Kapitel 6

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Kapitel 6

Ich zog mich vorsichtig um und ging danach runter zum Frühstücken. Mein Vater saß wie jeden Morgen wieder am Tisch. In seiner rechten Hand hielt er die Zeitung, während die linke Hand zwischen dem Umblättern der Seiten, dem Brot und dem Kaffee in regelmäßigen Abständen hin und her wanderte. Sobald ich eine Kleinigkeit gegessen hatte ging ich eine kleine Runde mit Balu. Ich war wiedermal sehr froh darüber, dass er niemals auf die Idee kam an der Leine zu ziehen.

Eine halbe Stunde später war ich dann in der Schule. Es war wirklich erstaunlich wie schwer und schmerzhaft Fahrrad fahren sein konnte.

„Dafür, dass du gestern so auffallen wolltest, siehst du heute aus, als würdest du alle von dir fern halten wollen.“ Lily beäugte mich kritisch. Recht hatte sie aber irgendwie schon. Gestern hatte ich mir Mühe gegeben um gut auszusehen und heute hatte ich meinen lockersten Pullover angezogen. Er war zwei Nummern zu groß und in einem einfachen grau gehalten. Allerdings war er auch der Pullover, der am wenigsten auf den Flecken auflag und genug vom Rücken bedeckte. Nachdem wir noch einige Zeit geredet hatten machten wir uns auf den Weg zu unserem Klassenraum. Neben mir saß wieder Flo, der sobald der Unterricht angefangen hatte, wieder nur darauf achtete. Da ich es schon von gestern kannte, hatte ich heute auch keine Probleme damit und nahm es nicht persönlich. Der Schultag war schon so gut wie rum und mit den voranschreitenden Stunden war es deutlich wärmer geworden. Alle liefen nur noch in T-Shirts oder Tops rum, außer mir, ich war immer noch in meinem zu großen Pullover. Die Hitze machte mir immer mehr zu schaffen, aber so konnte ich Lily wenigstens eine Ausrede liefern, warum ich heute nicht schwimmen wollte.

„Wenn du endlich deinen blöden Pullover ausziehen würdest, dann würde dein Kreislauf auch nicht so verrückt spielen. Und das kühle Wasser wird dir gut tun!“

„Ach so warm ist mir gar nicht.“ Sie war zwar meine beste Freundin, aber ich wollte nicht mit ihr über die Flecken reden bis ich wusste vorher ich sie hatte. Selbst wenn ich das vermutlich nicht herausfinden würde. Endlich hatten wir Schulschluss und Lily und ich machten uns auf den Weg zu den Fahrrädern. Sie fuhr los während ich noch an meinem Fahrrad stand. Da wir in andere Richtungen mussten warteten wir auch nie aufeinander wenn wir nicht noch etwas besprechen wollten. Ich kniete mich hin um das Schloss zu öffnen.

„Hallo Mailea, wie geht’s dir?“ Ich erschrak, da ich nicht damit gerechnet hatte, angesprochen zu werden. Ich sah nach oben. Es dauerte eine Weile bis ich erkannte wer da stand, da die Sonne aus der gleichen Richtung kam und mich dementsprechend blendete.

„Oh, hi Flo, gut und dir?“ Ich lächelte ihn an. Nachdem ich das Schloss in meine Tasche gepackt hatte stand ich langsam auf und warf sie mir über die Schulter. In seinem Blick war Sorge zu erkennen. Hatte er etwa Probleme? Ich wollte nicht, dass er so gequält aussah, das lächeln stand ihm viel besser. Dann wechselte sich jedoch sein Ausdruck und er zeigte ein kleines Lächeln.

„Mir geht es super. Sieht man sich heute wieder im Wald?“

„Bestimmt.“ Ich lächelte ihn ebenfalls an. Da ich heute nicht schwimmen gehen würde, könnte ich wenigstens eine größere Runde mit Balu gehen.

„Schön.“ Er warf mir nochmal ein Lächeln zu und ging dann weiter. Möglicherweise konnte ich dann später herausfinden was mit ihm los war. Hier vor der Schule wollte ich ihn nicht darauf ansprechen, da es vielleicht etwas zu persönliches war. Wenn er es mir denn überhaupt verraten würde. Ich setzte mich auf mein Rad und fuhr nach Hause.

„Ist dir nicht viel zu warm?“ Meine Mutter stand in der Küche und schenkte sich gerade Wasser in ihr mit Eiswürfeln gefülltes Glas ein. Sie hatte ein lockeres grünes Kleid mit Spaghettiträgern an und  ihr Blick zeigte deutliche Verwunderung über mich. Ich machte die Tür hinter mir zu und ließ meine Tasche auf den Boden fallen.

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