7.

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Als ich Zuhause war, zog ich die Jacke aus und schmiss die Tasche in die Ecke.
"Und? Wie war es?", Romy lehnte im Türrahmen des Wohnzimmers.
"Dieser Typ ist unausstehlich.", meinte ich und  schmiss die Handschuhe in die Tasche.
"Das meine ich nicht. Ich meine, wie das Laufen war.", ihre Augen leuchteten voller Neugierde und ein breite Grinsen lag auf ihrem Gesicht.
"Ungewohnt und irgendwie doch vertraut...", murmelte ich. "Nur kann ich es nicht mehr."
"Du musst jetzt eben viel üben. Das ist so, wenn man drei Jahre nicht gefahren ist.", die zuckte mit den Schultern. "In dir steckt eine ganze Menge Talent, Yari, du musst bloß wieder reinkommen. Du fängst ja nicht bei null an, nur eben bei fünfzig Prozent."
"Ich hasse diese Wette.", murmelte ich. Romy lachte leise.
"Vielleicht solltest du wirklich Yakov fragen, ob er dich vorerst trainieren kann, bis du wieder sicher genug bist, um Yuri zu helfen.", schlug sie vor und wenn ich ehrlich war, erschien mir das wirklich sinnvoll. Ich hatte nur ein Mal versucht zu springen und hatte fast den Boden geküsst, ich brauchte Hilfe, wenn ich wieder in Form kommen wollte.
"Ich gehe morgen zu ihm.", nickte ich.
"Tatsächlich?", Romy schien verwundert. "Okay, gut. Trainieren du und Yuri morgen?"
"Nein, wir haben jedenfalls nichts ausgemacht.", ich zuckte mit den Schultern und holte die Schlittschuhe aus der Tasche um die gründlich zu pflegen und dann wieder in die Tasche zu stopfen. Dann ging ich in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Seufzend klappte ich meinen Laptop auf. Für die Choreo sollte ich wissen, was Yuri bisher so gelaufen war. Ich hockte Stunden vor dem Bildschirm und studierte seine alten Choreografien. Die meiste Zeit war er gelaufen, wie er sich präsentierte: laut, wild und trotzig aber es gab auch eine Choreografie in der er sich gefühlvoll zeigte. In Recherchen fand ich heraus, dass diese wohl von Victor Nikiforov geschaffen wurden war. Irgendwie fesselte mich diese Version besonders. Er wirkte so...anders. Nicht so stur und verbissen. Mir drang sich die Frage auf, ob er wirklich gelegentlich so war oder nur ein Talent für das Schauspiel besaß.

Am nächsten Tag machte ich mich auf den Weg in die Halle. Irgendwie war es merkwürdig, dass ich inzwischen beinah täglich hier zu sein schien. Yakov stand an der Bande und brüllte einem Schwarzhaarigen gerade Befehle zu.
"Yakov?", er riss sich von seinem Schüler los und blickte mich berechnend an.
"Sag bloß, du willst Yuri schon wieder loswerden. Verstehen könnte ich es.", fragte er skeptisch.
"Nein, ich bin nicht wegen Yuri hier...wobei, in gewisser Weise doch."
"Jetzt zieh das hier nicht in die Länge, Mädchen. Du siehst doch ich hab zu tun."
"Kannst du mich trainieren?", kurz herrschte Stille.
"Warum?", er schien sowohl verwundert als auch skeptisch. Als würde er eine Verschwörung erwarten. Nett, was er mir so zutraute.
"Ich will die Choreografie nicht einfach nur auf ein Blatt kritzeln, ich will sie richtig entwickeln.", erklärte ich. "Und dafür muss ich wieder fit werden." Wieder Stille, eine schwere, angespannte, nachdenkliche Stille.
"Gut, ich mach es.", gab er dann nach. "Dann weiß ich, was auf mich zukommt, wenn du scheiterst." Tolle Aussichten und dieses Vertrauen, dass er in mich setzt. Sensationell. "Na worauf wartest du?! Dehnen und dann ab auf's Eis!" Na toll, was hatte ich mir dabei nochmal gedacht? Während Yakov sich dem Schwarzhaarigen zu wandte begann ich meine Dehnung.
"Nimm ihm seine Stimmung nicht krumm, er kann gute Laune nicht zulassen.", eine Frau mit rotbraunen, kurzem Haar war zu mir getreten. "Mila, hi."
"Yara.", antwortete ich und lächelte leicht.
"Ich weiß.", schmunzelte sie. Ich legte den Kopf schief. "Yuri hat sich schon beschwert." Ich stöhnte genervt.
"Yara! Hör auf zu quatschen und beweg' deinen Hintern hier her!", rief Yakov zu uns herüber. Seufzend zog ich die Schlittschuhe an und lief zu ihm. Yakov hielt mir ein Tablet vor die Nase. "Wir trainieren diese Choreo. Hast du die Musik dabei?" Ich sah auf die Fläche und erstarrte.
"M-muss das sein?", wisperte ich verunsichert. Er nickte.
"Deswegen bist du unsicher und diese Unsicherheit müssen wir dir austreiben.", erklärte er. Mein Magen verkrampfte sich und ich lief beinah mechanisch zu der Anlage, stecke mein Handy ein und wählte dieses eine, verhängnisvolle Stück, dann glitt ich, nach einer weiteren, unhöfflichen Aufforderung von Yakovs Seite, in die Mitte der Eisfläche. Ich konnte es mir mit Yakov gerade echt nicht verscherzen, ohne seine Hilfe konnte ich die Choreografien und auch meinen Sieg in der Wette abschreiben. Die Musik setzte ein und wie eine Puppe, deren Fäden man zieht, begann ich mich zu bewegen. Ich weiß nicht ein Mal mehr warum ich dieses Stück gewählt hatte. Es war tragisch, der Schwan starb endgültig und seine große Liebe mit ihm. Hatte ich Liebeskummer als ich die Choreografie erarbeitet hatte? Möglich war es, vielleicht eine meiner vielen Affären. Ich hatte meine Choreo bisher ohne groß Nachzudenken vollführt, doch jetzt kam der Sprung, dieser Sprung. Ich weiß nicht mehr, warum ich ihn verhauen hatte, nur dass ich danach nicht mehr auf das Eis wollte.
Meine Füße stellten sich von selbst schräg und mit einem lauten Schaben kam ich zum Stehen. "Yara! Reiß dich gefälligst zusammen! Von vorn!" Ich atmete tief durch. Das war kindisch, Yakov hatte Recht. Ich war tausende Male gefallen. Das nächste Mal würde ich springen, ich würde fliegen und aufkommen, dann würde ich weiter fahren. Ich würde solang aufstehen und springen, bis ich das geschafft hatte.

Übrigens ist immer mal Musik dabei, entweder zur Untermalung oder es ist die Musik der Programme.

Broken Queen // Yuri on Ice FanFiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt