Luna
"Deine Heilkräfte sind ziemlich stark." , begann Jane ein Gespräch, um die unerträgliche Stille zu überbrücken. Ich zuckte nur mit den Schultern. "Es hat grade so gereicht. Aber wenn ich weiter so beschäftigt bleibe, werde ich bald Meister darin. Ihr liefert mir ja genug Übungsmöglichkeiten. " Jane nickte stumm. Schweigend stapften wir durch den Wald, dessen Blätter im Wind rauschten. Der Sommer neigte sich langsam seinem Ende zu; die Zeit war schneller vergangen, als ich es bemerkt hatte. Es schien so unendlich lange her zu sein, dass Dakarius mich von zuhause weggeholt hatte. Zuhause... Wie es meinen Eltern wohl ging? Seit Anfang des Sommers hatte ich nichts von ihnen gehört. Einerseits war ich froh darüber, denn es hätte alles noch komplizierter gemacht, aber andererseits tat es auch ein bisschen weh, dass sie nicht nach mir gesucht hatten. Aber was sollte ich sagen; ohne mich ging es ihnen vermutlich besser. "Und wie geht es jetzt mit uns weiter?" , unterbrach Jane meine Gedanken. Ihre Stimme klang unsicher und sie wirkte angespannt, so als ob sie sich vor der Antwort fürchtete. Zwar versuchte sie, das zu verbergen, doch es gelang ihr nicht sonderlich gut. Das war neu; es gab nur sehr wenige Dinge, vor denen Jane Angst oder gar Respekt hatte. Ich blickte sie an, ein wenig überrascht, dass sie so eine Frage stellte. Es war gar nicht ihre Art, offen über Probleme zu reden. Aber sie schien es wirklich ernst zu meinen - in ihrem Gesicht war nicht die Spur eines Lachens zu sehen, weder gehässig noch freundlich. Ich schloss kurz die Augen und atmete die frische Luft ein, dann antwortete ich: "Ich weiß es nicht. Anscheinend kann ich nicht mit- und auch nicht ohne dich, ob es mir nun passt oder nicht." Das klang schärfer als beabsichtigt, was vermutlich daran lag, dass auch ich ziemlich angespannt war. "Geht mir auch so." Jane seufzte. "Du musst mich wirklich hassen, stimmts?" Sie zwang sich zu einem schmerzhaften Grinsen. "Ich hasse nicht dich, sondern das was du tust." , entgegnete ich in ernstem Tonfall. Jane lachte bitter auf. "Ich bin ein Monster! Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?" Ich blickte sie ernst an. "Du warst nicht immer ein Monster, Jane. Du kannst auch etwas anderes sein, und das hat nichts damit zu tun, dass du ein Vampir bist. Du musst nur aufhören deine Wut und deinen Schmerz an anderen auszulassen; ich kann nichts dafür und Grace noch weniger." Das hatte sie getroffen; zum ersten Mal seit Jahren sah ich, dass sie etwas was ich sagte ernst nahm und es ihr zu Herzen ging. Es war, als hätte ich ihr einen nachdenklichen Schock verpasst. Sie hatte den Blick starr auf den Boden gerichtet, die Arme hingen seitlich herunter und sie hatte einen gedankenverlorenen Ausdruck auf dem Gesicht. Wenn sie jetzt die richtigen Entscheidungen traf, könnte sich etwas in ihrem Leben gewaltig ändern. Ich beschloss, sie eine Weile allein zu lassen. Sie musste jetzt etwas mit sich selbst ein für alle Mal klären und dabei hatte ich nicht mitzureden. Ich sah sie noch einmal an, dann drehte ich mich langsam um und ging in Richtung Baumhaus zurück, um Ethan zu suchen. Ich hatte noch etwas mit ihm zu klären, und jetzt schien mir der richtige Zeitpunkt dafür zu sein. Vor Schreck zuckte ich kurz zusammen, als ich ihn plötzlich an einen Baum gelehnt etwa einen Meter von mir entfernt stehen sah. Hatte er uns etwa beobachtet? Nein, dazu waren wir schon zu weit weg. "Was machst du denn hier?" , fragte ich ihn noch völlig perplex und starrte ihn ungläubig an. "Darf ich etwa nicht raus? " , kam gleich die unfreundliche Antwort. Meine Güte, was hatte der denn zum Frühstück gegessen? "Na du bist ja wieder gut drauf!" , entfuhr es mir und gleich darauf spürte ich mein Gesicht heiß werden und senkte schnell den Kopf. Ethan lachte über meine Reaktion. "Du bist heute wohl auch etwas schnippischer als sonst, was?" "Sieht wohl so aus." , antwortete ich kühl und stellte ihm dann die Frage, wegen der ich eigentlich gekommen war. Dass mein Herz dabei wie verrückt klopfte, konnte ich glücklicherweise ignorieren. "Was willst du jetzt machen?" , stieß ich hervor und blickte ihn forschend an. "Wie meinst du das?" "Wann gehst du zurück zu den Dunkelelfen? Früher oder später machst du das doch sowieso." "Ich weiß es noch nicht. Würdest du denn mitkommen?" Jetzt war er es, der mich forschend ansah. Ich wurde rot. Was war denn das für eine Frage? "Ich - ich weiß nicht." , murmelte ich und blickte wieder zu Boden. Warum fragte er sowas? "Also ich denke ich bleibe noch eine Weile hier. Das heißt, wenn ich darf. Ansonsten suche ich mir eben was anderes." , meinte er. Seine Stimme klang fast gleichgültig, doch da war noch etwas anderes, was ich nicht so ganz erkennen konnte. Wir schwiegen eine Weile. Dann fiel mir noch etwas ein. "Warum bekämpfen sich eigentlich die Vampire und die Dunkelelfen?", fragte ich ihn. Überrascht blickte er mich an. "Das weißt du nicht?" Ich schüttelte den Kopf. Dakarius hatte mir nichts darüber erklärt; ich wusste nur, dass es so war, aber beim genaueren Nachdenken erschien mir das eigentlich ziemlich sinnlos. "Früher waren die beiden Völker mal befreundet. Aber dann kam die Zeit der Vampirjäger. Viele Vampire wurden getötet und schließlich kam ihr Anführer zu den Dunkelelfen und bat sie um Hilfe. Doch der Anführer der Dunkelelfen schickte ihn weg; er sah keinen Weg ihnen zu helfen, da auch das Gerücht von Hexen und Magiern aufkam, das die Dunkelelfen in große Gefahr gebracht hätte. Er hatte Angst um sein Volk, da wir seit jeher weniger waren als die Vampire und wir damals auch noch nicht besonders stark waren. Der Anführer der Vampire konnte das nicht akzeptieren und tötete kurz später aus Wut unseren Anführer. Er befahl seinen Leuten die Dunkelelfen auszurotten und seitdem stehen die beiden Völker miteinander im Krieg. Zum Glück sind wir durch die vielen Kämpfe stärker geworden, sonst gäbe es uns heute wahrscheinlich nicht mehr." , schloss Ethan seine Erklärung. Ich nickte nachdenklich. Jetzt ergab es Sinn. "Aber das ist doch schon so lange her. Gibt es denn keinen Weg sie zu versöhnen?" , überlegte ich. Ethan stieß ein belustigtes Lachen aus. "Viel Spaß dabei! Da bringst du eher einen Igel zum Fliegen, als dass du es schaffst, die beiden Arten zu versöhnen. Aber wer weiß..." , fügte er etwas ernster hinzu, "Du könntest es vielleicht doch schaffen. Ich wäre jedenfalls dabei, ich hab eigentlich auch genug davon." Überrascht sah ich ihn an. "Denkst du?" Ethan zuckte nur mit den Schultern. "Ja?" meinte er leise. Ein warmes Gefühl machte sich in mir breit und ich musste lächeln. Schnell drehte ich den Kopf zur Seite, damit Ethan es nicht sah. Er konnte also auch nett sein; das war schön zu sehen. Jetzt richtete er sich auf und machte ein paar Schritte in Richtung Baumhaus. Dann drehte er sich noch einmal um. Kurz zögerte er, dann sagte er: "Du solltest dich bald entscheiden, ob du zu Dakarius zurückwillst. Er wird nach uns suchen und früher oder später wird er auch hierher finden." Damit wandte er sich ab und wollte gehen. "Warte!" , rief ich ihm hinterher und lief zu ihm, als er sich zum zweiten Mal umdrehte. "Sollen wir das nicht mit den anderen besprechen? Immerhin ist das ja auch ihr Zuhause, das dann in Gefahr wäre." Kurz hob er skeptisch die Augenbrauen, aber dann nickte er. "Einverstanden. Sobald sie mal alle da sind, reden wir mit ihnen. " Dann drehte er sich endgültig um und verschwand zwischen den Bäumen.
Luna is back💕
Dieses Kapitel ist ein bisschen länger geworden als die meisten anderen, aber naja
Hoffentlich war es trotzdem gut 😉
Eine Frage noch (an alle außer Honigtatze und CrazyCat179) : Wie findet ihr das Buch bis jetzt? Und wie viele lesen das hier eigentlich? Wir haben nämlich unterschiedliche Leserzahlen und das hat mich ein bisschen verwirrt, weil - irgendwie versteht man ja nix wenn man z.B. nur die Jane - Kapitel liest 😂
Ich würde mich sehr über Antworten freuen! 💓 Danke!Weiter geht's bei CrazyCat179
DU LIEST GERADE
Projekt J
FantasyDas ist ein Projekt von @CrazyCat179 @Honigtatze und mir. Lest selbst!