8. Park in der Großstadt

7.5K 237 12
                                    

P.O.V Melissa

Genervt drängelte ich mich durch die Schülermassen im Korridor in Richtung Ausgang. Hier und da glaubte ich einen kleineren Schüler aus versehen getrampelt zu haben, doch das interessierte mich jetzt einen Scheiß.

Endlich schnappte ich die angenehme Luft von draußen auf und fühlte mich gleich viel freier. Bis meine Augen Lance wahrnahmen. Heute wollte er mir ein bisschen die Stadt zeigen und so was, worauf ich überhaupt gar keine Lust hatte. Er stand lässig an seinem schwarzen Sportwagen gelehnt, die eine Hand in der Hosentasche, die Andere mit Handy. So bemerkte er also nicht, dass ich auf ihn zulief und auch nicht, als ich neben ihm stand. Was sollte ich jetzt machen? Warten bis er mich bemerkt schien eine gute Lösung, doch dies würde einfach viel zu lange dauern. Also hob ich meine Hand auf seine Höhe und pickte ihm in den Oberarm. Verdammt hat der Muskeln.
Kurz zuckte er zusammen, ehe sein Blick auf mir landete. Natürlich tat ich nichts anderes als woanders hin zu sehen.

"Sorry, hab dich nicht gesehen.", sagte Lance, steckte sein Handy weg und stieß sich von seinem Auto ab. Ich musterte sein Auto etwas genauer. Es war wie schon erwähnt schwarz. Dazu hatte es eine ziemlich moderne Form und nur zwei Sitze. Im Allgemeinen sah es ziemlich teuer aus, doch mich überraschte dies nicht. Schließlich wohnten sie ja auch in einer gigantischen Villa. "Können wir jetzt los, oder willst du mein Auto nur anstarren?", fragte Lance, wobei man die Belustigung in seiner Stimme heraushören konnte. Kurz schüttelte ich meinen Kopf um aus Gedanken zu kommen. Dann stieg ich in das Auto, wobei Lance allen Ernstes so freundlich war um mir die Tür aufzuhalten. Leicht verdutzt sah ich zu ihm auf, direkt in seine strahlenden Augen. Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde breiter, er zwinkerte mir kurz zu und saß nach wenigen Sekunden auf dem Fahrersitz.

"Also, was willst du zuerst sehen?", fragte Lance, nachdem wir schon mindestens zehn Minuten gefahren waren, ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Nur das Radio lief leise im Hintergrund und machte damit die Stille erträglicher.

"Was würdest du dem empfehlen?", stellte ich als Gegenfrage, da ich wirklich keine Ahnung hatte, was ich zuerst sehen wollte. Schließlich war ich hier ja komplett neu und kannte noch nichts.

"Naja, kommt halt darauf an, für was du dich interessierst.", sagte er knapp und hielt an einer roten Ampel. Mit seinen Fingern trommelte er auf dem Lenkrad herum und machte mich damit irgendwie nur noch nervöser. Ich begann nachzudenken, was ich denn sehen wollte. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, doch ein Etwas viel mir ein.

"Gibt es hier vielleicht irgend einen schönen Park?", hinterfragte ich unsicher und sah auf die Autos vor uns. Ich spürte zwar denn Blick von Lance auf meinem Seitenprofil ruhen, aber ich musste wohl nicht mehr erklären, dass ich Blickkontakt hasste.

"Du ziehst in eine riesige und moderne Stadt, aber willst als erstes wissen, wo ein Park ist? Ok, das hätte ich nicht erwartet.", gestand er und fuhr wieder weiter. Auch wenn ich wusste, dass Lance mich nicht mehr ansah zuckte ich mit den Schultern. Ich mochte die Ruhe in einem Park halt mehr, als eine überfüllte Großstadt.

P.O.V Lance

Nachdem Melissa den Wunsch geäußert hatte zu einem Park zu fahren, hielten wir nun an dem größten Park in der Innenstadt von Seattle. Doch bevor wir wirklich in den Park gingen, wollte ich mir noch schnell etwas zu Essen holen.

"Hast du hunger?", fragte ich und sperrte mein Auto ab. Es blinkte kurz auf und wir konnten los. Melissa schüttelte ihren Kopf und starrte auf ihre Füße, mit welchen sie auf und ab wippte. "Ich aber. Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mir kurz etwas holen würde?", hackte ich weiter nach. Ihr Blick blieb auf den Boden gerichtet und erneut schüttelte sie mit dem Kopf. Mich irritierte es irgendwie total, wenn Melissa die ganze Zeit auf den Boden oder Löcher in die Luft starrte. Normalerweise starrten mich und meine Brüder immer alle möglichen Mädchen an und versuchten nicht zu sabbern. Sie hingegen vermied meist auch nur einen Blick in meine Richtung. Wir liefen ein paar Minuten bevor wir an einem Bäcker vorbeikamen. Ich kaufte mir schnell ein belegtes Brötchen und fragte Melissa erneut, ob sie nicht auch etwas essen möchte. Doch abermals verneinte sie.

"Warum seid ihr hierher gezogen?", begann ich ein Gespräch, während wir wieder in Richtung des Parks liefen.

"Mein Vater hat hier eine neue Praxis.", antwortete sie knapp und steckte ihre Hände in die Taschen ihres Pullis. Heute war es etwas kühler als am Anfang der Woche, trotzdem nicht umbedingt kalt.

"Cool, und was für eine?", hackte ich weiter nach um dieses, nennen wir es mal Gespräch und nicht Smalltalk, aufrecht zu erhalten. Ich biss wieder von meinem Brötchen ab und musterte sie abermals von der Seite. Ihre Augen waren stur auf den Kiesweg vor uns fixiert.

"Tierarztpraxis.", sagte Melissa und fuhr sich nervös durch die Haare, welche vom Wind etwas verstrubbelt wurden. Krampfhaft überlegte ich, was ich noch fragen könnte, denn sie schien mir nicht so, als würde sie dieses Gespräch am Leben erhalten wollen.

"Warum... bist du eigentlich immer so ruhig?", stellte ich die Frage und fuhr mir nun auch durch die Haare. Ich sah immer noch zu ihr hinüber und erkannte, wie sie mit den Schultern zuckte.

"Ich bin halt so.", sagte sie und drehte ihren Kopf erstmals seit Langem wieder zu mir. Ihre Augen trafen meine und blieben dort auch hängen. Bis jetzt hatte ich ihr erst einmal so richtig in die Augen gesehen. Das war, als sie am Dienstag auf dem Parkplatz gegen mich gerannt war. Ihre langen Wimpern warfen einen leichten Schatten unter ihren Augen, welche an sich irgendwie einem dunklen Grauton hatten. Im Allgemeinen waren ihre Augen ziemlich groß vor allem gerade jetzt, da sich diese auch noch weiteten. Verlegen sah Melissa wieder weg, stur auf den Kiesboden vor uns. Ich glaubte erkennen zu können, das sich ihre Wangen leicht rötlich färbten. Irgendwie musste ich schmunzeln. Zwar verstand ich nicht, warum ihr sowas peinlich war, doch es war irgendwie süß

Strange Neighbour Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt