keine Lust sie zu sehen, aber ich glaube es gibt da etwas, was sie wissen sollten. Ich weiß sie werden es nur sehr ungern hören, aber sie sollen ruhig wissen, dass ihr Sohn eine verdammte Schwuchtel ist.
Ja, ich liebe Josh und er liebt mich. Es ist uns völlig egal, was andere denken. Unsere Eltern können uns von nichts abhalten, bzw. meine Eltern, denn Josh' seine wissen es ja mittlerweile. Sie haben eigentlich ganz cool reagiert. Sie haben verstanden, dass es heutzutage völlig normal ist. Mit ihnen verstehe ich mich jetzt auch einigermaßen, aber natürlich braucht alles noch seine Zeit.
Allerdings habe ich Angst vor der Reaktion meiner Eltern.Josh und ich machten uns auf den Weg zu meinem Haus. Von weitem sah ich schon Licht aus den unteren Fenstern brennen. Das Auto stand ebenfalls perfekt geparkt vor der Garage. Typisch Dad halt. Ich holte meinen Schlüssel aus der Hosentasche und schloss auf. Im Haus roch es bereits nach frisch gekochtem Essen. Ich tippe mal auf Nudeln mit Tomatensoße.
Wir zogen unsere Schuhe aus und wurden sofort von meinen Eltern empfangen.
,,Junge, da bist du ja. Wir wollten dich gerade anrufen und fragen wo du bleibst." sagte mein Vater erleichtert.
,,Ach komm, lass dich drücken.", lachte meine Mutter und nahm mich in den Arm.
Ich wollte ausweichen, doch sie hielt mich fest und drückte mir einen fetten Schmatzer auf die Wange. Verlegen schaute ich zu Josh und wischte mir mit meiner Hand den roten Lippenstift ab.
Josh wurde zuerst gar nicht beachtet. Er stand nur schweigend daneben und dachte sich wahrscheinlich 'Hilfe, wo bin ich hier gelandet'.
Als meine Mutter dann fertig war, schob sie mich bei Seite und fragte neugierig:
,,Und du bist Tyler's Freund?"
Josh guckte mich kurz unsicher an und antwortete kurz und knapp mit Ja.
,,Freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Kelly und das ist Chris, mein Mann."
"Josh", sagte er freundlich und reichte meinen Eltern die Hand.
Mein Vater guckte etwas geschockt, ich wusste was er denkt. Nunja, 'Freund' kann man vielseitig interpretieren. Und er wusste ja auch, dass ich mich noch nie wirklich für Mädchen interessiert habe.
Josh reichte ihm die Hand hin, doch mein Vater blieb steif wie ein Brett stehen und guckte ihn ernst an.
Das geht ja schonmal gut los.
,,Kommt jetzt, ich will etwas essen.", knurrte er.
,,Du kannst ruhig bleiben, wir haben ja genug Platz.", sagte meine Mutter freundlich und zog Josh, der noch nicht mal geantwortet hatte, mit ins Esszimmer.
Der Tisch war schon fertig gedeckt. Ich hatte richtig geraten. Nudeln.
Wir setzten uns und meine Mutter gab jedem eine Portion auf den Teller.
,,Danke das reicht mir.", sagte Josh und zog seinen Teller zurück.
Ich nahm ebenfalls nur eine kleine Portion.
,,Lasst es euch schmecken.", rief meine Mutter in die Runde.
Während des Essens war eine unangenehme Stille.
,,Du bist also Tyler's Freund?" fragte mein Vater skeptisch und unterbrach somit die Stille.
Er wusste sofort was Sache war. Im Gegensatz zu meiner Mutter, die dachte Josh wäre EIN Freund von mir.
,,Das hat er doch vorhin schon gesagt.", unterbrach meine Mutter.
Ich überlegte die ganze Zeit was ich sagen könnte, aber ich war wie eingefroren. Ich konnte nicht mehr klar denken. Aber irgenwann muss es raus. Ich nahm allen Mut zusammen und sprach:
,,Mom, Dad?"
,,Ja, mein Schatz?", antwortete Mom.
,,Josh ist nicht nur ein Freund, er ist mein Freund. Wir sind zusammen. Wir lieben uns."
Ich konnte selber gar nicht glauben, was ich da gesagt habe.
,,Was?" fragte meine Mutter und ließ die Gabel in die Nudeln fallen. ,,Oh Gott, Tyler."
,,Jaman, ich bin schwul.", schrie ich und verließ wütend den Raum.
Josh stand auf und folgte mir.
Ich rannte hoch in mein Zimmer und schloss mich ein. Ich war total wütend, aber gleichzeitig auch enttäuscht von meiner Mutter. Das mein Vater so reagieren würde, war mir schon klar, aber meine Mutter? Eigentlich hatten wir so ein gutes Verhältnis zueinander.
Ich rannte aufgebracht durch mein Zimmer und suchte verzweifelt nach der Box.
Die Box mit den Klingen. Ich hatte sie versteckt, damit sie keiner findet. Seit ich mit Josh zusammen bin, habe ich sie nicht mehr benutzt. Doch jetzt kann ich nicht anders. Ich muss.
Josh klopfte die ganze Zeit wild an der Tür.
,,Tyler. Bitte. Mach die Tür auf."
,,Tyler?"
,,Tyler, hey?"
,,Ist alles ok?"
,,Mach die Tür auf, bitte."
,,Ich liebe dich."
Ich hörte weitere Schritte, die die Treppe hoch rannten. Es waren meine Eltern.
Ich rutschte mit dem Rücken die Tür runter, sodass ich auf dem Boden saß. Mir kamen Tränen.
Ich sah alles verschwommen und hörte nur Josh's verzweifelte Rufe. Mir wurde schwindelig. Meine Eltern klopften ebenfalls und versuchten die Türklinke runter zu drücken.In der einen Hand hatte ich schon die Klinge.
Sie sieht schön aus. Sie glänzt so schön. Extra eine Frische. Diese scharfen Kanten. Schon lange habe ich dieses Gefühl nicht mehr gespürt.
,,TYLEEERR!"
Ich zuckte zusammen und ließ die Klinge auf den Boden fallen. Mir wurde schwindelig. Erneut kamen mir die Tränen. Ich zog die Knie an und legte meinen Kopf drauf.
,,TYLEEEEEERRRRR!!!!"
Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich das alles eigentlich gar nicht nötig habe. Ich habe einen wundervollen Freund, der mir immer zu Seite steht, der mich so akzeptiert wie ich bin, der mir vertraut, der mich liebt.
Ich stand auf und schloss die Tür auf. Josh fiel mir weinend um den Hals.
,,Gott sei Dank, ich dachte du hättest dir etwas angetan."
,,Ich war kurz davor, doch ich wollte dich nicht enttäuschen."
,,Tyler."
,,Josh."
Meine Eltern standen wortlos daneben. Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. War ich glücklich oder traurig? Ich konnte einfach nichts fühlen. Nichts. Ist überhaupt eine Beziehung möglich, wenn man nichts empfindet, keine liebe? Eher nicht. Bis jetzt wussten wir beide nicht, ob wir überhaupt in einer Beziehung waren. Konnte man das, was in den letzten Tagen passiert ist Beziehung nennen?
Vielleicht war es nur Freundschaft plus.
The End