Eine zweite Chance?

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  Frey erinnerte sich nicht daran, wie er ins Krankenhaus gekommen war. Als er aufgewacht war, hatte er in einem Bett gelegen. Niemand war bei ihm. Nur der Schmerz in seinem Innerem. Viel hatte man nicht gemacht. Ein neues Verband war um seinen Kopf gewickelt worden, und man hatte festgestellt, dass sein Knöchel verstaucht war. Durch ein Schmerzmittel, spürte er seinen Knöcheln kaum noch. Zum Glück.
Als die Polizei ihn verhört hatte, und ihn gefragt hatte, warum er weg gelaufen war und geweint hatte, hatte er einfach gesagt, dass er verwirrt gewesen war. Alles war ihm zu viel geworden und durch die Aufregung und Angst war er einfach davon gelaufen.
Natürlich war der Sheriff erst misstrauisch gewesen. Vor allem, weil sich ja jemand um seine Wunde gekümmert hatte. Letztendlich aber, hatte man ihn alleine gelassen. Keiner seiner Pflegefamilie war aufgetaucht. Nicht mal Jacob. Vor ein paar Minuten hatte er dann erfahren, dass seine Familie ihn wieder weggegeben hatte.
Es hatte den Jungen natürlich nicht gewundert, er hatte es sogar erwartet. Neben seinem Bett, lagen seine Sachen. Inzwischen trug er nämlich eines dieser Nachthemden. Die Jacke. Man hatte sie nicht gewaschen, da diese aus echtem Leder bestand. Daher war sie auch noch dem entsprechend dreckig. Gerade deshalb roch sie noch nach Riley. Müde griff der schwarzhaarige nach der Jacke und drückte diese an sich. Zwar wurde das Bett so wieder dreckig, und er selbst auch, doch das war es dem Jungen wirklich wert. Als Frey in die Taschen der Jacke griff, fühlte er etwas darin. Etwas...wie einen Zettel!
Hastig holte der Bursche diesen heraus und faltete das Papier auseinander. Die Schrift war zwar ein wenig verlaufen, wegen dem Regen, doch sie war leserlich.

Galaxy

Verwirrt blickte er auf den Zettel. Irgendwie hatte sich Frey mehr erhofft. Wie zum Beispiel, Wir kommen dich holen; oder eine Adresse oder so. Aber Galaxy?!
Enttäuscht legte er die Jacke wieder auf den Tisch und betrachtete den Zettel. Vielleicht war der Zettel ja nur aus Versehen in der Tasche. So musste es sein.
Ein Klopfen. Sofort sah Frey zur Tür und versteckte das Stück Papier unter seinem Kissen. Was wollte denn der Sheriff hier?!
,,Hallo, Frey. Ich hätte noch ein paar Fragen an dich. Ist das in Ordnung?"; fragte der Mann und setzte sich auf den Stuhl, der an dem kleinem Tischchen stand. Natürlich nickte der Junge und setzte sich auf. Er versuchte müde zu wirken, sodass der andere Mann wieder gehen würde.
,,Also, wer von den beiden, wir wissen beide wen ich meine, hat dir diesen Verband umgelegt?"
,,Ich weiß es nicht. Ich bin ausgerutscht und als ich wieder aufgewacht bin, da hatte ich den schon.", erzählte der jüngere. Es war nicht gelogen. Er hatte wirklich nicht gewusst, wer ihm die Wunde verbunden hatte, doch er vermutete Riley. Dies behielt er aber für sich. Der Sheriff nickte.
,,Und, wer von den beiden hat dir die Jacke gegeben?", wollte der ältere noch wissen und sah kurz zu der Lederjacke, die jetzt auf dem Boden lag.
,,Alex, aber sie gehört Riley."
,,Und warum hat Alex sie dir gegeben?"
,,Woher soll ich denn das wissen?! Warum ist das denn so wichtig?!"
,,Weil wir versuchen herauszufinden, ob du uns auch die Wahrheit sagst. Hör zu. Einer der beiden kümmert sich um deine Wunde, der andere gibt dir eine Jacke, damit du offensichtlich nicht frierst. Du bist von uns weggelaufen. Gezielt durch den Wald zum Parkplatz, als hättest du gewusst, wo das Auto der beiden Männer gestanden hat. Und jetzt sag mir, Frey, klingt das für dich nicht ein bisschen verdächtig? Für mich nämlich schon. Und solltest du uns etwas verheimlichen, und wissen, wohin die beiden gegangen sind, und uns dies nicht sagen, dann wirst du dich selbst schneller auf dem Revier wieder finden, als du denkst. Also, verheimlichst du uns etwas? Weißt du wo die beiden hin gefahren sind?", fragte der Polizist mit einem scharfen Unterton. Frey schluckte hart und rang mit sich selbst. Ins Gefängnis wollte er nun wirklich nicht. Nein, er würde Riley nicht verraten und Alex genauso wenig. Wenn der Zettel kein Zufall war, dann würde das bedeuten, dass der schwarzhaarige eine Chance hatte, die beiden Männer wieder zu sehen. Es war einen Versuch wert.
,,Nein, ich weiß es nicht. S..sie haben nichts zu mir gesagt. Ich weiß nicht, warum Alex mir die Jacke gegeben hat, oder einer von beiden sich um meine Wunde gekümmert hat. Vielleicht, sind sie ja Kriminelle, oder Räuber oder was auch immer. Aber keine Kindermörder."
,,Wer sagt denn so etwas?"
Was wollte dieser Mann denn nur von ihm?!
,,Riley hat so etwas mal erwähnt, als ich mich mit den Kabelbindern verletzt habe.", erzählte der Kleine leise und zeigte dem Mann sein Handgelenk, da dieser ihm wohl nicht zu glauben schien. Man konnte die offene Stelle noch genau erkennen, die sich wie ein Armband um das ganze Handgelenk des Jungen legte.
,,Ich wurde na der Heizung festgemacht, und habe mich zu oft bewegt. Der Kabelbinder hat den Rest erledigt."
Jetzt nickte der Sheriff. ,,Na, schön. Ich habe aber auch noch andere Neuigkeiten für dich. Da dir nichts Ernstes fehlt, darfst du wieder nach Hause. Beziehungsweise, zurück in das Heim. Ich werde dich hin fahren zur Sicherheit. Alles ist schon besprochen. Das heißt, dass du dich umziehen solltest. Ich komme dich in zehn Minuten abholen.", sagte der Mann monoton und verließ das Zimmer wieder. Frey fragte sich wirklich, ob dieser Mann überhaupt Gefühle hatte.
Galaxy.
Immer wieder ging ihm dieses Wort durch den Kopf. Was bedeutete es?! Oder besser gesagt, was meinte Alex damit?
Zu grübeln brachte sich auch nicht viel. Kopfschüttelnd erhob er sich aus dem Bett und trat vorsichtig auf dem Boden auf. Durch die Schmerzmittel spürte er nichts, was jedoch auch nicht bedeutete, dass es gut war, jetzt wieder loszurennen oder ähnliches. Der schwarzhaarige nahm seine Sachen von dem Tisch, inklusive die Dose mit den Schmerztabletten, und humpelte ins Bad. Dort schälte er sich aus dem Nachthemd und sah kurz in den Spiegel. Er hatte ein wenig abgenommen. Enttäuscht zog er sich wieder an. Da die Lederjacke voll mit Schlamm und Dreck war, und man diese nicht wirklich waschen konnte zumindest dachten das die Ärzte, nahm sich Frey eines der kleinen Handtücher, befeuchtete dieses mit Wasser und begann vorsichtig den Dreck von der Jacke zu wischen. Dies klappte sogar recht gut. Zufrieden betrachtete der fünfzehnjährige nun die Jacke. Sauber. Das weiße Handtuch jetzt aber nicht mehr. Das Krankenhaus, würde jetzt sicher auch nicht gleich wegen einem dreckigen Handtuch streben. Also was soll's?! Schnell zog er sich die Jacke über und ging wieder in das Zimmer. Rasch schnappte sich der Kleine den Zettel wieder und steckte diesen in die Jackentasche, ehe er sich auf das Bett setzte und auf den Mann wartete.
Dieser kam einige Minuten zu spät und wirkte angesäuert. Frey wagte es gar nicht zu fragen, was denn los sei und ging schweigend hinter dem Mann her. Es fiel ihm schwer, dem Schritttempo des anderen mitzuhalten, doch da der Sheriff nicht gewillt war, langsamer zu gehen, musste er da durch.
Der Polizeiwagen, stand etwas entfernt vom Eingang.
,,Steig ein." , sagte der ältere und deutete auf den Beifahrersitz. Zögernd öffnete Frey die Tür und ließ sich auf den Sitz fallen. Er war noch nie, bei Bewusstsein, in einem Polizeiwagen mitgefahren. Das hatte er auch eigentlich nie vorgehabt. Ohne ein weiteres Wort, fuhren sie los. Auch wenn Frey es nicht gerne zugab, hatte er die Stadt doch ein wenig vermisst. Die ganze Zeit im Wald, eingesperrt in diesem Haus, war nicht wirklich schlimm gewesen, doch trotzdem hatte der Junge die Zivilisation vermisst. Im Wagen herrschte erdrückende Stille. Nur von draußen konnte man den Regen hören.
Die Graffitis an den Mauern, Häusern und auch Mülltonnen, waren das einzige das farblich heraussticht. Der Rest war grau und weiß.
Und da fiel es ihm ein. Galaxy. Das Graffiti in der Nähe einer Seitengasse. Frey war öfters dort gewesen, als er einfach seine Ruhe gewollt hatte. Meistens war er nachts dort hin gegangen und hatte gezeichnet. Die Graffitis abgezeichnet und manchmal auch selbst welche gemacht. Nicht an den Wänden, er wollte ja keine Probleme bekommen, sondern einfach auf seinen Block. Ob Alex das meinte? Eine Option war es und einen Versuch wert auch.
,,Deine Sachen wurden schon in dein Zimmer gebracht, das hat zumindest diese Mrs. Bonfield gesagt. Also musst du nicht mehr zu dieser Familie.", erklärte der Mann neben ihm ohne jegliche Emotionen. Frey nickte nur. Für ihn gab es keinen Grund, mit dem Polizisten zu reden, also würde er das auch nicht tun.
Nach einer knappen halben Stunde, hielten sie vor dem Heim.
,,Home sweet Home.", dachte sich der schwarzhaarige Junge verbittert und stieg aus. Mrs. Bonfield wartete schon freundlich lächelnd auf ihn am Eingang.
,,Hallo, Frey. Schön, dass es dir gut geht. Wir haben uns alle solche Sorgen gemacht. Das mit deiner Familie tut mir leid. Aber ich denke ein bisschen Ruhe tut dir gut. Du weißt doch noch wo dein Zimmer ist, oder? Geh schon mal nach oben und zieh dir ein paar bequeme Sachen an. Ich komme gleich nach um alles genau mit..", begann sie freundlich lächelnd. Jedoch konnte man das Mitleid und die Traurigkeit in ihrer Stimme genau hören. Zu Ende sprechen konnte sie nicht, da sie von dem jüngsten unter ihnen unterbrochen wurde.
,,mir zu besprechen. Schon klar. Ich kenn' das. Ich bin in meinem Zimmer.", beendete Frey den Satz der Dame und stieg aus dem Wagen. Ohne den Sheriff auch nur eines Blickes zu würdigen, ging er nach drinnen. Mrs. Bonfield schenkte er ein müdes, aber freundliches Lächeln, ehe er hinter der Tür verschwand.

Drinnen war es schön warm. Die Treppen waren etwas entfernt vom Wartezimmer für die Familien, die auf die Zustimmung, für eine Adoption, oder eine Ablehnung warteten. Darin saß ein junges Pärchen, mit drei Kindern. Ein etwa vierjähriger Junge, dann ein Mädchen, das sicher älter war als er selbst und ein Junge in seinem Alter. Kurz beobachtete er die Familie und ging dann die Treppen hoch. Sein Zimmer lag im letzten Stock. Von dort aus, hatte man einen wirklich schönen Ausblick auf die Stadt, und der Balkon dort, war auch nicht schlecht. Aber das Zimmer hatte nichts persönliches. Ein Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch und ein Badezimmer. Ein paar Bücher standen noch in einem kleinem Bücherregal, doch das war auch schon alles. Vielleicht, würde er dieses Zimmer aber auch heute das letzte Mal sehen. Wenn seine Vermutung sich bestätigte, dann hatte er wirklich eine Chance, Riley wieder zu sehen.
Er stellte die Dose mit den Tabletten auf den Tisch und zog sich die Schuhe aus, ehe er sich auf das Bett legte und sich zudeckte. Die Jacke behielt er an. Er wollte Riley Nähe, auch wenn diese nur von einer Jacke kam.
Nachdem alles besprochen worden war, dies hatte über eine Stunde gedauert, ging Frey nach unten in die Küche um etwas zu essen. Er saß immer alleine. Jedoch nicht, weil ihn niemand mochte, sondern, weil er beim Essen einfach seine Ruhe haben wollte.
Nach dem Essen, zog er sich wieder zurück in sein Zimmer. In einer Stunde, war Bettzeit. Die Betreuerinnen, gingen immer alle Zimmer durch, um sich auch zu vergewissern, dass alle Kinder schliefen und nicht irgendwo herum liefen. Es war trotzdem nicht gerade schwer sich davon zu schleichen. Denn nach einer halben Stunde, waren selbst die Betreuerinnen im Bett. Nur der Haupteingang war zugesperrt, weshalb man durch die Küche gehen musste. Der Hinterausgang, Beziehungsweise Eingang, war zwar auch abgesperrt, doch der Schlüssel hing immer in einem kleinem Schrank im Büro, von Mrs. Bonfield. Eigentlich wusste niemand von dem Schlüssel. Frey aber hatte sie einmal beobachtet wie sie den Müll hinaus gebracht hatte und wusste somit von dem kleinem Geheimnis. Das Büro war immer offen, da einige der anderen Kinder meistens ihre Schlüssel dort abgaben oder die Hausaufgaben, um sie von Mrs. Bonefield kontrollieren zu lassen. Und das war wirklich praktsich.  

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