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Im Wald angekommen liefen wir zu einem alten, heruntergekommenen Baumhaus.
Unsere Hände waren ineinander verschränkt. Bis auf ein paar Vögel, die munter ihre Lieder trällerten, war niemand hier im Wald. Es war ein warmer Spätsommertag. Die Sonne schien zwischen den Bäumen hindurch und ein Duft von Holz und Josh's Aftershave lag in der Luft. Ein angenehm warmer Wind ließ unsere Haare hin und her wehen.

Als wir am Baumhaus ankamen, holte Josh die versteckte Leiter aus einem Gebüsch und lehnte sie an das Baumhaus. Er kletterte sofort hinauf.

,,Worauf wartest du noch?", rief er ungeduldig von oben.

Ich blickte hoch zu Josh, der mich schon mit einem breiten Lächeln erwartete.

Ich zögerte zuerst, doch dann setzte ich mit zittrigen Beinen einen Fuß nach dem anderen auf die Stufen. Nach gefühlten Stunden kam ich auch endlich auf der Plattform an. Josh reichte mir die Hand und zog mich ins Baumhaus hinein.

Von innen sah es ziemlich unordentlich aus. Es war dreckig und Moos wuchs entlang der Wände. Ein alte Matratze mit ein paar Kissen darauf zierte den Raum. Durch die zwei Fenster drang Licht hinein.

,,Das muss Jahre her gewesen sein, als ich hier das letze Mal war.", sagte Josh und schaute sich erstaunt um.

"Wie schnell die Zeit vergeht.."

Josh setzte sich auf die Matratze und stützte seinen Kopf auf die Hände.

Stille.

,,Hey, was ist los?", fragte ich ihn besorgt und setzte mich zu ihm.

,,Ich muss gerade an die alten Zeiten denken."

Dabei kullerte ihm eine Träne über die Wange. Ich hob sein Kinn an und wischte ihm die Träne mit meinem Daumen weg. So kannte ich ihn gar nicht. So emotional.

,,Was ist denn 'damals' passiert?" fragte ich besorgt, während ich ihm über die Wange streichelte.

,,Also.. Aber du darfst es keinem weiter erzählen okay?"

,,Versprochen Baby."

,,Nun ja, früher... ich hatte Angststörungen und gelegentlich Panikattacken. Alle haben mich deswegen gemobbt und immer Witze darüber gemacht. Ich habe das alles nicht mehr ausgehalten. Ich wollte nicht mehr. Alles war geplant. In diesem Baumhaus. Die Tabletten schon in der Hand. Den Abschiedsbrief geschrieben. Ich dachte mich findet niemand.
Doch ein alter Mann hat mich gerettet. Sein Name war Arthur Miller.
Dadurch wurden wir sowas wie beste Freunde. Wir trafen uns jeden Nachmittag im Wald. Da erzählte er mir seine Geschichten und lehrte mich, was es wert sei zu leben. Ich denke immer wieder an seine Worte zurück.

Hör mir zu, junger Mann. Ich bin alt und habe eine Menge Erfahrung in meinem Leben gesammelt. Ich erinnere mich noch genau an den Krieg. Ich musste ihn damals als Jugendlicher in deinem Alter selbst miterleben. Es war keine leichte Zeit für mich, doch ans Aufgeben habe ich nie gedacht. Ich habe gekämpft und wie du siehst hat es sich gelohnt. Du bist noch so jung und hast dein ganzes Leben vor dir. Lerne das Leben kennen und probiere es aus. Es kann so schön sein, glaube mir.

Als er dann in ein Heim kam, verlor sich der Kontakt. Ich besuchte ihn zwar regelmäßig, aber die Heimleitung meinte nach einer Zeit, ich dürfe ihn nicht mehr sehen, da ich kein Verwandter sei.

Nunja, vor zwei Monaten, musste ich dann in der Zeitung lesen, dass er verstorben ist.
Mein Lebensretter.
Er war so ein guter, alter, weiser Mann."

Ihm lief das Wasser über die Wangen.

,,Oh nein Josh, das ist so traurig. Warum hast du mir nicht früher davon erzählt?"

Ich konnte mich nicht mehr halten und stürzte mich in Josh's Arme. Mir liefen die Tränen und ich hatte das Gefühl, sie würden nie mehr trocknen. Der Gedanke daran, dass Josh sich in genau in diesem Baumhaus umbringen wollte, macht mir Angst. 

,,Ich dachte, du würdest dich darüber lustig machen."

,,Was denkst du bitte von mir?"

,,Was ich von dir denke?" fragte Josh sarkastisch.

,,Dass du der gutaussehendste, attraktivste, hübscheste Junge auf der ganzen fucking Welt bist."

Dadurch musste ich wieder Lachen. Ich umarmte Josh erneut.

Wer auch immer dieser Arthur Miller war, ich bin ihm so dankbar.

,,Josh, ich glaube ich muss dir auch etwas erzählen.", nuschelte ich in sein T-Shirt.

,,Erzähl ruhig. Bei mir ist es sicher.", beruhigte mich Josh und streichelte mich sanft am Kopf.

,,Ich-ich war depressiv. Glaube ich zumindest. Für mich gab es keinen Sinn mehr zu leben. Ich hatte nichts und niemanden.
Die Schule musste ich oft wechseln. Niemand hat mich akzeptiert. Meine Eltern haben mich vernachlässigt. Ich war ihnen völlig egal. Keiner hat sich für mich interessiert. Meine falschen Freunde haben mich alle nur ausgenutzt. In der Schule bin ich auch abgerutscht und in meinem zweiten Zuhause, dem Krankenhaus, wurde ich auch eine Art 'Stammpatient'. Sogar von Psychiatrie und Antidepressiva war die Rede. Zum Glück kam es nie so weit.
Allerdings entdeckte ich eine Liebe für Rassierklingen und andere scharfe Gegenstände. Ich hatte zwar auch Pläne... habe mich aber nie getraut. Dann habe ich dich kennengelernt. Du hast mit deinen gelben Haaren wieder Farbe in meine dunkle Welt gebracht. Seitdem geht es mir viel besser. Bei dir fühle ich mich geliebt und akzeptiert."

,,Och nein, Tyler."

Josh bekam erneut Tränen in die Augen und drückte mich mit seinen muskulösen Armen noch fester an sich. Er weinte. Wegen mir. Und ich weinte auch. Wegen ihm. Das tat einfach so gut mit jemanden darüber zu reden.

,,Ich bin so froh dich zu haben. Danke dafür. Ich liebe dich."

,,Ich dich auch."

Wir trockneten uns gegenseitig die Tränen und waren überrascht
als wir auf die Uhr schauten.

12:49 Uhr.

,,So langsam könnten wir uns auf den Weg nach Hause machen bevor uns jemand aus der Klasse sieht."

,,Gute Idee."

Wir gingen los und unterwegs hielten wir noch kurz bei Taco Bell an. Wir bestellten uns zwei Burritos zum mitnehmen und gingen so schnell wie möglich zu Josh bevor der Bus die Straße hochfuhr.

Bei Josh angekommen, gingen wir in sein Zimmer. Wir setzen uns auf's Bett und aßen die Burritos. Ich liebe Burritos. Und Josh.

,,Tyler, ich finde es gut, dass wir mal darüber gesprochen haben."

,,Ja, ich auch. Meine Seele fühlt sich gerade so befreit."

,,Das ist schonmal ein gutes Zeichen. Wenn man so etwas nämlich ewig mit sich rumschleppt, geht man irgendwann daran kaputt."

,,Das ist wohl war, Josh.", sagte ich traurig.

,,Außerdem finde ich, dass man in einer Beziehung keine Geheimnisse haben sollte."

Beziehung? Bis jetzt habe weder ich ihn, noch hat er mich jemals gefragt, ob wir zusammen sein wollen. Aber ich meine es ist doch wohl selbstverständlich, wenn man sich gegenseitig sagt, dass man sich liebt, auch eine Beziehung führen möchte, oder?

,,Ja, finde ich auch." antwortete ich leise.

Freundschaft + || Joshler [german]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt