Kapitel 10

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Ist es die richtige Wahl, wenn ich ihm die Wahrheit über mich erzählen würde? Warum müssen solche Entscheidungen immer so schwer sein?

Max wollte schon voraus gehen aber ich halte ihn noch auf. ,,Max, warte." Er dreht sich in meine Richtung und kommt wieder ein Stück näher. ,,Was ist denn? Wir sollten jetzt echt so langsam nach Hause." ,,Ich muss dir etwas sagen." Er schaut mich mit den Augen auf zu mir gerichtet an. Ich habe jetzt seine komplette Aufmerksamkeit. Aber will ich das? Ich kann mich definitiv nicht mehr rausreden. Ich hole tief Luft und hoffe, dass er mich irgendwie versteht.

Er hat es verdient, zu wissen was los ist. Wir sind ja jetzt Freunde und wenn er ein echter Freund ist, wird er mein Handeln nachvollziehen können und mich nicht im Stich lassen.

,,Was willst du mir denn so dringend erzählen?"
,,Also... du kannst mich nicht nach Hause begleiten."
,,Warum nicht?" In seiner Stimme höre ich ein Hauch von Enttäuschung und Betrübnis. ,,Alexis, warum nicht?" Jetzt klingt sie fast schon bettelnt.

,,Weil...." Ich stocke, bevor ich weiter reden kann. Okay Alexis, du schafst das, sag einfach die Wahrheit kurz und knapp heraus.

,,Ich habe kein Zuhause."

Max gibt kein Wort von sich. Stattdessen umschlingen zwei Arme behutsam meinen Körper. Mit dieser Geste hätte ich jetzt auf keinen Fall gerechnet, eher damit dass er mich auslacht oder der Gleichen. Aber da habe ich mich wohl getäuscht. Er streichelt mit seiner Hand beruhigend über meinen Rücken. ,,Das tut mir wirklich Leid. Ich möchte es mir erst garnicht ausmalen, wie es wäre, wenn ich kein zu Hause hätte."

Seine Nähe tut gut, es lindert meinen Schmerz ein Bisschen. Er löst sich von mir und schaut mich intensiev an. ,,Also bist du ein Waisenkind?" Langsam nicke ich mit den Kopf. Noch leicht überwältigt von seinem Handeln, habe ich garnicht bemerkt, dass mir eine Träne an der Wange runterkullert, die Max mir aus meinem Gesicht wüscht. ,,Fang bitte nicht an zu weinen, ich hasse es Menschen traurig zu sehen und glaube mir ich kenne das sehr gut." Seine Art wie er mit mir redet gefällt mir, das ich leicht schmuzeln muss.

,,Und wo möchtest du heute die Nacht verbringen? Wieder unter einem Baum? Die letzte Frage sagt er mit so viel Verachtung im Unterton, dass sich mein Schmunzeln in ein Lächeln verwandelt. ,,Mir bleibt ja nichts anderes übrig,"gab ich Schulter zuckend zurück. ,,Wie wäre es, wenn du mit.... naja ich weiß auch nicht, aber so fürs erste.... mit zu...mir kommst?" Meine Augen weiten sich und ich schaue ihn überrascht an. ,,Das ist jetzt ein Scherz oder?" Er schüttelt energisch den Kopf. ,,Aber, was ist mit deinen Eltern? Ich kann doch nicht einfach bei dir Aufkreuzen und..." Er unterbricht mich, ist dass etwa normal für Jungs?
,,Ich wette meine Eltern hätten schon nichts dagegen, die Frage ist nur, ob du überhaupt mit mir mitkommen möchtest."
,,Also dieses Angebot lehne ich doch nicht ab. Alles ist besser, als unter einem unbequemen Baum zu schlafen." ,,Super, dann wäre das ja beschlossen." Max kann seine Freude nicht verbergen, dass kann ich ihm ansehen.

Es ist mittlerweile schon kühler geworden und die Nacht ist eingetroffen. Mein Körper fängt an zu zittern, es ist nicht mehr so warm wie am Mittag. ,,Ist dir kalt?" Mein Kopf wandert zu Max rüber. Meine Arme sind in einander verschrenkt und mit meinen Händen versuche ich sie warm zu halten. ,,Ja irgendwie schon."

Wie auf Komando zieht er seinen Jacke aus und legt sie mir über meine Schultern. Sie ist zwar ein bisschen zu groß, aber sie hält mich warm. ,,Danke Max, das ist wirklich lieb von dir. Aber frierst du denn jetzt nicht?" ,,Ach passt schon." Er macht eine abwertende Handbewegung und grinst mich mit seinem allerwelts Lächeln an.

Wir gehen durch den dunklen Park. Bei Nacht sieht er nicht so einladend aus, wie am Tag. Ich kann verstehen, warum Max unbedingt jetzt nach Hause möchte. Wer weiß schon, was sich hinter den Büschen versteckt und welche Gestallten sich hier aufhalten. Wie konnte ich hier nur eine Nacht verbringen?

Wenn ich so auf den Park blicke, würde ich es nicht schaffen hier nochmal einzuschlafen. Wahrscheinlich habe ich gestern die Umgebung um mich herum garnicht groß beachtet, da ich von meiner Trauer und den Gefühlen abgelenkt war.

Nach vergangener Zeit biegen wir in eine Straße mit angrenzenden Häuserreihen ein. Um mich herum standen über all rote Ziegelsteinhäuser mit gepflegten Vorgarten. Die Hecke ist bis zum Millimeter genau zurecht geschnitten, Rosen sind am Weg Rand abwechselnd rot, weiß gepflanzt und bei den meisten Gärten erkennt man einen großen Kirschbaum, der das Zentrum des Gartens darstellt.
Man könnte meinen als veranstalten die Nachbarn einen Wettbewerb, wer den schönsten Garten hat.

Max führt mich zu einem dieser Häuser. Wie die meisten anderen Häuser besitzt dieses einen wirklich traumhaften Vorgarten. Das Außengelände des Waisenheim ist im Vergleich ein Witz dazu. Vom Fußweg aus führt ein gepflasterter Steinweg bis zur Haustür. Der Weg ist mit vielen Pflanzen und Blumen umseht. Hier wurde echt viel Mühe und Liebe hineingesteckt. Hätte man auch nur ein Hauch Mühe von hier ins Außengelände des Waisenheims gesteckt, hätte man sich dort um einiges wohler gefühlt.

Max holt einen Schlüssel aus seiner Hosentasche, tritt ein Schritt näher an die Tür heran und schließt sie auf.

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Das nächste Kapitel :)
Feedback, Reviews, Kommentare und der Gleichen sind wie immer erwünscht (wie oft habe ich das eigentlich schon gesagt? (O.o))

Noch einen schönen "was-auch-immer" ;)

Schicksalsschläge (wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt