6|Mache ich dich nervös?

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Ich sitze mit Emily und Rike im Klassenraum. Aufgeregt unterhalten sich alle über die Sommerferien und ich muss feststellen, dass ich die einzige bin, die noch nie verreist ist. Meine Eltern legen nicht viel Wert darauf zu verreisen, sie wollen das Geld lieber für etwas nützliches sparen. "Und Wanda wohin seit ihr gefahren?" Rike sieht mich abwartend und voller Vorfreude an. Sie erwartet wahrscheinlich, dass ich um die halbe Welt gereist bin. "Wir sind die ganzen Ferien über hier gewesen." Beschämt sehe ich auf meinen Tisch und meine besten Freundinnen sehen mich geschockt an. Während sie noch immer in Erinnerungen an Griechenland oder Spanien schwelgen, sehe ich nur mein Zimmer. Gerade als Emily etwas sagen will, öffnet sich die Tür unseres Klassenraumes und eine Frau betritt den Raum. Ihre blonde Haare wippen dabei leicht auf und ab, erst als sie stehen bleibt, kann ich erkennen das sie etwas länger als Schulterlang sind. Sie lässt ihre Tasche laut hörbar auf den Tisch fallen und sofort verstummen alle Gespräche. Mit ihren hellblauen Augen mustert sie jeden von uns, bis sie sich umdreht um ihren Namen an die Tafel zu schreiben. Frau Richter. Meine Klasse ist immer noch ruhig, was ziemlich ungewöhnlich ist. Als sie sich wieder zu uns dreht, sehen wir sie gespannt an. "Guten Morgen. Mein Name ist Frau Richter und ich werde eure Klassenleitung übernehmen." Ich mustere sie interessiert. Ihr selbstbewusstes Auftreten fasziniert mich und dessen schien sie sich bewusst zu sein. "Ich werde jetzt die Anwesenheit überprüfen." Etwas was sie sich hätte sparen können, denn Frau Moosel ließ uns Nachsitzen wenn wir bereits eine Minuten zu spät kamen, einen Tag unentschuldigt fehlten oder der Grund des Fehlens für sie kein Grund war. "Damit ihr es wisst, ich dulde keine Verspätungen! Habt ihr noch irgendwelche Fragen?" Sie beginnt damit ihre Unterlagen zu sortieren und als sie wieder zu uns schaut, meldet sich keiner. Die dummen Fragen würden erst in einpaar Wochen kommen, wenn die Jungs wissen was sie sich erlauben können und was nicht. "Wenn das so ist werden wir jetzt die Abschlussfahrt besprechen. Habt ihr einen bestimmten Wunsch?" Sofort schießen die Hände mehrere meiner Klassenkameraden in die Höhe. Auch Rike und Emily melden sich. Viele wollen ans Meer. Ich war noch nie am Meer.

Ich bin froh das wir am ersten Schultag nur 4 Stunden haben und ich mache mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Nur noch wenige Monate, dann würde ich mit meinem eigenen Auto fahren. Aber jetzt bin ich leider noch auf den Bus angewiesen. Ich sehe Frau Richter und Frau Foster, meine Englisch- Und Geschichtslehrerin, Richtung Lehrerparkplatz gehen. Von meinem Platz an der Bushaltestelle kann ich erkennen wie Frau Richter zu einem schwarzen Toyota geht und einsteigt. Kurz darauf kommt mein Bus und ich steige ein. Während der Fahrt verzichte ich auf Musik und hänge meinen Gedanken nach. Sie schweifen zu Frau Richter und ihren blauen Augen, welche die letzten 4 Stunden bei jedem Wort gestrahlt hatten. Als ich fast meine Bushaltestelle verpasste, steige ich aus und laufe die letzten Meter bis nach Hause.

Ich öffne die Tür zu unserem Haus. Es ist ein normales Einfamilienhaus mit roter Außenfassade und einem Dach aus schwarzen Ziegeln. Ich schließe die Haustür hinter mir. "Mama? Papa?" Rufe ich durch das Haus, aber bekomme keine Antwort, was heißt das sie heute im Büro arbeiten. Meine Eltern leiten ein Unternehmen, keine Ahnung was sie genau machen. Ich ziehe meine Schuhe aus und stelle sie in das Regal mit den anderen Schuhen. Alle Möbel im Flur waren in Betonoptik gehalten. Ich laufe die weiße Holztreppe bis in den ersten Stock hoch. Ich öffne die Tür zu meinem Zimmer und lasse mich auf mein Bett fallen. Mein Zimmer ist voller weißer Möbel, welche mit pastellrosa verziert sind. Auf meinem Bett ist es die Bettwäsche, im Regal sind es die Stoffkisten und auf dem Schreibtisch die Maus und die Tastatur. Meine Tasche fällt neben mein Bett und ich krabbele weiter auf mein Bett.

Ich schließe die Augen und als ich kurz vor dem Einschlafen bin, klingelt mein Handy. Genervt stehe ich auf und suche mein Handy in meiner Schultasche. Es ist Rike. "Hey Rike." "Wanda was ist dir denn über die Leber gelaufen?" Fragt sie Lachend. "Haha ich war kurz vorm Einschlafen." Ich versuche sarkastisch zu klingen, was mir aber nicht wirklich gelingt. "Oh Sorry, aber Emily ist mal wieder nur mit Ben beschäftigt und mir ist langweilig." Ich kann sie verstehen, denn seit dem Emily mit Ben zusammen ist hat sie kaum noch Zeit für uns. "Ich weiß." Seufze ich. "Kann ich rüber kommen?" Ich nicke. "Ja oder Nein?" Lacht Rike plötzlich und ich muss auch lachen, als ich meinen Fehler erkenne. "Ja klar, sorry." Ich lege auf und gehe schon einmal zur Tür, da Rike direkt neben mir wohnt.

Annabell (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt