"Leg' doch mal einen Zahn zu, du bist langsamer als Oma!", schrie Sofia und zog mich an der Hand vorwärts durch den Eingansbereich des 'Natural History Museum of Los Angeles'. Da meine kleine Schwester für heute die Aktivität aussuchen durfte, standen wir nun an einem regnerischen Montagmittag in einem Museum, voll mit Skeletten und ausgestopften Tieren.
Obwohl ich mich sonst so für Naturkunde interessierte und in der zweiten Klasse als totaler Fan mit Charles Darwin Tshirt durch die Schulflure gelaufen bin, konnten mich am diesem Tag selbst das nett lächelnde tote Opossum nicht aufheitern, das kopfüber von der Eingangstür hing.
Ich versuchte, meiner Familie nicht mit meiner schlechten Laune auf den Keks zu gehen. Und das klappte auch. Mama und Papa ließen sich nicht mal von ihrem klitschnass geregneten Selbst aus der Ruhe bringen und waren gerade dabei, den günstigsten Preis für ein Familienticket herauszusuchen."JULIE! EIN ECHTER ELEFANT!", kreischte Sofia auf, schlug die Hände vor die Augen und verkroch sich hinter mir. Leicht lachend zog ich das verängstigte Kind hervor und brachte ihr bei, dass der ausgestopfte Elefant, der eigentlich die Besucher willkommen heißen sollte, keineswegs echt war.
"Bis auf dich, mich, alle anderen Besucher und ein paar Kleintiere gibt es hier bestimmt nicht so viele andere lebendigen Wesen. Das verspreche ich dir!", beruhigte ich sie und zeigte demonstrierend um mich herum.
"Und was ist mit der großen Spinne, die gerade auf deine Schulter krabbelt?", fragte sie neugierig und deutete auf meinen Arm.
Laut quietschend fuhr ich hoch und schlug wild mit einer Hand auf meine linke Schulter. Dabei drehte ich mich im Kreis und mochte gar nicht daran denken, wie bekloppt ich jetzt aussehen musste.Plötzlich prustete Sofia los. "Du glaubst wohl einer Vierjährigen!", lachte sie laut und hielt sich dabei den Bauch. Tränen traten aus ihren Augen und sie fiel fast um vor Lachen, sodass ich sie kurzerhand auf den Arm nahm.
"Mach sowas nie wieder!", sagte ich ernst, worauf sie verstummte.Als wir in die riesige Halle gelassen wurden, vergrößerten sich Sofias Augen um Meilen und es sah fast so aus, als würden sie herausplumpsen, wenn sie nicht bald blinzelte.
Aber sie hatte Recht. Schon allein diese Halle war atemberaubend.An der hohen Decke hingen dutzende Vögel in allen möglichen Farben, die in einer V-Formation herumbaumelten. Der riesige Elefant, der auf einem Podest stand, reckte seinen Rüssel in die Höhe und versprühte im Zwei-Minutentakt Wassertropfen, die auf den Köpfen der Besucher landeten.
Meine kleine Schwester wusste gar nicht, wo sie zuerst hingucken sollte, so viel gab es zu sehen."Wir gehen kurz eine Plan für den Rundgang holen. Wartet ihr hier?", fragte Papa während er seinen Geldbeutel aus dem Rucksack kramte.
Ich nickte nur und setzte mich zu Sofia, die an einem Steinbecken hockte in dem sich die buntesten Fische befanden.
'Fische streicheln erlaubt', wie es an einem der vielen Schildern hieß, ließ sie sich nicht zweimal sagen und hatte schon nach ein paar Sekunden die Hand im Wasser und berührte vorsichtig einen schimmernden Wels.
Ich vermutete, dass sie angeekelt ihre Hand wieder zurückziehen würde doch sie behielt sie im kühlen Nass.
Beeindruckt begutachtete sie jeden Fisch bis sie auf etwas anderes aufmerksam wurde."Julie! Guck mal da hinten!", rief sie aufgeregt und zog die Hand so schnell aus dem Wasser, dass es in alle Richtungen spritzte.
"Ich möchte unbedingt zu den vielen Dinos! Solche habe ich noch nie in echt gesehen!" Sie wischte sich das übrige Wasser an ihrem Jeansrock ab und stand von dem Becken, das jetzt anscheinend Nebensache geworden war auf und starrte gebannt in Richtung der Donisaurierausstellung.Ehe ich ansetzten konnte, ihr zuzurufen dass wir noch auf Mama und Papa warten sollten, war sie auch schon losgeflitzt und aus meinem Sichtfeld.
Panisch raffte ich mich auf und rannte in Richtung Riesendino. Schnell tippte ich noch eine Textnachricht an meine Mutter, dass wir schonmal losgegangen sind. Das letzte was ich jetzt gebrauchen konnte, war, dass sich meine Eltern sorgen machten.
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Serendipity - [New Hope Club FF]
FanfictionSerendipity (n.) finding something good without looking for it. Wegen der Hochzeit ihrer Tante, die fast genau 8300 Kilometer entfernt von ihrem Zuhause stattfindet, verbringt Julie mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester zwei ganze Wochen in L...