Kapitel 15

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Als ich an der Haustier an kam, ist sie schon geöffnet. ,,Hey Alexis, du bist ja schon wach,"sagt Max mit einem lachenden Unterton. ,,Wen mich niemand weckt, dann schlafe ich halt so lange wie ich will." Ein breites Lächeln ziert meine Lippen. ,,Dann werde ich das Morgen ändern." Ich könnte schwören einen kleinen Hauch von Hinterältigkeit in seiner Stimme gehört zu haben. ,,Ich bringe mal schnell die Einkäufe in die Küche."Sara geht an uns vorbei und verschwindet hinter der Küchentür.

,,Und was hast du heute noch so geplannt?" ,,Bisher noch nichts." ,,Super, dann können wir ja in den Park gehen." Max greift sanft nach meinem Arm und zieht mich nach draußen. Widerstand ist zwecklos. Ehe ich mich versehe sind wir schon aus dem Haus raus und es liegt weit hinter uns.

Wir gehen um die Ecke. Sein Griff löst sich ein wenig und schließlich lässt er meinen Arm komplett los. ,,Warum willst du denn in den Park? Und wenn ich es mal anmerken darf, du hättest nur fragen müssen ob ich mit kommen würde und mich nicht einfach am Arm packen und mich wie ein Paket hinter dir her zerren." Er schaut mich mit einen entschuldigendem Blick an. ,,Tut mir leid, aber ich wollte nun mal gerne, dass du mitkommst." Es scheint ihm wirklich Leid zu tun. ,,Und warum?" Warum wolltest du eigentlich in den Park?" ,,Ich gehe nun mal gerne in den Park, doch meistens alleine. Aber jetzt, bist du ja da."
Enttäuschung breitet sich in seinem Gesicht aus. Ich kann verstehen wie er sich fühlt. Bevor Rosé ins Waisenheim gekommen ist, war ich auch immer alleine. Die Außenseiter, die niemand mag. Keiner hat mich verstanden, geschweige denn wahr genommen. Ich war unsichtbar. Pure Luft in den Augen anderer.
Doch dann kam Rosé und ich war nicht mehr alleine. Von da an, gab es ein Wir. Ein Wir was alles zusammen gemacht hat. Jedes Hindernis gemeistert und immer eine Lösung gefunden hat.
Das Gefühl wenn dieser Mensch nicht mehr an deiner Seite ist schmerzt. Sogar sehr. Es ist dein persönlicher Ballast. Wie ein Koffer, der tausend Pfund wiegt. Den du hinter dir her schieben musst und welcher dir nicht von der Seite weicht. Von nun an, ein Teil deines Lebens.
  ,,Warum kommt denn Harvey nicht mit?" ,,Naja, früher haben wir immer etwas zusammen gemacht, aber das ist schon eine gefühlte Ewigkeit her." Sein Blick sucht den Boden.
,,Findest du das Wetter nicht auch heute wunderschön?" Irritiert gucke ich ihn an.
,,Max, der Himmel ist mit Wolken bedeckt und die Sonne kommt kaum zum Vorschein. Dazu ist es kalt, irgendwie nass und grau. Also nein, dass Wetter ist nicht wunderschön." Wieso wollte er so schnell das Thema wechseln? Was kann er mir nicht sagen?

Schweigend gehen wir neben einander her. Egal wie oft ich Blickkontakt suche, er schaut immer wieder weg. Ich hasse diese Stille zwischen uns. Nach einiger Zeit habe ich es aufgegeben. Wenn er darüber reden will, werde ich ihm zuhören, doch jetzt scheint nicht der passende Moment zu sein.

