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Es ist bereits eine Woche vergangenen. Wir sitzen wieder zusammen auf dem Sofa des Therapeuten. Er stellt uns wieder die Frage, was vorher anders war. Ich antworte wahrheitsgemäß: "Vorher, da war mein Kind noch nicht tot." Es herrscht einen Moment Stille, bis der Therapeut sagt: "Es ist das Kind von Ihnen beiden. Verbinden Sie Ihre Trauer. Gerade jetzt müssen Sie zusammen halten." Shawn sagt er müsse viel arbeiten. Ich sage, dass die Versuche von beiden Seiten ins Leere laufen. Da sagt der Therapeut: "Wie kommt es, dass bei Ihnen so starke Abneigungen gegeneinander zu spüren sind? Sie wollen nicht zusammen trauern. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt noch etwas zusammen machen wollen..." Er wartet einen Moment ab und wiederholt seine Frage. Ich merke wie Shawn langsam unruhig wird. Als wieder keiner antwortet, wiederholt er die Frage ein zweites und ein drittes Mal. Da Platz es Shawn heraus. Er schreit mich an: "Wenn ich dich anschaue, dann sehe ich Amália. Wenn wir zusammen sind, dann sehe ich Amália. Und wenn ich an dich denke, dann sehe ich Amália!" Seine Stimme verklingt und hallt in mir wieder. Es schmerzt sehr so etwas zu hören. Lange sagt wieder keiner etwas, ich wüsste auch nicht was ich darauf antworten soll. So kommt es, dass Shawn aufspringt, irgendwas murmelt von Arbeit und Zeit und aus der Praxis verschwindet. Nun sitze ich wieder allein dem Therapeuten gegenüber. "Bei Ihnen herrscht so starke Diskrepanz, ich denke Sie sollten Abstand von einander gewinnen!"

Ich bin zu Hause und packe gerade meine Tasche. Der Therapeut hat recht, wir haben nicht genügend Abstand zu der Sache.
Ich packe das ein, was mir am wichtigsten erscheint.
Als Shawn nach Hause kommt, bin ich beinahe fertig. "Was machst du da?", fragt er in zornigem Ton. Ich versuche meine Stimme gelassen und freundlich klingen zu lassen, als ich sage: "Wir sollten uns trennen. Der Therapeut meint wir brauchen Abstand. Und wir wissen, dass es stimmt. Ich weiß nicht mehr, was ich will. Irgendwie fehlen die Gefühle! Ich muss hier raus." Wir diskutieren den ganzen Abend und ich breche in Tränen aus. Letztendlich landen wir im Flur. Fest umschlungen hält Shawn mich, das letzte was er wirklich für mich tun kann. Er ist da.

Shawn lässt es sich nicht nehmen, mir mein Flugticket zu bezahlen und so sitze ich schon am nächsten Tag im Flugzeug. Es ist furchtbar, diesmal ist keiner da um mir meine Angst zu nehmen. Also kauere ich auf dem Sitz und verkneife mir die Tränen.
Meine Eltern wissen zwar Bescheid, dass ich komme, aber nicht in welchem Rahmen. Den Flug über, hänge ich zwischen kurzen Schlafphasen und Grübeleien und halte währenddessen die Tränen zurück.
Ich bin glücklich, als ich in Hamburg ankomme. Meine Eltern warten am Gate. Ich schließe sie in die Arme und sie verzichten auf unnötige Fragen, denn irgendwie ist es offensichtlich, was passiert ist. Ich reise allein und mit viel Gepäck zurück nach Deutschland. Es ist vorbei. Wir sind aus dem Traum erwacht.

Endless Summer (feat. Shawn Mendes)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt