Kapitel 5
„Mailea“ Ich öffnete langsam meine Augen. Ich wusste nicht wem diese Stimme gehörte oder von wo sie kam. Mein Zimmer war in ein sanftes Mondlicht getaucht. Mühsam setzte ich mich auf und sah auf meine Uhr, es war 3 Uhr in der Nacht. Wer würde mich um diese Zeit wecken? Nach einem erneuten Blick durch mein Zimmer wusste ich genau, dass ich allein in meinem Zimmer war. Von wo kam die Stimme? Oder hatte ich nur geträumt mich hätte jemand angesprochen? Gerade als ich mich wieder hingelegt hatte, wurde ich erneut gerufen. Ruckartig setzte ich mich wieder auf und ließ erneut meinen Blick durch das Zimmer schweifen, niemand. Doch diesmal schien es, als ob Licht durch meinen Wandspiegel in mein Zimmer scheinen würde. Es war, als ob er kein Spiegel wäre, sondern eine Glasscheibe und in weiter Entfernung würde eine kleine Lampe brennen. Es war so wie abends, wenn noch die Straßenlaternen leuchteten, es aber sonst schon komplett dunkel war. Sie ließen nur ein wenig Licht in das Zimmer fallen, aber dennoch war es genug um etwas erkennen zu können. So kam es mir mit meinem Spiegel vor. Das kam mir ziemlich komisch vor. Träumte ich? Ich musste träumen! Ein Spiegel konnte nicht plötzlich Licht in das Zimmer werfen. Dennoch stand ich auf. Es war schließlich ein Traum, also was konnte ich schon verlieren? Sobald ich die Decke nicht mehr über meinem Körper hatte, fühlte ich wie mich eine furchterregende Kälte umhüllte. Es war ein Traum, der sehr real wirkte, aber definitiv ein Traum war. Ich ging zu meiner Tür und warf mir meinen himmelblauen Sweater über meinen weißen Pyjama und ging dann langsam in Richtung des Spiegels. Vorsichtig sah ich hindurch. Vor mir stand ich in meinem Zimmer. Ich musste lächeln bei dem Gedanken, dass ich dachte ich hätte eine Stimme gehört. Frustriert drehte ich mich um und wollte mich wieder ins Bett legen, doch dann wurde mein Arm festgehalten.
Erschrocken fuhr ich herum und sah wie eine Frau in meinem Spiegel stand und meinen Arm festhielt. Sie sah mich an und lächelte. Ihr Lächeln war so wunderschön. Alles an ihr war wunderschön. Ihre blonden Haare fielen ihr locker über ihre Schultern und reichten ihr fast bis zu den Hüften. Durch ihre kleine und zierliche Figur machten diese einen Großteil ihres Erscheinungsbildes aus. Sie hatte ein bodenlanges weißes Kleid an, welches ihre Figur betonte, jedoch nicht zu eng anlag. Ein leichtes vorsichtiges ziehen an meinem Arm signalisierte mir, dass ich näher kommen sollte. Sollte ich in meinen Spiegel gehen? Nach kurzem zögern entschied ich mich zu gehen, denn es war ja immer noch ein Traum, also was sollte schon schlimmes passieren? Außer, dass ich aufwachen würde? Ich trat einen Schritt nach vorne, dann noch einen. Jetzt stand ich direkt vor meinem Spiegel. Dann schloss ich die Augen und ging einen weiteren Schritt nach vorn.
Mit einem Mal wurde es deutlich wärmer um mich herum. Es umfüllte mich ein wohliges Gefühl. Ich öffnete die Augen und konnte meinen Augen kaum glauben, denn diese Landschaft war einfach atemberaubend. Es war alles in ein dunkelblaues Licht getaucht, durch den Mond der am Himmel schien. Doch er war nicht wie sonst, er wirkte deutlich größer. Nein er war größer! Oder auch näher, da war ich mir nicht sicher. So groß hatte ich ihn noch nicht einmal ansatzweise gesehen. Und geleuchtet hatte er auch noch nie so stark. In der Nähe standen mehrere Bäume die aussahen wie japanische Kirschblüten, aber sie waren nicht einfach rosa. Sie waren auch in blau, weiß und noch weiteren Varianten vertreten. Der Boden war bedeckt mit Gras und teilweise leichtem Nebel. Die Frau die eben noch in meinen Spiegel vor mir gestanden hatte stand nun mit einem kleinen Abstand neben mir und ließ langsam meinem Arm los. Sie lächelte mich noch immer an. Ich drehte mich um, denn ich wollte sehen wie mein Zimmer wohl von außen aussehen würde. Doch vor mir befand sich ein kleiner Wasserfall. Ich sah zu meinen Füßen. Ich stand auf einem kleinen Stein, der aus dem Bach nach oben ragte. Obwohl ich Barfuß war, fühlte er sich nicht kalt oder sonderlich unangenehm an, sondern irgendwie warm und eben.
Aus der Entfernung hörte ich ein leises Flügelschlagen und kurz darauf sah ich einen leichten Schatten, der sich über den Boden bewegte. Aus Neugierde welcher Vogel so groß und laut war sah ich nach oben und suchte den dunkelblauen Himmel danach ab. Weit über uns machte ich dann endlich eine Gestalt aus. Allerdings kam mir diese Gestalt nicht bekannt vor. Sie musste ziemlich groß sein, wenn sie selbst aus dieser Entfernung noch so groß war. Ich gab mir große Mühe um genaueres der Gestalt erkennen zu können. Sie war etwas länglicher und hatte auch sehr lange Flügel. Sie sah auch nicht aus wie ein Vogel, sondern wie ein Engel. Wie eine Frau mit Flügeln. Weißen, gefederten Flügeln. Mit einem Mal sah es aus, als ob sie vom Himmel herabfallen würde. Der Kopf war unten und ihre schwarzen Haare flatterten genau wie ihre Flügel nach oben. Kurz bevor sie den Boden erreichte drehte sie ab und flog auf die Bäume zu. Mit einer ziemlichen Geschwindigkeit flog sie zwischen zwischen sie hindurch und ließ ihre Blüten kurz erbeben. Dann bewegten sich die Blüten noch mehr. Nein es waren wohl doch keine Blüten, es war eine unzählige Anzahl an Schmetterlingen, oder jedenfalls glaubte ich es seien Schmetterlinge. Sie erhoben sich von den Bäumen und flogen wild durcheinander hinter dem Engel her. Diese vielen verschiedenen Farben gerieten alle durcheinander und kreierten ein atemberaubendes Farbspiel.
Nach einiger Zeit bemerkte ich, dass mein Mund vor Erstaunen offen stand und mir fiel auch wieder ein, dass ich nicht alleine war. Wie lange stand ich nun schon hier, ohne etwas gesagt zu haben? Ich drehte mich zu der Frau um, welche mich anscheinend beobachtet hatte, denn in ihrem Gesicht war ein erleichterter, aber auch zugleich amüsierter Blick zu erkennen. Ohne zu wissen was ich sagen sollte öffnete ich meinen Mund, schloss ihn dann aber wieder. Worüber redet man mit einer Frau die man im Traum sieht? Ich wollte unbedingt mit ihr reden. Endlich fiel mir ein, was ich sie fragen könnte.
„Wer bist du?“ Komischerweise strengte es mich ziemlich an zu reden. Lag es daran, dass ich träumte? Es war ein komischer Traum. Einerseits war er so real, als ob das alles tatsächlich passieren würde, doch andererseits war die Umgebung und alles andere vollkommen aus einer Fantasie hervorgerufen, welche sich bei mir vorher nie gezeigt hatte. Warum fiel es mir so schwer zu reden? War es mit anderen Dingen auch so? Um das unauffällig herauszufinden wollte ich mir durch die Haare fahren, doch was war das denn? Mein Arm fühlte sich an wie Blei. Ich war nun vollkommen verwirrt. War das der Moment in dem der schöne Traum zum Albtraum werden würde und ich nichts machen konnte, weil mein Körper wie gelähmt war? Auch um klare Gedanken zu fassen brauchte es nun länger und es war, als ob ich kurz davor wäre in den Schlaf zu fallen.
„Ich bin Irisial.“ Ihre Stimme war genau wie ihr Äußeres, wunderschön. Ich wollte ihr antworten, doch das lähmende Gefühl in meinem Körper war zu stark geworden. Ich konnte weder etwas sagen, noch mich bewegen. Genauso wenig konnte ihren besorgten Blick sehen, bevor es um mich herum dunkel wurde und ich nichts mehr spürte.
Es kam mir vor, als ob ich nirgends wäre. Ich spürte nicht mein Bett, ich spürte nicht den Boden unter den Füßen. Meine Gedanken gingen zähflüssig und meinen Körper konnte ich nicht kontrollieren. Ich wollte meine Augen öffnen, doch es passierte nichts. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit merkte ich endlich eine Veränderung. Langsam kam das Gefühl für meinen Körper zurück. Dann spürte ich das Bett unter mir. Oder war es doch etwas anderes? Es kam mir immer härter vor. Endlich konnte ich meine Augen öffnen. Über mir war meine Zimmerdecke, aber es war anderes als sonst. Langsam setzte ich mich auf. Ich saß auf dem Boden direkt neben meinem Spiegel. Gerade als ich aufstehen wollte, öffnete sich die Tür und meine Mutter sah durch die Tür.
„Was machst du denn da auf dem Boden? Und solltest du dich nicht langsam fertig machen? Ich meine sonst bist du um diese Uhrzeit schon längst unten für das Frühstück.“ Sie sah etwas verwirrt aus. Warum auch nicht, schließlich saß ich in meinem Pyjama auf dem Boden. Ein Blick auf die Uhr machte mir bewusst, warum sie wieder so hektisch wirkte. Es war Dienstagmorgen und ich wäre normalerweise schon vor einer halben Stunde aufgestanden.
„Ich mach mich schnell fertig und komme dann runter.“ Ich schenkte ihr ein müdes lächeln und wartete noch bis sie hinter sich wieder die Tür schloss. Meine Hände platzierte ich auf der Bettkante, welche sich zum Glück direkt hinter mir befand und startete einen Versuch um mich hinzustellen. Mit einem Ruck durchfuhr meinen Körper ein Schmerz, der vor allem im Rücken und Nacken sehr stark war. Nur mit größerer Überwindung konnte ich mich hinstellen. Ich fuhr mit der einen Hand über meinen Rücken und brauchte kein Arzt zu sein um zu merken, dass da etwas vollkommen falsch war. Vorsichtig zog ich meinen Pyjama aus, darauf bedacht nicht zu stark gegen meinen Rücken zu kommen und drehte mich dann mit dem Rücken zum Spiegel. Ein ziemlicher Schock war das, was ich zu sehen bekam; mein Rücken war an mehreren Stellen blau und an einer Stelle weiter mittig war ein Handgroßer Bluterguss, der in allen möglichen Farben leuchtete. Wie sollte ich diesen Tag bloß überstehen, ohne bei jemandem einen Verdacht zu wecken? Aber die viel wichtigere Frage war: woher hatte ich diese ganzen Flecken?

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Spiegelwelten
FantasíaAls Mailea dem mysteriösen Floriel scheinbar zufällig begegnet, spürt sie sofort, dass etwas an ihm anders, besonders ist. Zuerst fürchtet sie ihn und seine gefährliche Ausstrahlung, doch schon bald lässt sie sich von ihm in eine bedrohliche, ihr un...