Wir atmeten erleichtert aus. „Weißt du Miriam. So froh ich bin, meine Tochter mal wieder in die Arme schließen zu können denke ich, dass du keine Zeit verlieren und zurück fahren solltest. Sie muss es wissen." Meine Mutter hatte Recht. Ich nickte und fragte: „Wann fährt der nächste Zug?" „Das schau ich nach, du packst jetzt erst mal.", antwortete mein Vater und nahm schon das Tablet zur Hand. Wieder nickte ich und stürmte nach oben. In meinem Zimmer warf ich alles, was ich schon ausgepackt hatte achtlos in meine Tasche und rannte die Treppe wieder runter. Dort wartete schon meine Mutter und hielt mir meine Jacke hin. Während ich sie anzog sagte sie: „Du hast Glück, der nächste Zug fährt in einer halben Stunde." Bevor ich sie fragen konnte sagte sie schon: „Ich fahr dich hin." „Danke!" Ich ging noch mal in die Küche, wo mein Vater wieder Zeitung las. Ich verabschiedete mich von ihm und folgte dann meiner Mutter nach draußen. Ich schwang mich auf den Beifahrersitz und packte die Tasche zwischen meine Beine. Fünfzehn Minuten später kamen wir am Bahnhof an und stiegen aus. Wir verloren keine Zeit und gingen direkt zum Schalter. Dort löste ich mein Ticket und wir warteten auf den Zug. Als er langsam in Sicht rollte umarmten wir uns und meine Mutter ermahnte mich, mich nicht zu überarbeiten. Ich nickte und machte mich daran in den Zug einzusteigen. „Viel Glück!", rief mir meine Mutter noch zu, bevor die Türen sich schlossen. Ich lächelte ihr zu und winkte. Sie schickte mir einen Handkuss und verschwand langsam, als der Zug wieder anfuhr. Ich verbrachte die Zugfahrt ähnlich, wie die gestrige. Allerdings strapazierte ich den Akku meines Handys, indem ich Melina immer wieder anrief. Sie ging nie ran, doch ich sprach ihr immer wieder auf die Mailbox: „Melina, ich weiß, ich spreche dir jetzt zum achtzehnten Mal drauf, aber ich will sicher gehen, dass du wirklich Zuhause bleibst bis ich da bin. Ich bin jetzt nur noch eine Stunde unterwegs und dann komme ich direkt zu dir. Wir müssen unbedingt reden!" Ich wollte schon „Ich liebe dich." sagen, aber ich hielt mich zurück. Ich wollte sie damit überraschen. Jetzt weiß ich, dass ich das vielleicht lieber nicht hätte machen sollen.
Am Bahnhof angekommen war ich die erste an der Tür. Kaum konnte man die Tür aufmachen sprang ich raus und rannte den Bahnsteig entlang. Die ganze Zeit fluchte ich, warum mussten denn jetzt aber auch so viele Menschen unterwegs sein? Draußen angekommen sah ich mich nach Taxis um. Dann rannte ich auf das vorderste zu und ließ dem Fahrer nicht mal Zeit auszusteigen. Ich schmiss mich direkt auf den Beifahrersitz und nannte dem verdutzten Fahrer Melinas Adresse. Als er nicht sofort reagierte sagte ich: „Ich hab's verdammt eilig, es geht um die Liebe meines Lebens!" Ja, während der Zugfahrt hatte ich viel über Melina nachgedacht und festgestellt, dass meine Gefühle für sie viel stärker waren, als jemals die für Tobi. Der Fahrer machte große Augen, stellte aber den Motor an und fuhr los. Am Anfang hielt er sich noch ziemlich an die Straßenregeln, aber als ich immer zappeliger wurde beschleunigte er und ignorierte sogar einmal eine rote Ampel. Endlich hielt er mit quietschenden Reifen vor dem Haus in dem Melinas WG lag. Ich warf ihm einen 50iger hin, den hatte er wirklich verdient. Ich stieg aus und klingelte Sturm. Nach gefühlten Stunden hörte endlich das Klicken, dass mir zeigte, dass jemand abgehoben hatte. Doch bevor ich irgendetwas sagen konnte hörte ich die Stimme von Shirin: „ Verdammt nochmal, was ist denn falsch mit dir?!" Ich grinste und wurde rot, aber dann erinnerte ich mich, warum ich hier war: „Shirin! Hier ist Miri, bitte lass mich rein, ich muss unbedingt mit Melina reden!" Stille. Ich wartete auf eine Antwort. „Shirin?" Als sie immer noch nichts sagte, sprach ich wieder: „Ich weiß, ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht. Ich habe Melina schrecklich wehgetan, aber das will ich jetzt wieder gut machen!" Ich wollte noch weiter reden, doch da hörte ich das erwünschte Summen. Ich drückte die Tür auf und rannte die Treppen so schnell, wie es eben mit einer um die Beine schlagenden Tasche geht, hoch. Kurz bevor ich die Tür erreichte öffnete Shirin sie und ließ mich rein. Ich rannte an ihr vorbei und stellte die Tasche ab. Dann stützte ich mich kurz auf meine Knie, um wieder zu Atem zu kommen. Als ich einigermaßen atmen konnte richtete ich mich auf und blickte Shirin ins Gesicht, welche mich mit einer Mischung aus Überraschung und Trauer ansah. „Wo ist sie? Melina.", fragte ich Shirin, welche nun noch bestürzter aussah. Mein Herz setzte kurz aus. War irgendwas mit Melina passiert? „Shirin?" Ich blickte mich um, hoffte, irgendetwas von Melina zu sehen. „Du hast sie verpasst Miri. Sie ist weg." Ich wandte mich wieder Shirin zu. „Wie meinst du das? Weg? Wo ist sie hingegangen?" „Als du zwei Tage lang nicht aufgetaucht bist wollte sie endgültig Abstand von dir und auch Köln. Miriam, sie ist für ein halbes Jahr nach Island geflogen." Zum dritten Mal an diesem Tag hatte ich das Gefühl geschlagen zu werden. Aber dieses Mal war es eher wie eine Tracht Prügel. Melina war weg. Doch dann fasste ich Hoffnung, vielleicht konnte ich sie noch aufhalten. „Wann ist sie los? Vielleicht kann ich sie noch aufhalten." Shirin sah mich zweifelnd an. „Sie ist vor ca. zwei Stunden abgeholt worden. Selbst wenn du dich sofort auf den Weg machen würdest könntest du sie nicht mehr einholen, dafür brauchen die öffentlichen Verkehrsmittel und auch ein Taxi einfach zu lange." In diesem Moment war es, als würde ich fallen und nie wieder aufkommen. Bevor Shirin oder ich irgendetwas sagen konnten klingelte es wieder an der Tür. Shirins Miene hellte sich auf: „Warte mal! Ich hab Dagi eingeladen. Das muss sie sein, wenn sie uns sofort zum Flughafen fährt könnten wir es noch schaffen!" Sie nahm schnell den Hörer ab und fragte: „Dagi?" sie lauschte kurz, dann redete sie sofort weiter: „Warte unten, Miri und ich kommen runter, wir müssen sofort zum Flughafen!" Shirin hängte den Hörer wieder ein und zog sich schnell ein Paar Schuhe an. Ich stand regungslos neben ihr, ich hatte immer noch nicht so ganz verstanden, was hier grade passierte. Doch Shirin ließ mir keine Zeit, um Fragen zu stellen. Sie hängte sich ihre Handtasche über den Arm, schmiss die Wohnungsschlüssel und ihr Handy rein und zog mich an der Hand aus der Wohnung und die Treppen runter. Vor der Tür wartete eine verdatterte Dagi auf uns. Wieder ließ Shirin sie nicht sprechen: „Wir erklären dir alles im Auto, jetzt müssen wir erstmal so schnell wie möglich zum Flughafen." Wir drei Mädels stiegen wieder ins Auto und Dagi fuhr los. Shirin erzählte ihr, dass ich kurz vor ihr angekommen war und unbedingt mit Melina reden wollte. Doch da beide Mädchen immer noch nicht wussten, warum ich mit Melina reden wollte, fragte Dagi mich und die beiden sahen mich neugierig an. Ich wurde rot. So hatte ich das alles nicht geplant, aber die beiden fuhren mich extra zum Flughafen, also hatten sie es verdient. „Nachdem Melina mir gestanden hatte, dass sie sich in mich verliebt hat bin ich ja, wie ihr wisst, weggerannt. Die nächsten Tage danach ging es mir schrecklich, immer wenn ich an sie dachte, weinte ich. Dann habe ich gestern die Apes getroffen, die mich nochmal darauf angesprochen haben. Durch sie habe ich gemerkt, dass ich absolut keine Ahnung hatte, wie ich meine Gefühle verstehen sollte und so entschloss ich mich, zu meinen Eltern zu fahren. Sie haben mir geholfen zu verstehen, dass ich..." ich zögerte kurz „Melina liebe." Shirin und Dagi jubelten. Ich wurde noch röter und rutschte tiefer in meinen Sitz. „Ich wusste es! So wie ihr euch immer verhalten habt, wenn ihr zusammen wart, musste es so sein!", sagte Dagi und Shirin nickte lächelnd. „Aber wenn wir sie jetzt nicht mehr aufhalten könnte alles zu spät sein.", erinnerte ich sie und die beiden wurden wieder ernst. „Stimmt.", antwortete Dagi und beschleunigte das Auto. Dank Dagis Kannakenstils erreichten wir kurze Zeit später den Flughafen. Nachdem wir einen Parkplatz gefunden hatten rannten wir drei ins Flughafengebäude. An der Tafel, auf der die Flüge angezeigt werden suchten wir nach Melinas Flug. „Gate 2!", rief Dagi plötzlich. Offensichtlich hatte sie den Flug gefunden. Shirin und ich rannten ihr hinterher, denn Dagi kannte sich auf diesem Flughafen am besten aus. „Wann geht der Flug?", fragte ich Dagi im Laufen. „ In einer dreiviertel Stunde."
DU LIEST GERADE
Melinas und meine Geschichte
Fanfiction"Wir sind beste Freunde." Ach wirklich? Eine Geschichte über ein ganz normales Mädchen und Melina. Vielleicht eine Liebesgeschichte? ;)