Erinnerungen an Träume *Elandra*

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„Mach ihr keine Angst, Bahsar.",zischte Meruthil und blickte den gross gewachsenen Mann finster an. Das ist .Bahsar. Ein Verstossener aus der Stadt Narmon. Er hat sich vor vielen Jahren entschieden hat, nach Wüstenkranz zu reisen und ein neues Leben zu beginnen. So ist er hier gelandet. Und dient mir nun."

"Entschuldige, Valerion.", erwiderte Bahsar mit einem Schulterzucken. "Ich dachte Sie würde einen warmen Empfang gutheissen.", er musterte sie mit seinen grossen, weissen Augen. „Ich sehe du bist verletzt. Komm mit mir ich werde die Wunde reinigen."

Mit schwachen Beinen folgte sie in den Hof, wo halbnackte Männer mit Übungsschwertern aufeinander einhieben und sich von den kräftigen Hieben fast schon tänzelnd fortbewegten. Valerion ging mit leisen Sohlen hinter Ihnen her und beäugte dabei die einzelnen Bewegungen der Kämpfer.

Bahsar führte sie unter einem überdachten Weg um den Hof in ein mehrstöckiges Gebäude bei deren Wände alle drei Fuss eine Scharte eingemeisselt worden war.

„Was ist das für ein Ort.", fragte Elandra und bemerkte das Abbild eines Mannes in einem langen bronzenen Umhang, der starr in der Luft lag. Über sein Gesicht hatte er bis zur Nase ein Tuch gezogen und in seiner rechten Hand hielt er einen langen Eisenstock mit einer runden spiralförmigen Kugel an der Spitze befestigt.

„Wen soll diese Skulptur darstellen?", fragte Elandra und bereute es sogleich als sie Bahsars Blick auf sich spürte.

„Das ist Wyllin Tahlon. Der einstige Herr dieser Feste, als sie noch Feste Tahlon hiess und davor noch Feste Urmond vor ihm und alle früheren Herren sind hier auf dem Gelände verteilt verewigt. Deshalb umgibt auch eine Mauer diese Unterkunft - um Diebe fernzuhalten." Valerion leckte sich die Lippen und sprach weiter. „Er hat mich sein Wissen gelehrt und gebe sie nun an meine Schüler weiter, bis ich einen von ihnen auserwähle und er meine Nachfolge antritt. So war es bisher immer."

„Und was lehrt ihr den Männern hier?", fragte Elandra und blicke neugierig zu den Männern hinüber. Schweiss lief ihre muskelumspannten Oberkörper herunter und Elandra fühlte ein Kribbeln im Bauch als sie ihre graziösen Bewegungen begierig mit den Augen folgte.

Valerion lachte kurz auf und riss Elandra aus ihren Gedanken. „Das wirst du noch früh genug sehen.", verkündete er und sie bemerkte die Lachfalten um seine mandelförmigen Augen mit den blauen Kernen. Bahsar öffnete grob eine schwere Holztür und sie traten ein in einen Raum, der gefüllt war mit Gerümpel und merkwürdigen Gegenständen. Sie gingen an einen Spiegel vorbei und plötzlich blieb Elandra stehen. Schon lange hatte sie sich nicht mehr im Spiegel erblickt. Seit ich... Ich muss die Gedanken verdrängen, redete sie sich ein.

Ein in Lumpen gehülltes Mädchen stand nun in der glänzenden Oberfläche, mit kastanienbraunem Haar, das ihr bis zur Hüfte reichte. Ihre sechzehn Jahre sah man ihr kaum an. Sie wirkte viel älter und reifer, auch wenn sie sich nicht so fühlte. Ihre hübschen Wangenknochen stachen hervor, neben der schmalen Nase und Lippen.

"Ich bin kein Mädchen!", wandte Elandra wütend ein. "Ich bin schon sechzehn Jahre alt und kenne mich auf den Strassen besser aus als jeder andere. Ausserdem verdiene ich mein Geld selbst."

Mit nüchternem Blick schaute der grosse Mann ihr ins Gesicht. "Setz dich!", erwiderte Bahsar. "Mädchen."

Verdattert setzte sich Elandra auf die Kiste und blickte Bahsar anschliessend finster an, wovon er jedoch nicht beeindruckt schien.

Während Valerion stumm und in Gedanken versunken hinter Elandra stand, suchte sich Bahsar in einer gefüllten Truhe im Durcheinander von Vasen, Kerzenständer, Lederbeutel und anderen Habseligkeiten eine Ampule mit gelblich-weisser Flüssigkeit darin heraus.

"Nimm das.", sagte er mit bestimmter Stimme. "Das ist eine Mixtur mit zerdrückten Abylys-Blüten. Wenn man es auf die betroffene Stelle draufstreicht betäubt das Abylys sie.", er hielt die Flasche für einen kurzen Moment hoch ins Licht und betrachtete die Flasche genau. "Nicht besonders teuer - dieses Heilmittel. Fürs Volk gedacht."

"Ich bin nicht dumm.", meldete sich das Mädchen und verschränkte ihre zärtlichen Arme. "Ich weiss was Abylys ist."

