Ein normaler Morgen

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Die Sonne schien warm in das Gesicht des Hexenmeisters, als dieser sich auf die andere Seite seines Himmelbettes drehte.
Verschlafen blickte er auf den Wecker, der schon einige Dellen hatte.
Sein Pech, wenn er mich morgens um 8 Wecken will!, dachte Magnus genervt.
Seine Laune änderte sich jedoch schlagartig, als er den leicht bitteren Geruch nach Kaffee wahrnahm.
Unwillkürlich musste er grinsen.
Alec, dachte er nur.
Schattenjäger hatten morgens wohl nie etwas anderes vor, als Dämonen zu jagen oder Schattenweltern die Regeln zu erklären. Und Magnus kannte die Regeln des Abkommens. Er war schließlich live dabei gewesen.
Damals hatte er das erste Mal mit Camille Belcourt gesprochen, doch darüber wollte er lieber nicht nachdenken.
Nun war Alec da. Sein Alec.

Er pflückte Miau Tse-Tung von seiner Decke, worüber dieser jedoch nicht sehr erfreut schien.
Die Katzenaugen, dieselben wie Magnus' auch, blickten ihn einen Sekundenbruchteil vorwürflich an, bis die Katze mit einem Maunzen in Richtung Tür verschwand.
Und Magnus hätte schwören können, dass der Maunzer etwas wie "Alec ist eh netter, als du!" geheißen hatte.
Durch den Gedanken an Alec fasste Magnus erneut den Willen und rollte sich aus dem Bett - was keine gute Idee war, da er mit der Nase auf dem harten Parkett gelandet war und er seinen kleinen Zeh am Bettpfosten gestoßen hatte.
Seine Nase reibend stand er auf und zog sich einen pinken Bademantel aus Paris an. Es war eine Sonderanfertigung gewesen, doch leider war der Pariser Modedesigner Waliser und konnte deswegen kein Wort Französisch. Somit prangten zwischen unzähligen Palietten die Wörter "Mon Kuschelbär".
Er hatte ihn trotzdem mitgenommen - da er ihn auch schon im Voraus bezahlt hatte - und weil das pinke Stück Stoff einfach zu weich war, dass er es hätte nicht kaufen können.

Dazu trug er auch noch passende, quietschgrüne Pantoffel, die aussahen, als hätte man sie in eine Badewanne voller Glitzer getaucht.
Er hatte eigentlich vor gehabt, sie Ragnor zu schenken, doch ihm ist aufgefallen, dass sie sich mit Ragnors pastellgrünen Hautton gebissen hätten.
Somit hatte er sie behalten.

Er sah den jungen Schattenjäger sofort, als er durch sein Loft blickte.
Alec lehnte über dem Küchentisch, den Blick auf die Zeitung gerichtet.
In der Hand hatte er eine Tasse Kaffee, auf der das Logo der Beatles zu sehen war, welche er noch aus der Zeit hatte, als die Band noch "in" war. Außerdem schnurrte der große Vorsitzende um seine Beine herum, was er gar nicht zu bemerken schien.
Langsam und lautlos trat er näher zu seinem Freund heran und schlang ihm die Arme um den Körper.
Leicht bemerkte er, wie Alec zusammenzuckte - typisch Schattenjäger halt, immer auf Angriffe gefasst - doch dann spürte er das Lächeln auf seinem Gesicht.
"Guten Morgen, Alexander", flüsterte Magnus in sein Ohr.
Der Lightwood drehte sich in seinen Armen um und Magnus blickte in seine blauen Augen, die ihn jedes Mal erneut verzauberten.

Zögerlich beugte Alec sich vor und schloss die Augen.
Ihre Lippen trafen sich und für einen Moment verschwanden alle Gedanken aus seinem Kopf.
Die Gedanken über diesen hässlichen, blonden, neuen Präsidenten von Amerika über den er in der Irdischen Zeitung gelesen hatte.
Gedanken über Jace, Izzy, Clary, und ja, sogar über diesen Trottel Simon.
Gedanken darüber, was viele andere Schattenjäger über ihn denken, da er schwul und mit einem Schattenweltler zusammen ist.
All diese Gedanken interessierten ihn im Moment nicht.

Magnus lehnte sich in den Kuss hinein und schmeckte das Koffein des Kaffees auf Alecs Lippen.
Seine Hände fanden sich in den schwarzen Haaren wieder und Alec schlang seine Arme um seine Taille.
"Guten Morgen, Magnus", sagte auch Alec, als sie sich wegen mangelnder Luft voneinander lösen mussten.
Mit einem schnipsen stellte sich eine Tasse unter den Automaten, aus dem das heiße, herrliche Gebräu floss.
Das alles, ohne sich aus Alecs Armen zu winden oder anderweitig irgendwelche Bewegungen machen, zu denen er zu faul war.
"Was grinst du so wie ein Honigkuchenpferd?", fragte Magnus lachend. "Darf ich mir keinen Kaffee machen?"
"Ich glaube nicht, dass es Honigkuchenpferde gibt, Magnus", meinte der angesprochene mit einem belustigten Stirnrunzeln.
"Oh doch, mein lieber Alexander, die gibt es!" Lächelnd gab er dem Nephilim einen Kuss auf die Nasenspitze. "Ich bin sogar schon auf einem geritten. Damals, in Peru"
"Im Ernst?" Alec zog eine Augenbraue hoch.
"Nein"
Kopfschüttelnd ließ Alec sich auf einen Stuhl sinken, während Magnus seinen Kaffee holte.

Eine Dusche, Schminke und jede Menge Glitzer später kam Magnus aus dem Bad. Alec hatte Brötchen beim Bäcker um die Ecke gekauft, doch von ihm selbst war keine Spur zu sehen.
Magnus runzelte die Stirn.
"Alec?", fragte er in die Stille hinein.
Keine Antwort.
Er blickte sich weiter im eigenen Loft um und stellte erleichtert fest, dass Alec noch da war.
Seelenruhig lag er auf dem Sofa, ein Kissen im Arm und die Augen geschlossen.
Vorsichtig setzte Magnus sich neben seinen Kopf und fuhr durch die Schwarzen Haare.
"Kommt davon, wenn man so früh aufsteht", wisperte Magnus und drückte seinem Freund einen Kuss auf die Stirn.

Langsam erwachte Alec, nur um festzustellen, dass er eingeschlafen war. Er wollte schon hektisch aufstehen, als er eine Hand spürte, die sanft über seine Haare strich.
Er musste lächeln.
Magnus konnte es auch einfach nicht lassen.
Mit geschlossenen Augen drehte er seinen Kopf leicht nach rechts, weiter auf Magnus zu und kuschelte sich an ihn.
"Auch schon wach? Und ich dachte, ich wäre der Langschläfer von uns beiden", erklang die Stimme des Obersten Hexenmeisters von Brooklyn über ihm.
Alec schlug die Augen auf und gähnte herzhaft. "Auch ein Schattenjäger braucht mal ein Mittagsschläfchen"
"Aber es ist erst 11 Uhr."
"Dann ein Vormittagsschläfchen?"
"Das wird es wohl sein."
Der Lightwood setzte sich auf und straffte die Schultern. Er wollte gerade etwas sagen, als Magnus seine Lippen auf seine legte und er die Augen schloss. Die Wärme, die der Kuss erzeugte und dazu noch das weiche Sofa, machten den Kuss verlangender.
Magnus Hand fand den Weg unter sein graues Shirt, was vor langer Zeit einmal blau gewesen war.
Er ließ sich widerstandslos erneut auf das Sofa fallen, die Finger in den stacheligen Haaren des Hexenmeisters.
Ein leises Geräusch drang an sein Ohr, doch er ignorierte es.
Nichts und niemand sollte diesen Moment kaputt machen. Nichts und niemanden, bis auf- "Alec den Handy klingelt"
Seufzend ließ Magnus sich nach hinten fallen.
Vernichtend blickte Alec das Mobiltelefon an, in der Hoffnung, es würde zu Staub zerfallen.

"Ja?!", fragte er genervt und er hoffte, man konnte nicht hören, dass er leicht außer Atem war.
"Alec!", schrie Izzy am anderen Ende der Leitung: "Notfall in China Town!"
"Izzy, ich-"
"Nein, Alec, hör auf mit Magnus rumzumachen und komm her! Wir brauchen dich hier" Ihm vielen fast die Ohren ab, als er das hörte. Woher wusste sie...?!
"Okay, ich komme sofort." Seufzend legte er auf und atmete ein paar Mal tief durch.

"Tut mir leid", meinte er schließlich.
"Ist nicht deine Schuld", meinte er aufmunternd. "Wir sehen uns morgen"
Der Schattenjäger beugte sich zu ihm hinab und hauchte einen Kuss auf seine Wange. "Bis Morgen"
Und mit diesen Worten zog er sich seine Schuhe an, warf seine Monturjacke über und verstaute eine Seraphklinge in seinem Gürtel. Seinen Bogen hatte er über der Schulter hängen.
Das klicken der Tür verriet ihm, dass Alec gegangen war.
Nun war er wieder alleine - zumindest wenn man den großen Vorsitzenden Miau Tse-Tung nicht mit einbezog, der gerade herausgefunden hatte, dass Sachen vom Tisch herunterfallen, wenn man sie über die Kante schiebt.

Doch eins war Magnus klar: Alexander Gideon Lightwood kam immer wieder zu ihm zurück, egal, wie viele Werwölfkämpfe er schlichtet und Ravenerdämonen er auch bekämpft.
Denn er liebte ihn.

The Malec ChroniclesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt