Kapitel 16

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Kapitel 16

„Was machen wir hier beim Wald?“ Floriel griff nach meinem Arm und zog mich den Waldweg entlang.

„Komm einfach mit und versuch nicht allzu oft zu fallen.“ Gerade als ich fragen wollte, was er damit meinte, beschleunigte er sein Tempo und fing an zu laufen. Ich konnte nur hoffen, dass er mehr sah als ich, denn ich sah zu diesem Zeitpunkt fast nichts mehr. Ich konnte nur erkennen, wo der Weg in etwa in das Gestrüpp und die Bäume überging und wo sich Floriel vor mir befand. Der Rest war beim Laufen zu einer schwarzen Wand geworden. Anfangs konnte ich noch am Himmel die Sterne und den Mond sehen, doch mit der Zeit wurde der Weg schmaler und die Baumkronen bedeckten dann ebenfalls den Himmel. Ab und zu stolperte ich sogar über Wurzeln, oder was auch immer da auf dem Boden lag, wurde aber direkt von Floriel weiter gezogen, damit gar nicht erst die Zeit hatte um hinzufallen, wie freundlich er doch war. Irgendwann blieb er dann ganz plötzlich stehen, was dazu führte, dass ich geradewegs in ihn hinein lief. Er ließ meinen Arm los und entfernte sich dann von mir. Ich hatte nur ein paar Schritte gehört, aber irgendetwas sagte mir, dass er mehr als nur ein paar Schritte von mir entfernt war.

„Flo?“ Ich versuchte mich zu konzentrieren, aber ich konnte weder etwas hören, noch etwas sehen. „Das ist nicht lustig! Ich sehe nichts und ich will ganz bestimmt nicht die Nacht hier verbringen, um zu warten, bis es wieder hell genug ist, damit ich den weg finde!“ Ich schrie ziemlich laut, damit er mich auch ja hören würde.

„Ich habe dich auch beim ersten Mal gehört, kein Grund so laut zu werden.“ Seine Stimme klang wie eine Mischung aus genervt sein und Langeweile. „Wenn du mir nun den Gefallen tun könntest und dich bemühen, dann würdest du bestimmt auch bald etwas sehen.“

„Das versuche ich schon seit wir aus der Stadt raus sind. Ich denke du erwartest etwas zu viel von mir, denn bisher hat anscheinend nichts geholfen und…“ Noch bevor ich meinen Satz beenden konnte, wurde ich von Floriel unterbrochen.

„Sobald du dich den Anweisungen widersetzt, mache ich mich auf den Heimweg. Dann kannst du doch die Nacht hier verbringen.“ Er machte eine kurze Pause, als ob er auf eine Widerrede warten würde und fuhr dann fort. „Jetzt konzentriere dich auf einen Punkt, bis du irgendetwas erkennst.“

„Ich habe doch gerade gesagt, dass ich das schon versucht habe. Es klappt nicht.“ Zuerst erwartete ich wieder seine genervte Stimme zu hören, doch als nach einer gefühlten Ewigkeit, was vermutlich nicht mal eine Minute war, immer noch nichts kam schrie ich laut und nervös auf: „Ok ich versuche es ja schon!“ Kurz darauf ertönte ein tiefes Lachen.

„Ich hoffe du hast es jetzt verstanden. Noch einmal werde ich nicht darüber hinweg sehen.“ Ich nickte schnell mit dem Kopf, obwohl ich nicht wusste, ob er es sehen konnte oder nicht und starrte dann in die Dunkelheit vor mir. Eine ganze Weile änderte sich nichts an meiner Sehstärke, bis mir eine Idee kam. Ich hob meine Hand vor mein Gesicht und konnte zum Glück leichte Umrisse davon erkennen. Ich konzentrierte mich sehr genau drauf, bis ich nach und nach tatsächlich etwas mehr erkannte.

„Ha! Ich kann meine Hand sehen!“ rief ich freudig aus. Da allerdings keine Reaktion kam, sah ich das als nicht ausreichend und konzentrierte mich wieder auf die Dunkelheit vor mir. Gerade als ich eine Gestalt kurz vor mir erkannte, flog mir irgendetwas ins Gesicht, wodurch ich niesen musste. Als wieder aufsah, erkannte ich alles deutlich vor mir und drehte mich hektisch hin und her, als ob ich die Anwesenheit von etwas Fremdem spüren würde. Ein rascheln oberhalb meines Kopfes ließ meinen Kopf nach oben schnellen und nach der Ursache der Raschelns suchen. Erst sah ich nichts, doch dann bewegte sich eine Gestalt, wodurch ich leicht in die Hocke ging und dann mit aller Kraft hoch sprang. Kaum war ich oben angelangt, machte ich einen weiteren Satz auf die Gestalt zu und brachte sie somit dazu von dem Ast zu fallen. Der plötzliche Sturz ließ die Luft aus den Lungen der Gestalt entweichen, wodurch ich die Zeit hatte nach einem Ast, der ganz in der Nähe lag, zu greifen. Ich holte aus und ließ meine Hand dann wieder nach unten schnellen, wurde aber kurz bevor ich ankam aufgehalten. Ich schlug den Arm weg und fauchte ihm entgegen. Kaum hatte das Geräusch meine Kehle verlassen, leuchteten in dem Gesicht unter mir zwei hell grüne Augen auf und warfen mich von sich runter. Die Gestalt richtete sich auf und rannte quer über die Lichtung zu einem Baumstumpf. Kaum hatte ich mich gefangen rannte ich hinterher und stürzte mich wieder auf die Gestalt, welche gerade nach etwas hinter dem Baumstumpf greifen wollte. Ich spürte wie sich eine kleine Menge an Eiskaltem Wasser über mich ergoss und schrie kurz auf. „Igitt ist das kalt!“ Ich sah mich um, erkannte aber wieder nichts in meiner Umgebung. Mit der plötzlichen Erinnerung, dass eben noch eine Gestalt mit mir auf dieser Lichtung war, ging ich langsam einen Schritt zurück, unwissend wie ich weglaufen sollte, wenn ich nichts sah.

„Mailea?“ Ich erkannte die Stimme sofort und versuchte herauszufinden, von wo sie her kam.

„Flo?“ Ich hörte ein nervöses Lachen und dann Schritte, die langsam auf mich zukamen.

„Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du so stark werden würdest.“ Die Schritte hielten kurz vor mir an, wodurch ich gerademal seine Umrisse erkennen konnte. „Könntest du bitte den Ast fallen lassen? Ich ziehe es vor es bei einem Angriff in dieser Nacht zu belassen.“ Ich sah runter zu meiner Hand, worin sich tatsächlich ein kleiner Ast befand. Dann kam mir die vorige Situation wieder in den Kopf und mein Gehirn schien wieder zu laufen. Ich ließ den Ast fallen und hielt mir vor Schreck vor den Mund.

„Ich habe gerade versucht dich mit einem Ast zu erschlagen!“

„Hätte ich besser aufgepasst, dann wäre es nicht soweit gekommen. Du solltest dir keine Vorwürfe machen. Ich denke du bist meiner Meinung, wenn ich sage es wäre das Beste, wenn wir erstmal aufhören?“ Ich nickte heftig und fing wie als weitere Bestätigung an zu zittern, wohl zum einen aus Schock und zum anderen, da ich erst kurz zuvor eine Ladung mit Eiswasser abbekommen hatte. Flo überwand den letzten Meter zwischen uns und legte mir dann seine Jacke über die Schultern. „Das hatte ich wohl auch nicht so ganz durchdacht.“ Er klang, als ob er etwas überaus schlimmer getan hätte, obwohl ich diejenige war, die ihn hatte umbringen wollen. Er entfernte sich ein paar Meter um den Eimer zu nehmen und lief dann in die Richtung aus der wir kamen. „Kommst du? Dieses Mal solltest du dich selbst auf den Weg konzentrieren, ich werde knapp vor dir gehen.“ Ich nickte wieder kurz und ging dann vorsichtig zu ihm rüber, woraufhin er sich dann auch wieder in Bewegung setzte. Egal wie schnell oder langsam ich lief, Floriel passte sein Tempo immer sofort an, sodass immer mindestens ein Meter Abstand zwischen uns war. Je langsamer ich wurde, desto lauter bewegte er sich fort und je schneller ich wurde, umso leiser wurde er. Nach diesem Muster bewegten wir uns auf dem kompletten Weg zu meinem zuhause. Vor meinem Haus blieben wir stehen und gerade als ich zur Tür gehen wollte, fiel mir ein, dass ich aus dem Fenster nach draußen gelangt war und nicht an den Schlüssel gedacht hatte.

„Ich weiß nicht wie ich rein kommen soll.“ Er sah mich ungläubig an, so wie Lily es tat, wenn ich ausnahmsweise einmal pünktlich zu unseren Treffen kam.

„Du bist eben etwa fünf Meter aus dem Stand auf einen Ast gesprungen und willst mir erklären, dass dir die drei Meter zu deinem Fenster jetzt zu viel sind?“

„Ich weiß aber nicht was da eben mit mir passiert ist, also ist es auch eher unwahrscheinlich, dass ich das jetzt nochmal einfach so schaffe. Und abgesehen davon hast du eben zu spüren bekommen, was dabei schief laufen kann.“ Er stellte den Eimer ab, stellte sich unterhalb meines Fensters nah an die Wand und hielt mir dann seine Hände etwas entgegen.

„Dann müssen wir es wohl mit der guten alten Räuberleiter versuchen.“ Langsam ging ich auf ihn zu und platzierte dann einen Fuß auf seinen Händen. „Auf drei.“ Ich nickte und er begann bis zu zählen. Als er bei drei ankam drückte ich mich mit aller Kraft nach oben und bekam dazu einen ziemlich starken Schub von ihm. Zu meinem Glück kam ich gerade so noch an den Fensterrahmen dran und versuchte mich hoch zu ziehen. Es dauerte zwar eine Weile, bis ich die richtige Reihenfolge an Schwungholen, mit dem Fuß an der Wand hoch drücken und mit den Armen hoch ziehen hatte. Kaum war ich mit meinen Knien auf der Fensterbank, fiel ich vornüber und landete mehr oder weniger unsanft in meinem Zimmer. Ich rappelte mich wieder auf und sah wieder nach draußen. „Ich werde mich heute irgendwann bei dir melden. Du solltest am besten Schlafen.“ Ich nickte und bevor ich noch etwas erwidern konnte, lief er schon davon. Ich drehte mich wieder um und sah an mir herab. Meine Kleidung war vollkommen verdreckt und ich hatte noch Floriels Jacke an. Ich zog sie aus und betrachtete sie kurz. Sie war ebenfalls vollkommen verdeckt, und an den Ärmeln waren kleine Löcher zu erkennen. Ich sah sie mir genauer an, um zu erkennen, ob sie erst seit dieser Nacht dort waren oder schon länger. Ich rieb etwas darüber und sah dann auf meine Hand, welche dann deutlich dreckiger als zuvor war. Allerdings waren dort auch rötlichere Stellen. Schnell sah ich mir die Jacke nochmal genauer an und erkannte, dass die Löcher an beiden Ärmeln genau zu meinem Griff passten und das Blut nicht von meinen Händen kam. Dann hatte ich ihn wohl doch verletzt und ihm bei meinem Angriff meine Finger in die Arme gerammt. Wie konnte er dann noch so ruhig bleiben? Ich wäre an seiner Stelle längst schreiend vor mir weg gelaufen und hätte mir nicht noch bis in mein Zimmer geholfen. Mit einem ziemlich Schuldbewussten Gefühl zog ich mir schnell meinen Schlafanzug wieder an und war mehr als froh, dass Samstag war und ich somit ausschlafen konnte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 27, 2014 ⏰

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