"Ja? Doch unser  Heilmittel  ist besser. Es wird von einigen geschulten Personen hier gemacht. Dagegen ist das Gebräu auf den Strassen purer Betrug. Nicht das Geld wert."

Ohne auf eine Antwort ihrerseits zu warten riss er den Korken, der im Hals der Glasampulle steckte, heraus und liess die schwere Konsistenz auf seinen Mittel - und Zeigefinger tropfen und begann die Konsistenz unvermutet behutsam auf die Wunde zu streichen. Noch während er am Werke war, spürte Elandra bereits die Wirkungs des Heilmittels. Die Wunde begann zu prickeln und fühlte sich kalt an. Das Gefühl breitete  sich wie ein Lauffeuer aus und kroch die rechte Gesichtshälfte hinunter und betäubte die Haut.

Valerion ergriff das Wort: "Weisst du warum ich dir geholfen habe?, Mädchen", fragte er mit ernstem Blick. Elandra wusste daraufhin keine Antwort und erötete. "Ich kann es dir sagen. Dass heisst, wenn du es möchtest."

Elandra nickte stumm.

"Zuerst muss ich dir allerdings eine Frage stellen; wie hast du das mit dem Feuer gemacht?"

Elandra grübelte nach. Gewissermassen wusste sie es selbst nicht gänzlich. "I-Ich weiss es nicht.", musste sich Elandra eingestehen. "Ich denke daran und es geschieht."

"Dachte ich mir.", Valerion blickte sie mit strengem Blick an und Elandras Herz setzte einen Schlag aus. Möchte er mir böses? "Und du hast dich nie gefragt, wie du das anstellst?"

"Doch. Aber solange ich mir damit etwas verdienen kann ist es mir reglich gleichgültig."

Bahsar musterte sie und kam dann zum Schluss: " Du bist heimatlos. Habe ich recht?"

Wehmütig blickte Elandra zu Boden. Eine heisse Träne schlängelte sich ihre Wange herunter, während ihr die braunen Haare bündelweise ins Gesicht hingen. Sie versuchte ein Wort herauszubringen, doch die Erinnerungen schmerzten zu sehr, als dass sie über den Schatten springen konnte, der sie seit dem siebten Lebensjahr verfolgte und ihr immer näher kam.

Durch die braunen Strähnen bemerkte sie, wie der weisshaarige Mann Bahsar grimming anblickte und ihm etwas zuflüsterte. Da weiteten sich Bahsars Augen plötzlich und der sonst so furchterregende Mann nickte stumm und wirkte plötzlich klein und ängstlich.

"Entschuldige, Kleines.", versuchte der Mann aus Narmon sie zu trösten. "Ich weiss wie du dich fühlst. Glaub mir!"

"W-Woher solltest du?", widersprach das sechzehnjährige Mädchen. "Du hast nicht erlebt was ich erlebt habe. Hat der Ghael-Clan dein Haus niedergebrannt, deine Eltern und deine Geschwister, wie Viech niedergemacht, während du die Tat unter einem Toten versteckt, mitansehen musstest? Weisst du, wie es ist, wenn du erlebst, wie deine Freunde von Pferdehufen zertrampelt werden und deren Väter und Mütter von Säbeln den Kopf abgeschlagen wird, während du die einzige bist, die das überleben durfte?", Elandra wurde kalt und sie wäre am liebsten in eine warme Wolldecke gesprungen und hätte sich darin gehüllt und begraben. "Hast du die verbrannten Häuser vor Frytas schon einmal bemerkt? Das ist das Wohnquartier in dem ich gelebt habe und die Herren von Frytas haben sich nicht einmal die Mühe gemacht sie wiederaufzubauen. Ich bin eine der Wenigen, die dem Reitenden Schrecken davongekommen sind."


Der Reitende Schrecken war der gefürchteste Krieger des Ghael-Clans gewesen. Mit dunklem Brustpanzer und Spitzhelm und mit Rot getränktem Krummschwert war er derjenige gewesen, der unzähligen Bekanntschaften das Leben mit einem einzigen Hieb und einer tiefen Fleischwunde beendet hatte.

Bahsar blickte mit einem bisher fremden Blick seinerseits zu Elandra; mit einem betrübten.

"Du musst wissen. In Narmon ist man äusserst gläubig. Nutzer der Magie sind dort die Sünder für alles Pech das dort geschieht. Früher war es beispiellos schön dort. Alles gedieh und blühte, man fand allerorts wunderschöne Oasen und es war eine lebendige Stadt in der man gerne lebte.", erklärte er. "Doch dann kam die Dürre und und das Wasser schwand und so auch die Bewohner. Hexer wurde beschuldigt, die Ursache des Leides dieser Stadt gewesen zu sein. Und das Unglück wollte, dass meine geliebte Mutter und mein geliebter Vater von der Justiz der einfachen Bürger hingerichtet wurde."

Elandra verspürte Mitgefühl und blickte ihn traurig an, bis sie dann ihren Kopf wandte und in den Spiegel sah. Sie fühlte sich nicht allein.

Prophezeiung der Winde *PAUSIERT*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt