Kapitel 2

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Als ich aus dem Schlaf gerissen wurde, war es noch nicht mal ganz hell draußen. Ein Blick auf die Uhr bestätigte mir, dass es gerade mal halb sieben war. Noch ganz schlaftrunken war ich mich aus dem Bett und suchte nach dem, was mir meinen Traum geklaut hatte. Ich stolperte als durchs Zimmer, über meinen noch offenen Koffer, ans Fenster und schaute hinaus. Bis auf ein paar parkende Autos gab es nichts, was auffällig nach etwas aussah, dass Schlafstörungen verursachte.

Ich zuckte mit den Schultern und legte mich wieder ins Bett. Vielleicht lag es nur an der Zeitverscheibung. In Irland war es ja jetzt schon... 14:30? Müsste ich da nicht komplett wach sein?
Weil ich noch im Halbschlaf war, nahm ich es so hin und schloss meine Augen.

Bestimmt keine fünf Minuten später schreckte ich wieder hoch. Das war doch was! Da ich jetzt sowieso hell wach war, nahm ich meine Schlüsselkarte und ging raus auf den Gang. Ich vernahm Klopfen und dumpfe Stimmen. Wie ich so den unbeleuchteten Gang entlangschlich, kam ich mir vor wie in einem schlechten Horrorfilm.

Wieder dieses Klopfen.
Und Stimmen.
Diesmal mehrere.

Ich legte mein Ohr an einige Türen, um zu horchen, aus welchem Raum nun diese Geräusche kommen.
Gerade wollte ich wieder in mein Zimmer gehen, da vernahm ich wieder dieses Klopfen und...

Das Zupfen einer Gitarrensaite?

Wer zur Hölle kam denn auf die hirnverbrannte Idee, früh morgens in seinem Hotelzimmer Musik zu machen? Der Typ musste echt einen an der Waffel haben!
Als ich den besagten Raum aufindig gemacht hatte, aus dem die Musik drang und mich vor der Tür wie ein Schrank aufbaute um meine eingeprobte Standpauke zu halten, wurde sie ganz plötzlich aufgerissen und knallte mir mit voller Wucht gegen die Stirn. Taumelnd stolperte ich rückwärts und landete auf dem Hintern.

"Scheiße Jungs!", fluchte nur jemand.

Kleine Sternchen und Vögelchen tanzten vor meinem inneren Auge, bevor meine Sicht komplett schwarz wurde.

***

"Julie du Pechvogel! Wir sind erst einen Tag im Urlaub und du holst dir schon fast eine Gehirnerschütterung!", hörte ich Papas Stimme noch ein wenig verschleiert.

Als ich die Augen aufschlug sah ich Mama, Papa und Sofia neben meinem Bett sitzen, wir befanden uns anscheinend in einem Krankenzimmer.
"Hast du gut geschlafen?", fragte Sofia und schaute mich schief an. Ich fasste mir an den Kopf und nickte. "Mir geht es schon fast wieder gut." Sofia fing an zu lächeln, kam zu mir ins Bett gehüpft und setzte sich auf meinen Bauch. Ich wuschelte ihr durch die blonden Locken und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

"Waren das vorhin alles deine Jungsfreunde?", fragte mich meine kleine Schwester als sie wieder auf Mamas Schoß saß. Ich guckte nur fragend in die Runde.

"Was für 'Jungsfreunde' denn?"

Wegen der Wortschöpfung meiner Schwester musste ich ein wenig schmunzeln.

"Na die, die bei uns angerufen haben und dich zu uns gebracht haben! Du bist ja vergesslicher als Omas Cousine!", sagte Sofia während sie mich entgeistert anguckte. Wieder musste ich lachen. "Tut mir Leid Sofia. Ich muss die Tür gans schön doll gegen meinen Kopf bekommen haben. Ich kann mich leider nicht erinnern. Willst du mir von ihnen erzählen?"
Als ob sie nur darauf gewartet hatte, diese Antwort zu erhalten, fingen ihre Augen an zu leuchten.

"Mamashandyhatgeklingeltdabinichaufgestandenundrangegangendannhateinjungegefragtobichdeinemamabindannhabeichgesagtachquatschichbindochsofiaunddann...-"

"Halt Stop Süße!", unterbrach ich meine Schwester, die ohne Punkt und Komma redete. "Ganz ruhig, ich komm sonst nicht mit!"
Also redete sie, diesmal ein bisschen beruhigter, weiter.

"Der eine Junge hat dann erstmal gefragt, ob denn meine Mama da ist und ob er sie mal haben kann. Da hab ich Mama aufgeweckt und ihr das Handy hingehalten."

"Genau. Und anschließend mussten wir dich dann aus dem Flur abholen, wo du bewusstlos auf dem Boden lagst. Die drei Jungs waren ganz nervös und aufgewühlt. Glaub mir, sie wollten das alles überhaupt nicht.", beendete Mama die Erklärung.
Ich nickte nur.

***

"Was hattest du eigentlich so früh auf dem Flur zu suchen?", fragte Papa, während wir vom Krankenhaus wieder ins Hotel fuhren. "In dem Zimmer nebenan wurde Musik gemacht und ich war müde. Kannst dir ja denken, wieso ich ein bisschen sauer war..." Ich schaute aus dem Fenster und dachte nach.
"Sagt grade die, die manchmal nachts schlafwandelt und aus heiterem Himmel auf dem Klavier rumklimpert.", lachte Papa und Mama schloss sich ihm gleich an.
"Da regt sich der Topf über den Tiegel auf!", lachte sie. Ich konnte nicht anders und musste auch mitlachen.

Es war schon später Nachmittag, als ich mich endlich wieder in mein Hotelbett werfen konnte. Es war erst der zweite Tag und ich war schon so fertig wie nach zwei Wochen Schule. So fühlt sich mal richtiger Urlaub an!
Gerade wollte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren stecken und mich entspannen, als wieder die Gitarrenmusik durch die Wand drang. Ich versuchte, mein Augenrollen zu unterdrücken, da ich ja selber nicht besser war. Also stand ich aus dem Bett auf und ging auf den Flur. Ich vermutete mal, dass die Muiker von nebenan die Jungs waren, die mich "gerettet" hatten. Mich zu bedanken wäre vielleicht keine schlechte Idee, Mama und ich hatten auf dem Rückweg sogar ein Dankeschön-Geschenk für die Jungs geholt.

Kaum hatte ich an der Tür zu Zimmer 162 geklopft, verstummte die Musik aus dem Raum. Keine zwei Sekunden später öffnete sich die Tür und ein Junge mit dunkelblonden Haaren streckte den Kopf hinaus.
"Hey.", sagte ich, bevor der Typ etwas fragen konnte. "Ich wollte mich nur bedanken, dass ihr mir geholfen habt als ich mir... ehm... den Kopf gestoßen habe. Hier." Ich reichte ihm die Tafel Schokolade. "Dankeschön." Er lächelte. "Hey George, Blake! Kommt mal her!", rief er in das Zimmer und nur wenig später standen zwei weitere Jungs im Türrahmen. Der eine war ebenfalls blonde, der andere hatte braune Haare. "Was ist los?", fragte der braunhaarige und schaute mich an. Etwas musste bei ihm Klick gemacht haben. "Hey du bist doch die, die heute morgen gegen unsere Tür gerammelt ist!" Ich lächelte ertappt und riss gespielt lustlos die Hand in die Luft. "Das bin ich wohl." "Geht's deinem Kopf wieder besser? Du warst gar nicht ansprechbar, als du so auf dem Boden lagst...", fragte der zweite blonde.
"Mir geht's wieder gut. Nur noch ein bisschen Kopfschmerzen, nichts ernstes." Er nickte beruhigt.

Ich wollte mich gerade umdrehen und wieder in mein Zimmer gehen, als ich doch noch einen Blick ins Zimmer der drei Jungs warf. "Und ihr macht also Musik." Die drei kratzten sich am Kopf und nickten. "Hat man es doll gehört?", fragte der, der mir vorhin die Tür geöffnet hatte.

"Na was denkt ihr denn, wieso ich so früh aufgewacht bin! Das ist auf gar keinen Fall normal!", lachte ich laut und die Jungs stimmten mit ein. "Wir hatten gehofft, dass diese komischen Styropor Teile den Schall ein bisschen dämpfen.", sagte der braunhaarige und zeigte auf die Wände des Kleiderschrankes. "Wird nicht wieder vorkommen. Wir wollen dich ja nicht beim ausschlafen stören." Der dunkelblonde mit den Grünen Augen zwinkerte mir zu und ich wurde rot. "Ist nicht so schlimm, das geht mir auch manchmal so...", murmelte ich. "Du machst auch Musik? Das ist ja cool!" Die Augen aller drei fingen an zu leuchten. "Nur so als Hobby, nichts professionelles." Das Leuchten verschwand nicht aus ihren Augen.

"Wir sind noch zwei Wochen hier, vielleicht können wir ja mal was zusammen machen!", schlug der braunhaarige ganz enthusiastisch vor und die anderen beiden stimmten ihm zu. "Das wäre super! Klopft einfach an, falls es was gibt. Ich wohne ja gleich nebenan."

Die drei nickten erfreut und ich drehte mich um, um wieder in mein Zimmer zu gehen. "Halt!", rief der blonde. Schnell wirbelte ich herum. "Wie heißt du eigentlich?"
"Julie. Und ihr?"
"Blake.", sagte der braunhaarige.
"Reece.", sagte der dunkelblonde.
"George.", sagte der normalblonde.
Ich nickte und lächelte. "Schön, euch kennengelernt zu haben. Wir sehen uns dann!" Reece, George und Blake lächelten mir zu und ich verschwand in meinem Zimmer.

Serendipity - [New Hope Club FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt