Kapitel 18

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Leise Schritte tapsten über den Boden und kamen immer näher auf mich zu. Ich vergrub schlang meine Arme um meine angewinkelten Beine und legte den Kopf gegen das Knäuel aus Gliedmaßen.
"Ist dir nicht kalt?", fragte Sofia, die barfuß und mit einer Decke als Umhang um die Schultern gelegt vor mir stand.
Jetzt wo ich drüber nachdachte, zitterte ich schon ein wenig und da die Sonne schon eine ganze Weile nicht mehr am Himmel schien, war es frisch geworden.
Ich strich mir über die Schulter und schaute dann mit dem Kopf schüttelnd zu meiner kleinen Schwester nach oben.
"Lüg nicht! Ich kenne dich zwar erst seit vier Jahren aber ich weiß ganz genau, wann du lügst!", sagte sie und sah mir misstrauisch in die Augen.
Im nächsten Moment nahm sie die Decke von ihren Schultern, setzte sich zu mir an die Wand und legte sie um uns beide, sodass wir uns in den wärmenden Stoff einkuscheln konnten.

"Was ist denn passiert? Hat Kimberly wieder was doofes gesagt, die dumme Kuh?"
Erstaunt drehte ich mich zu Sofia um. "Man sagt keine Ausdrücke! Und schon gar nicht, wenn man über seine eigene Familie redet!", schimpfte ich und der Blick von meiner Schwester sagte mir, dass sie das ganz und gar nicht interessierte.

Ich seufzte.
"Du erinnerst dich an den Jungen, der mich heute begleitet hat?", fragte ich woraufhin mich Sofia mit ihrem 'Ist-das-dein-Ernst?-Blick' ansah.
"Ich bin vier und nicht vierzig!"
Die Anmerkung, dass man mit vierzig im Normalfall noch nicht vergesslich wurde, ließ ich lieber bleiben, Da das Energiebündel neben mir ziemlich ungeduldig wurde.
Einmal zog ich noch die Nase hoch und dann erzählte ich ihr alles.

Sie war zwar erst vier, doch manchmal verstand sie mehr als jeder Psychologe und Seelsorger.

"Davon kriege ich ja Kopfschmerzen! Ich bin doch noch ein Kind, solche Schwierigkeiten verträgt mein Gehirn noch nicht!", antwortete sie nach ihrer langen Redepause und schüttelte die Luft ausstoßend mit ihrem Kopf.

"Und weißt du was das schlimmste ist? Nicht nur er hat mich angeschwindelt sondern auch seine Kumpel! Alle drei sind zusammen in einer bekannten Band! Und ich habe ihnen vertraut und alles!"
Wieder ließ ich mein Gesicht in meine Hände fallen.
Ich war dumm.

"Na und? Du hattest dich Spaß mit ihnen, oder?"
Mein Kopf erhob sich wieder und ich dachte nach.
In der Tat.
Wir hatten Spaß gehabt. Sehr viel Spaß.
Und alle drei waren furchtbar nett zu mir und es schien so, als würden sie es nicht nur vorspielen.

"Schein ist nicht sein, Sofia...", murmelte ich und erntete einen verwirrten Blick von meiner kleinen Schwester. "Das bedeutet, dass ich nur dachte, das wir Spaß hatten. Dabei hatte nur ich Spaß und die Jungs fanden mich nur nervig und haben so getan, als wäre es lustig, mit mir abzuhängen."

"Julie" Beruhigend legte mir Sofia ihre kleine dicke Hand auf die Schulter. Ihre Stimme, die verdächtig nach irgendeiner Pädagogin klang, machte mir etwas Angst.
"Warte hier, ich muss noch schnell was holen"
Und dann war sie auch schon verschwunden.

Mein Kopf knickte nach hinten und ich sah direkt in den Sternenhimmel. Tausende kleine Punkte, die starr in dem dunkelblauen Meer schwammen.
"Ihr habt es gut", sagte ich in Richtung Himmel. "Ihr seid schön weit weg von allem Scheiß, der so passiert. Wie gerne würde ich jetzt da oben sein."

Ein Schluchzer mischte sich unter meinen Seufzer und ich ließ, ohne es zu wollen, den ganzen Abend revue passieren.
Hatte ich überreagiert, als Reece plötzlich abgehauen war? Was war überhaupt so schlimm daran, mir einfach zu sagen, dass seine Band einen Auftritt hier hat? Wollten sie mich überraschen?
Diese Überlegung erwärmte meinen Magen.
Da war aber die Methode, mich einfach sitzen zu lassen, nicht der beste Weg zum Ziel.
Wieder ließ ich einen Seufzer los.

"Hey Julie."
Mein Kopf drehte sich blitzschnell herum und beinahe krachte ich gegen die Steinwand, als ich sah, wer da vor mir stand.

"Reece..."
Stotternd blickte ich hoch und erkannte Reue in seinem Blick. Hatte er es bereut, mit mir hier her zu kommen? Es bereut, dem Gig zugesagt zu haben.

Serendipity - [New Hope Club FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt