Kapitel 4

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Kapitel 4

Wir gingen mittlerweile schon eine ganze Weile im Wald nebeneinander her und redeten über alles mögliche. Unser Tempo wäre normalerweise viel zu langsam für Balu gewesen, aber selbst jetzt war er noch aufgedreht wie am Anfang, lief um uns herum, dann ein paar Meter nach vorne, nur um danach sofort wieder zu uns zurück zu laufen. Es tat gut ihn so ausgelassen zu sehen, aber es versetzte mir irgendwie einen kleinen Stich, da er sich in Floriels Anwesenheit anscheinend wohler fühlte.

„Und lebst du schon immer hier? Oder hast du mal woanders gewohnt?“ holte Flo mich aus meinen Gedanken. Sein Gesicht war weiterhin freundlich und sein Blick ruhte auf mir, doch dieses Mal glaubte ich noch mehr Interesse als zuvor erkennen zu können. Wieso fragte er mich gerade sowas? Ich mochte solche Fragen nicht, ich wollte nicht unehrlich sein aber danach reagierten die meisten eine Weile komisch. Ich überlegte noch kurz ob ich ihm davon erzählen sollte, aber da er so vertrauenswürdig und ehrlich interessiert aussah, entschloss ich mich ihm davon zu erzählen.

„Eigentlich komme ich aus Spanien, jedenfalls glauben meine Eltern das. Naja also meine Adoptiveltern. Sie haben mich adoptiert als ich zwei war. Ich selbst kann mich nicht mehr daran erinnern, aber sie haben mir oft davon erzählt. Sie haben ein paar Monate vorher erfahren, dass sie niemals eigene Kinder bekommen könnten, aber dann haben sie sich für eine Adoption entschieden, und somit letztendlich für mich. Sie meinten ich hätte so süß ausgesehen, da hätten sie mich einfach mitnehmen müssen.“ Ich lächelte ihn an, in der Hoffnung er würde mich nicht bemitleiden, oder am besten noch das Thema wechseln.

„Du kommst also aus Spanien?“ Er sprach tatsächlich nicht über die Adoption an sich oder bemitleidete mich. Das war selten so. Die meisten sahen mich dann erstmal mit diesem du-tust-mir so leid-Blick an.

„Jedenfalls gehen meine Eltern davon aus. Sie haben mich in Berlin gefunden, aber die Leute hatten da wohl keine Informationen zu meinen Eltern. Ich selbst bin mir nicht sicher, aber von hier in der Nähe komme ich bestimmt nicht.“ Das war keine Hoffnung oder ein Wunsch, sondern ich war mir da ziemlich sicher. Meine Haare waren lang und dunkelbraun und meine Haut war ebenfalls Sonnengebräunt. Die meisten hier waren relativ hellhäutig und auch ein ganzes Stück größer als ich. Ich fiel mit meinen gerademal 1,55m ziemlich auf unter den anderen, oder eher gesagt gerade das nicht, da ich eben viel kleiner war und somit unterhalb der Blickrichtungen der anderen. Lily hatte sich mit ihren 1,70m schon daran gewöhnt weiter nach unten zu sehen, aber viele andere übersahen mich eben einfach.

„Hast du nie versucht herauszufinden wo du herkommst?“

„Ich hatte es nie für nötig gehalten. Ich bin hier zufrieden und liebe meine Eltern. Was wäre wenn ich etwas Schlimmes herausfinden würde?“

„Aber was wäre wenn du etwas einzigartiges herausfinden würdest?“ Damit brachte er mich zum nachdenken. Etwas Einzigartiges. In meinem Kopf bildete sich ein Bild von einer zweiköpfigen Frau, das war etwas einzigartiges. Daraufhin musste ich über meine Gedankengänge lächeln und schob sie beiseite.

„Ich mag alles so wie es ist. Ich möchte lieber, dass alles so bleibt. Aber zum Thema Herkunft. Wo kommst du denn her?“

„Ich lebe bei meinem Onkel und wir reisen schon seit ich mich erinnern kann durch die Gegend. Wir waren schon in so vielen Ländern, dass ich den Überblick verloren habe. Es ist wirklich interessant so viel zu sehen.“

„Was ist denn mit deinen Eltern? Und möchtest du nicht manchmal auch lieber an einem Ort bleiben?“ Ich sah wie er kurz überlegte. Es war nur etwas länger als es normalerweise gewesen wäre, aber es fiel mir auf.

„Die sind bei einem Autounfall gestorben als ich noch ganz klein war. Ich reise mit meinem Onkel durch die Gegend und wir waren schon an ziemlich vielen Orten, aber nirgends haben wir uns heimisch gefühlt. Ich weiß nicht, ob wir jemals finden werden was wir suchen, aber ich hoffe es doch sehr.“ Jetzt wusste ich warum er der Meinung war ich sollte nach meiner Herkunft suchen. Er würde seine Eltern nie wieder sehen können und ich wollte nicht nach meiner Herkunft fragen, weil ich Angst vor einer Enttäuschung hatte.

In meiner Tasche fing mein Handy an zu vibrieren und ich holte es schnell raus, denn wenn ich angerufen wurde war es meist wichtig. Ich blieb stehen und nahm ab.

„Ich hoffe du bist schon unterwegs zum Schwimmbad. Du weißt hoffentlich noch, dass wir jeden Montag schwimmen gehen? Du weißt schon, Sport und so, damit man nicht fett wird.“ Ich entfernte mein Handy von meinem Ohr und sah auf die Uhr. In einer Stunde sollte ich am Schwimmbad sein. Sie hatte mich also nur daran erinnert. Ein Glück, ich hatte vollkommen die Zeit vergessen.

„Ich bin schon unterwegs.“ Lachte ich ins Handy, legte auf und steckte mein Handy zurück in die Tasche.

„Du musst also los?“ Fragte Floriel mit einem gespielt beleidigten Blick.

„Ich wollte in einer Stunde im Schwimmbad sein, ich sollte mich auf den Rückweg machen.“, meinte ich entschuldigend und hakte bei Balu, der immer noch freudig umher lief, die Leine ein. „Ich denke man sieht sich dann morgen in der Schule.“ Ich schenkte ihm nochmal ein lächeln und ging dann zügig in Richtung Zuhause.

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