22. Pärchenshit

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P.O.V Lance

Ich saß in der Küche und aß relativ gut gelaunt mein Müsli. Zwar hatte ich leichte Kopfschmerzen von gestern, aber sowas konnte ich aushalten. Meistens vertrug ich viel mehr Alkohol und hatte dementsprechend auch meist einen viel stärkeren Kater.

Ein ebenfalls gut gelaunter Mailo kam nur mit Boxershorts bekleidet in die Küche spaziert. Ich nickte ihm leicht als Begrüßung zu, was er mit dem Gleichen quittierte.

"Wo ist Prudence?", fragte ich und stopfte mir noch einen Löffel des Müslis in meinen Mund. Ich könnte dieses Zeug wirklich heiraten.

"Sie schläft noch. Und deswegen bereite ich jetzt für meine Prinzessin ein Frühstück im Bett vor.", sagte Mailo, holte ein kleines Tablett aus einem Küchenschrank hervor und öffnete den Kühlschrank.

"Könntest du sie vor mir bitte nicht deine Prinzessin nennen?", fragte ich ihn genervt. Mailo nannte sie immer so. Egal wann, egal wo. Konnte er sie nicht einfach mal bei ihrem richtigen Namen nennen?!

"Sie ist aber nun mal meine kleine Prinzessin. Ob es dir passt, oder nicht.", konterte er noch immer fröhlich. Mailo schnitt ein Brötchen auf, bestrich es mit ein bisschen Butter ehe er noch eine Scheibe von Prudence' Lieblingssalami drauflegte. Und gerade als ich dachte es geht nicht mehr kitschiger, kamen Sam und Maria herein. Maria kicherte, wobei Sam ihr irgendetwas ins Ohr flüsterte. Danach küssten sie sich und schienen nicht mehr voneinander ablassen zu können.

"Ehm... es gibt noch Leute die ihr Essen bei sich behalten wollen.", machte ich auf mich aufmerksam. Zum Glück lösten sie sich. "Dieser Pärchenshit geht mir langsam so richtig auf die Nerven.", grummelte ich und aß frustriert weiter. Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter und ich drehte meinen Kopf. Ein grinsendes Gesicht von Enzo erschien.

"Deshalb sollst du heute unbedingt mit auf die Party kommen. Komm schon. Die langweiligen Pärchen lassen wir hier, lassen uns auf der Party volllaufen und für dich finden wir garantiert eine heiße Blondine mit der du hoffentlich unanständige Sachen anstellen wirst.", sagte Enzo strahlend, wobei er mir bei dem letzten Satz mit dem Ellenbogen in die Seite stieß. Auch wenn ich die Pärchen nicht mehr aushielt, war ich nicht wirklich scharf auf eine Party. Früher, also vor ein paar Wochen, fand ich sowas richtig geil. Feiern, saufen, abschalten und irgendeine Blondine abschleppen. Jetzt aber reizte es mich nicht mehr.

"Mhh, ml schn.", sagte ich mit geschlossenem Mund voller Müsli. Hoffentlich hat er mein 'mal schauen' verstanden. Wenn nicht, hat er halt Pech gehabt.

"Also wir sind heute Abend auch nicht da.", sagte Mailo. Ich wusste dass er damit Prudence und sich selbst meinte. Er nahm das fertig zubereitete Tablett in seine Hände und trug es nach oben.

"Äh ja, Maria und ich sind heute Abend auch nicht da.", meinte Sam mit erhobenen Händen. Schien so, als hätte ich das Haus dann wohl für mich allein, falls ich hier bleiben sollte. Denn Alex hatte mir vor ein paar Tagen schon gesagt, dass er heute bei Flora pennt.

"Toll Sturmfrei.", sagte ich nicht gerade begeistert und warf demotiviert meine Arme in die Luft. Viele in meinem Alter finden Sturmfrei bestimmt toll, doch ich hatte dies viel zu oft.

"Heißt das, du kommst nicht mit?", fragte Lorenzo und wirkte dabei wie ein enttäuschter Schuljunge. Aber er hatte es richtig erkannt. Sehr wahrscheinlich würde ich nicht mitgehen. "Wer bist du und was hast du aus meinem Bruder gemacht?", nuschelte er, bevor er nun auch verschwand.

"Lance wenn du schon hier bist, kannst du die Aufgabe ja gleich übernehmen.", sagte Sam und richtete sich etwas auf, scheinbar um mir besagte Aufgabe zu erläutern. Doch hätte ich gewusst wie das ausgehen würde, wäre mir womöglich ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen.

P.O.V Melissa

Ich lag auf meinem Bett. Die Beine an der Wand in die Luft gestreckt und den Kopf über der Bettkante hängen. In meinen Ohren steckten meine Kopfhörer, wobei ich stumm den Text von A Head Full of Dreams von Coldplay mitsang. In meinen Händen hielt ich meine Kamera und schaute die entstandenen Bilder von heute Morgen durch. Ich bin extra eher aufgestanden nur um in den Park zu fahren, welchen mir Lance gezeigt hatte. Die meisten Bilder waren der volle Erfolg. Das morgendliche Licht passte perfekt zu den Farben der Natur dieses Parks.

"Bienchen?", fragte mein Vater, welchen ich erst jetzt wahrnahm. Erschrocken setzte ich mich normal auf die Bettkante und zog meine Kopfhörer aus den Ohren. Fragend sah ich zu meinem Vater auf, welcher sich nun neben mich setzte. "Deine Mutter und ich fahren relativ spontan weg. Wir kommen erst morgen spät abends wieder."

"Ok.", sagte ich nur knapp. Zwar hatte ich nicht damit gerechnet, aber mir sollte es recht sein. So konnte ich wenigstens meine Ruhe genießen, vielleicht noch ein paar meiner Kartons auspacken und Musik hören.

"Damit du aber nicht so allein bist, haben wir den Nachbarn bescheid gegeben. Sie kommen irgendwann also mal vorbei. Ihr versteht euch doch scheinbar so gut.", sagte mein Dad und lächelte mich an. Ich lächelte schwach zurück. Ich könnte ja trotzdem erstmal weiter auspacken. Doch eigentlich hatte ich gar keine Lust schon wieder etwas mit den Wayers zu machen. Erst gestern war ich mit ihnen im Kino gewesen und das war mir erstmal genug Nähe von Menschen.
Mein Dad gab mir noch schnell einen Kuss auf die Wange und erhob sich.  "Wir gehen jetzt. Tschüss.", sagte er und schmunzelte nochmal durch die Tür. Ich lächelte zurück, bevor ich mich erhob und mein Handy mit meiner Musikbox verband. Meine Haare bändigte ich noch schnell mit einem Zopf und so konnte ich mich ja an die Arbeit machen.

Bereits nach einer Stunde sahen die Kartons schon deutlich weniger aus. Auch wenn wir schon seit ein paar Wochen nun schon hier lebten, hatte ich nie wirklich die Motivation dafür gefunden. Jetzt aber schon. Der Karton vor mir war schon wieder geleert, sodass ich mir einen neuen heranzog. Ohne irgendeine Vorahnung klappte ich ihn auf und griff herein. Das was ich da herausholte war aber nicht unbedingt etwas, was ich in meinem Zimmer aufstellen wollte. Ein Bild. Besser gesagt ein besonderes Bild. Der ganze Karton war voll von diesen Bildern und Erinnerungen. Und ein was kann ich euch sagen, es waren eindeutig keine guten Erinnerungen.

Mir rutschte das Bild aus der Hand. Es fiel vermutlich auf den Boden, doch es war mir vollkommen egal. Meine Beine begannen zu zittern, mein Atem wurde unregelmäßig und meine Augen brannten. Es war einfach viel zu viel für mich. Seit ich hier in Seattle war hatte ich so gut wie nie daran gedacht. Umso mehr schockten mich diese Bilder. Ich wusste nur eine Sache, welche mir schon immer geholfen hatte diese Erinnerungen besser zu 'verdrängen'.

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