Max bleibt stehen und setzt sich in Gras. Ich tue es ihm Gleich und setzte mich ebenfalls ins weiche, noch etwas feuchte Gras. Die Atmosphäre die zwischen uns herrscht ist unangenehm. Klar und deutlich kann ich neben ein paar Vögeln seinen Atem hören. Warum kann ich nicht so gut wie Rosé einfach drauflos reden? Oder warum kann er das nicht? Warum sind wir zwei Menschen, die kein ernstes Gespräch führen können? Menschen die nicht den Mut aufbringen um danach zu fragen, was sie unbedingt wissen wollen.
,,Warum bist du nach London gekommen?" Okay, ich muss mich korrigieren. Er kann, wenn er etwas wissen möchte danach fragen. Ich bin Diejenige, die das nicht kann.
Ich bin Diejenige, die nicht genug Mut hat.
Und die, die nicht das äußern kann, was sie will.
,,Erde an Alexis." Na super. Ich bin schon wieder in meinen Gedanken versunken. Warum passiert mir das nur immer? Kann ich nicht einmal bei der Sache bleiben?
Leicht wütend über mich selbst, wende ich mich Max zu. Jetzt hat er aber nun wirklich meine komplette Aufmerksamkeit.
,,Also, warum bist du nach London gekommen?"
Mein Herz setzt einen Schlag aus. Ich hatte einen Grund. Einen Grund, der mich angetrieben hat. Einen Grund den noch nicht einmal Rosé wusste.
Ihr habe ich immer erzählt, es sei mein Traum gewesen London zu sehen. Die Stadt hautnah zu erleben und jeden Zentimeter zu besichtigen. Damit habe ich nicht gelogen. London hat mich schon immer fasziniert, aber da ist noch etwas anderes. Etwas, dass niemand außer mir weiß. Mein eigenes Geheimnis.
Kann ich Max dieses Geheimnis anvertrauen? Nun die Antwort ist einfach. Mittlerweile habe ich verstanden, dass es Menschen gibt die dir helfen, dich unterstützen und verstehen. Rosé ist so ein Mensch.
Max kenne ich zwar erst seid kurzem, aber er ist auch so eine Person. Ich kann ihm vertrauen.
,,Max, dass was ich dir jetzt erzähle... du bist der Einzige, der davon etwas weiß. Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen."
Er setzt sich vor mich und meine Augen treffen seine. Aufmerksam wartet er darauf das ich anfange zu erzählen.
Ich nehme meinen gesamten Mut zusammen und fange an ihn die Geschichte zu schildern.
,,Als ich ins Waisenheim gekommen bin, war ich noch sehr klein. Ich habe die Welt und alles um mich herum nicht verstanden. Mit das Einzige, an was ich mich erinnere ist, dass ich auf einmal vor den Toren des Waisenheims stand, mit nichts außer meiner Kleidung an meinem Körper und dem Beutel in der Hand. Den Beutel den ich noch heute mit mir rum trage. Nie werde ich den ersten Anblick des Waisenheims vergessen. Groß, gewaltig und auf ein kleines Kind wirkte es mehr als nur angsteinflößend.
Per Zufall hatte mich dann Miss Blace entdeckt, sonst wäre ich vermutlich draußen erfroren. Von nun an lebte ich also im Waisenheim. Es war mein neues Zuhause.
Für die erste Zeit, saß ich immer nur stumm auf meinem Bett. Ich konnte nicht verstehen was passiert war und das verstehe ich bis heute noch nicht so ganz. Aber ich war noch klein, da macht man sich nicht all zu viele Gedanken, wie dein Leben weiter gehen wird. Trauer kannte ich nicht. Es war ein Fremdwort und mir völlig unbekannt. Doch je älter ich wurde, um so mehr verstand ich.
Warum wollten meine Eltern mich nicht haben?
Werde ich sie jemals wieder sehen?
Leben sie überhaupt noch?
Mit den Gedanken, dass meine Eltern mich nie geliebt haben, wollte und konnte ich nicht leben. Es muss doch irgendeinen Weg geben, Sie zu finden, redete ich mir immer wieder ein.
Und dann habe ich in meinen alten, abgenutzten Beutel eine Postkarte gefunden. Das Papier ist an den Seiten abgeknickt, hat eine braune, leicht gelbe Farbe angenommen und ist zum Teil ausgeblichen.
Trotzdem konnte ich noch klar und deutlich den Big Ben erkennen. In einer weißen, dicken Schrift stand dadrüber "London" geschrieben. Auf der Rückseite fand ich eine Anschrift. Diese Postkarte gab mir neue Hoffnung.
Haben meine Eltern sie mir vielleicht mit Absicht hinterlassen, war eine von vielen Fragen, die mir zu der Zeit nicht aus dem Kopf ging? Bis heute weiß ich keine Antwort darauf.
Ab diesem Zeitpunkt habe ich mir vorgenommen eines Tages nach London zu fahren und diese Adresse ausfindig zu machen. Das ist mein Grund warum ich nach London gekommen bin. Niemand wusste davon, bis auf du jetzt."

Max rückt ein Stück näher an mich heran, bis schließlich nur noch ein paar Zentimeter zwischen uns sind und er mich schließlich umarmt.
Nach einer Weile löst er sich wieder von mir und schaut mich an. ,,Ich werde dir helfen deine Eltern zu finden.Versprochen."
,,Danke."
Es fühlt sich gut an mit jemandem darüber gesprochen zu haben.
Ich beobachte den Himmel, wie er langsam zarte rosafarbene Töne annimmt. Die Sonne verschwindet jede Minute ein kleines Stück mehr hinter dem Horizont.
Wir machen uns auf den Weg, um noch vor Anbruch der Dunkelheit zurück zu sein.

Draußen wird es wieder kühler und ich bin froh, als ich durch die Tür ins warme Haus eingetreten bin.
Ich sage Max, dass ich schon etwas müde bin und gehe hoch in mein Zimmer. Müde lasse ich mich aufs Bett fallen und bin seit langem sofort eingeschlafen.

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Hoffe euch gefällt das Kapitel. :)
Feedback, Reviews, Kommentare sind wie immer erwünscht.
Noch einen schönen "was-auch-immer"

~Star

Schicksalsschläge (wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt