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Clove's Sicht

Geschrei riss mich aus dem Schlaf. Ich versuchte, mich aufzusetzen, aber die ungezählten Prellungen hielten mich davon ab.
Ich zuckte zusammen, als ich die Schüsse hörte.

Bitte lass ihn nicht Hope erschossen haben! Bitte!

Allein die Vorstellung brachte mich fast um den Verstand und ich fing an zu schluchzen und zittern.
Ich konnte kaum noch atmen und rang nach Luft.

Dann, ohne dass ich Schritte gehört hatte, öffnete sich die Tür.
,,Was willst du? Verschwinde!", versuchte ich zu schreien, aber meine Stimme versagte und klang brüchig. Das Verschwinde war kaum zu hören gewesen.

,,Ganz ruhig. Ich helfe dir. Hier, schau", sagte Sherlock und zeigte mir die Schlüssel für meine Handschellen.
Ich konnte ihm immer noch nicht trauen, aber er war meine einzige Chance und dieses Mal schien er nicht unter Drogen zu stehen.
,,Geht es Hope gut?", wollte ich wissen. Etwas anderes interessierte mich im Moment nicht.

,,Sie ist in Sicherheit", antwortete er.
,,Danke!"

Sherlock half mir hoch und stützte mich. Wir kamen nur langsam voran, aber ich wollte mich nicht von ihm tragen lassen.
Dafür traute ich ihm noch nicht genug.
Die Treppen waren das Schlimmste. Jedenfalls dachte ich das zu diesem Zeitpunkt noch.
Jeder Schritt war die reinste Qual. Alles tat noch von Jakes Schlägen weh.

In der Eingangshalle wollte ich schon aufatmen, doch ich konnte nucht anders als auf die Knie zu sitzen und mich zu übergeben.

Kurz vor der Tür lag er. Sein Gesicht konnte man vor lauter Blut nicht mehr ausmachen.
Das Haus war schief gebaut und eine schmale Blutspur kam langsam auf mich zugeflossen.
Entsetzt starrte ich darauf und versuchte aufzustehen und davor wegzulaufen, doch ich fiel hin und mit den Händen mitten in das Blut. Sherlock und nich jemand zogen mich hoch. Offenbar jemand vom Scotland Yard.

,,Sehen Sie nicht hin", sagte dieser und zog mich sanft Richtung Tür. Kurz davor sah ich ihn noch einmal.
Ich fühlte kaum etwas. Ich wusste nicht einmal, was ich fühlen sollte. Erleichterung? Trauer?

Trauer?! Das hat er nicht verdient! Er hat dich misshandelt! Genauso wie Hope!

Eine Leere machte sich in mir breit und ließ alles kommentarlos über mich ergehen.
Die Decke, deren Sinn ich noch immer nicht verstanden hatte, die Befragung der Polizisten, auf die ich nicht eingang.

Ich regte ich erst wieder, als ich Hope sah. Sie saß neben dem anderen Krankenwagen und eine Polizistin mit krausem Haar neben ihr.
Ich stand auf und torkelte auf sie zu, ignorierte die Anweisungen der anderen.

,,Warte, ich helfe dir", hörte ich Sherlock sagen und schon war er bei mir und stützte mich wieder. Dankbar sah ich ihn an.
Als Hope mich auf sie zukommen sah, stand sie auf und lief mir entgegen. Wir umarmten uns, ließen uns zusammen auf den Boden sinken und fingen an zu weinen.

Im Hintergrund hörte ich Sherlock mit dem Polizisten von vorhin reden.
,,Warum weint sie schon wieder?", wollte Sherlock wissen. ,,Haben wir irgendetwas falsch gemacht?"
Als der Polizist antwortete, konnte man das Schmunzeln in seiner Stimme deutlich hören: ,,Wir haben alles richtig gemacht. Das sind Tränen der Freude."
,,Warum weinen sie, wenn sie sich freuen?", fragte Sherlock verwirrt.
,,Irgendwann werden Sie es verstehen!" Die Stimmen wurden leiser bis sie ganz verklangen.

Aber das war egal. Das Einzige, was gerade zählte, war Hope. Ich ließ sie erst wieder los, als sie uns ins Krankenhaus fahren wollten.

Mycroft's Sicht

Ich lief die Treppe hinunter und versuchte, die Haustür zu öffnen.
Abgeschlossen! Verdammt!
,,Mrs. Hudson!", brüllte ich, doch sie antwortete nicht.
Ich lief wieder hoch. John saß immer noch am gleichen Platz.
,,Was soll das?", zischte ich.
,,Was soll was?", fragte er unschuldig.
,,Warum sind wir hier eingesperrt?"
Er drehte sich um: ,,Ich habe keine Ahnung. Was glaubst du eigentlich, warum ich gefragt habe?!"
Ich fluchte. Was fällt ihm ein, mich in seiner Wohnung einzusperren?

Dann hörte ich, wie der Schlüssel in der Tür herumgedreht wurde.

Wenn das Sherlock war! Der konnte was erleben!

,,Mycroft!", rief mein kleiner Bruder. ,,Wir haben sie. Sie ist im Krankenhaus."
,,Sie war die ganze Zeit nur im Krankenhaus?!", fragte ich verwirrt.
,,Gott! Wie viel von deiner Klugheit war nochmal übrig geblieben? Natürlich nicht! Sie wurde eben ins Krankenhaus gebracht." Mittlerweile war Sherlock oben angekommen und hinter ihm lugte Hope's Kopf hervor.

,,Hope! Dir geht es gut!", erleichtert atmete ich auf. Sie lief auf mich zu und umarmte mich. Dieses Mal erlaubte ich ihr, was ich ihr solange verboten habe. Sogar in der Zeit, als sie und Clove bei mir waren. Ich hatte immer noch Angst vor mir und meinen Gefühlen. Wirklich bewusst eingestanden habe ich sie mir erst, als Clove bewusstlos in meinem Schlafzimmer lag. Sie sind das Wichtigste in meinem Leben und ich will es nicht mehr verleugnen!

,,Ich muss zu ihr", sagte ich zu Sherlock, nachdem ich mich aus der Umarmung mit Hope gelöst hatte.
Sherlock nickte nur.

Clove's Sicht

Als die Tür aufging, drehte ich den Kopf in die Richtung und hoffte, dass es nicht wieder irgendein Arzt oder Krankenschwester war.
Doch dieses Mal waren es Sherlock, Hope und Mycroft. Bei seinem Anblick machte mein Herz einen Satz und drohte, mir aus der Brust zu springen.
Ich war so froh, ihn gesund zu sehen. Auch wenn er besorgt aussah, er lebte! Das war die  Hauptsache.
Er kam auf mich zu, setzte sich auf einen Stuhl neben meinem Bett und  nahm meine Hand. Eine  lange Zeit schauten wir uns einfach nur in die Augen. Seine waren so blau. Seit ich ihn kannte, liebte ich blau.

,,Wir geht es dir?", fragte er irgendwann.
,,Gut, und dir?", wollte ich wissen. Er neigte leicht den Kopf, um mir zu signalisieren, dass es ihm ebenfalls gut ging.

Er schaute mir tief in die Augen und beugte sich zu mir runter. Erwartungsvoll hielt ich die Luft an.

Und dann küsste er mich. Es war zwar nicht das erste Mal, aber das erste Mal, dass er mich auf den Mund küsste.
Er tat es zwar nur kurz und federleicht, aber es war der schönsten Moment meines Lebens.

Als er sich zurückzog, traute sich erst keiner von uns beiden etwas zu sagen. Er sah mich verunsichert an. Ich lächelte zurück. Nun schien auch Mycroft sein Selbstbewusstsein wiedererlangt zu haben, denn er fragte: ,,Und was machen wir jetzt?"

Ich musste grinsen.

,,Wir haben noch ein Abendessen nachzuholen!"








Sociopath In Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt