41. Kapitel

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                                                                                                                  Luna
Mit einem hässlichen Knacken schlug ich zum gefühlt zwanzigsten Mal auf dem Boden auf. Der schwarze Sand der Trainingskule glühte in der prallen Sonne und der Schweiß lief mir bereits die Stirn herunter, doch ich wollte nicht aufhören. Seit Sonnenaufgang trainierte ich mit Dakarius und er verlangte mir einiges ab. Beigebracht hatte er mir nichts; als ich ihn danach gefragt hatte, hatte er nur gelacht und gemeint, ich würde schon aus Erfahrung lernen. Danach hatte er mich angegriffen und wie zu erwarten hatte ich die ersten fünf Kämpfe haushoch verloren und dabei einige Wunden eingesteckt. Allerdings hatte das Training durchaus auch seine Vorteile, denn ich wurde wirklich besser und abgesehen davon hielt es mich vom zu vielen Nachdenken ab. Jetzt rappelte ich mich schnell auf und konnte gerade noch rechtzeitig einer von Dakarius' dunklen Lichtkugeln ausweichen, die daraufhin an mir vorbeischoss und eine junge Dunkelelfin hinter mir von den Füßen riss. Seit kurzem kämpften wir in einer Art Übungsschlacht, an der sich außer Dakarius und mir noch etwa fünfzehn weitere Schüler und vier andere erwachsene Dunkelelfen beteiligten, die Dakarius' Untergeordnete zu sein schienen. Alles in allem waren es also sechzehn Schüler und fünf Mentoren; eine beträchtliche Zahl. Die Regeln im Kampf waren recht einfach: Es kämpft jeder gegen jeden, es ist alles erlaubt. Wer fällt, scheidet aus und versucht, sich in Sicherheit zu bringen, bevor er von jemand anderem getötet wird; genauso ergeht es denen die Gnade zeigen. Die, die am Ende übrig bleiben, bekommen eine Stunde Pause und etwas zu essen, der Rest muss sich um sich selbst kümmern. Plötzlich sah ich einen weiteren heißen Lichtball auf mich zukommen und gleich darauf noch einen. Ein ungefähr gleichaltriges Mädchen mit kurzen, kastanienbraunen Haaren hatte es offenbar auf mich abgesehen und zielte ununterbrochen mit Feuerkugeln nach meinem Kopf. Ich sprang und duckte mich blitzschnell vor den Feuerbällen weg, doch es kamen immer neue nach und zwangen mich zum Ausweichen, so dass ich fast nicht zu Atem kam. Das Mädchen war wirklich gut. Im Sprung feuerte ich zurück, so gut ich konnte, doch das Mädchen wehrte meine Schläge scheinbar mühelos ab. Während ich kämpfte behielt ich sie genau im Auge und versuchte ihre Schwachstelle herauszufinden. Da! Jetzt hatte ich sie! Scheinbar verletzt ließ ich mich rücklings in den Sand fallen und hielt ganz still. Siegessicher blieb das Mädchen vor mir stehen und ließ für einen Moment ihre Deckung fallen. Ich nutzte diesen kurzen Augenblick der Verwundbarkeit und schoss ihr einen Lichtblitz direkt in den Bauch. Sie stöhnte überrascht auf und knickte ein. Endlich kam ich wieder auf die Füße und sah mich um. Der Boden der Trainingskule war übersäht mit den reglosen Körpern der besiegten Kämpfer. Einige waren nur bewusstlos, wie das Mädchen, gegen das ich gekämpft hatte, aber es gab auch viele Tote. Schon auf die Entfernung konnte man sie an ihrer nicht mehr vorhandenen Aura erkennen. Ein wenig erstaunt bemerkte ich, dass wir nur noch zu viert waren: Dakarius, ich und zwei Jungen, deren Namen ich nicht kannte. Auch sie waren ungefähr in meinem Alter und schienen schon etwas länger beim Training zu sein, wie man an ihrem Kampfstil unschwer erkennen konnte . Dakarius' Begleiter hatten sich aus dem Staub gemacht; sie hatten offenbar einen Auftrag bekommen und mussten diesen noch vor Sonnenuntergang erfüllen. Einer von ihnen hatte es allerdings nicht geschafft, stattdessen war er im Gehen von einem Schüler getötet worden, der wohl Spaß an diesem Spiel hatte. Jetzt senkte der Anführer seine zur Verteidigung ausgestreckten Arme und kam mit einem zufriedenen Gesicht auf uns zu. "Gutes Spiel!" , sagte er und streckte dem blonden Jungen neben mir seine Hand entgegen. Der nahm sie erfreut - und wurde gleich darauf von einer Welle aus kleinen Blitzen erschüttert, die ihn zum zittern brachte und ihn gleich darauf ebenfalls in sich zusammensinken ließ. Mit einem bedauernden Seufzer zog Dakarius seine Hand zurück. "Unvorsichtig." , murmelte er, dann wandte er sich an mich und den anderen Jungen, die wir immer noch untätig dastanden. "Ihr habt gut gekämpft." , meinte er mit sachlicher, aber kühler Stimme. "Sogar du, Darkina. Für deinen ersten Tag war das gar nicht mal schlecht. Aaron, du wirst von Terrence erwartet - er hat noch einen Auftrag für dich. Darkina, du wirst später auch noch einmal losgehen. Ich werde dich holen lassen, wenn es so weit ist, aber für den Moment könnt ihr gehen." Damit wandte er sich ab und verschwand ins Nichts.
Erschöpft, aber mit grimmiger Zufriedenheit holte ich mir meine Ration Wasser und meinen Proviant und ging dann zurück ins Zentrum des Trainingslagers. Es sah aus wie ein kleines, verwahrlostes Dorf, nur dass hier statt freundlichen Bauern gefährliche Dunkelelfen durch die Gegend huschten. Viele sah man nur als schwarze, vorbeizischende Schatten, andere gingen als lautlose Gestalten in schwarzen Umhängen durch die engen Gassen. Die meisten Dunkelelfen sprachen nur mit höherrangigen Artgenossen und ignorierten die Neulinge. Diese Gewohnheit hatten auch die meisten der Schüler übernommen; nur wenige, Vereinzelte versuchten es immer noch mit Freundlichkeit. Mit einem respektvollen Nicken wich ich den älteren Dunkelelfen aus und suchte mir einen ruhigen Fleck an einer Wand. Dort setzte ich mich und schloss ein wenig die Augen, um Kraft für den nächsten Auftrag zu sammeln. Ich war fast eingeschlafen, als gedämpfte Stimmen an mein Ohr drangen. Eigentlich interessierte es mich nicht wirklich, wer da sprach, aber an Schlaf war jetzt auch nicht mehr zu denken. Also öffnete ich die Augen und erblickte zwei Personen, die ein wenig entfernt von mir im Zwielicht standen und offenbar hitzig diskutierten. Beim näheren Hinsehen erkannte ich zu meiner Überraschung Dakarius, der eindringlich auf einen großen Jungen einredete. Der Junge hatte hellbraune Haare und eine sehr selbstbewusste Körperhaltung. So wie er aussah musste er ein ziemlich geschickter Kämpfer sein, denn er hatte im Gegensatz zu mir kaum Wunden und er war stark, sowohl geistig als auch körperlich. Das alles verriet mir seine Aura, doch da war noch etwas, etwas das ich nicht so ganz begreifen konnte. Wenn ich ihn ansah, kam sofort ein starkes Gefühl von Zuneigung in mir auf, obwohl ich ihn nicht einmal kannte. Das war neu und es verwirrte mich. Schnell verdrängte ich den Gedanken an den gutaussehenden Jungen und versuchte mich auf die Unterhaltung zu konzentrieren. Während Dakarius gesprochen hatte, war er immer lauter geworden und hatte den Jungen bei den Schultern gepackt. Es war das erste Mal, dass ich ihn hektisch erlebt hatte, und irgendwie verschaffte es mir Genugtuung. Jetzt schüttelte der Junge ihn ärgerlich ab und ich konnte hören wie er entgegnete: "Du kannst mir nicht vorschreiben was ich zu tun habe. Ich verlasse diese Welt wann ich es will, kapiert?" "Mich interessiert vor allem warum du abgehauen bist. Du kommst doch oft genug raus." Ernsthafte Sorge mischte sich in die Stimme des Anführers. So behandelte er keinen seiner Schüler; der Junge schien ihm wirklich etwas zu bedeuten. Genauso wie mir... Halt, stopp. Nicht gut. Ich war hier um mich an Jane zu rächen, nicht um irgendwelchen Jungs hinterher zu laufen. "Ich habe jemanden gesucht." , erwiderte der Junge und blickte Dakarius herausfordernd an. "Du müsstest sie eigentlich kennen. Wenn ich mich recht entsinne hast du sie sogar persönlich hierher geholt und seit heute trainierst du sie in deiner Gruppe. Du weißt dass sie nicht hierher gehört. Sie ist anders als die anderen." An dieser Stelle setzte mein Herzschlag kurz aus, nur um danach wie verrückt zu rasen. Meinte er etwa mich? Dakarius schien nicht zu wissen, wovon er redete. Kopfschüttelnd ließ er den Jungen stehen. Als er sich bereits einige Schritte entfernt hatte, drehte er sich noch einmal um und musterte den Sechzehnjährigen abschätzend. "Ich beobachte dich." , sagte er leise, dann huschte er davon und verschwand in den Schatten. Kurz sah er dem Anführer hinterher, dann drehte sich auch der Junge um und kam mit schnellen Schritten in meine Richtung. Hastig senkte ich den Blick und versuchte mein Herz zu kontrollieren, das noch immer unbeherrscht gegen die Innenseite meines Brustkorbs schlug. Ich erwartete, dass er vorbeigehen und mich nicht weiter beachten würde. Doch das tat er nicht. Direkt vor mir blieb er stehen. Er schien kurz zu zögern und ich hielt gespannt die Luft an. Dann nahm er einen kleinen Beutel aus einer Tasche seines Umhangs und streckte ihn mir entgegen. "Hier." , sagte er. Vorsichtig hob ich den Kopf - und blickte in moorgrüne Augen, deren Tiefe ich nicht ergründen konnte. Einige Augenblicke lang starrten wir uns nur an, und die Zeit schien still zu stehen. Dann streckte ich langsam meine Hand aus und nahm den Beutel entgegen. Im nächsten Moment war er verschwunden und ich war allein auf der kalten Straße. Völlig verwirrt versuchte ich meine Gedanken zu ordnen und mir das schwindelerregende Glücksgefühl zu erklären, dass ich mit einem Mal verspürte, doch dann fiel mein Blick auf den Beutel, den er mir gegeben hatte. Behutsam löste ich die verknoteten Kordeln und öffnete ihn. Darin lagen eine kleine Dose und ein zusammengefalteter Zettel. In der Dose war eine Kräutersalbe; im ersten Moment fragte ich mich, wozu ich sie brauchen sollte, doch dann fiel mir wieder ein, dass sich Dunkelelfen ja unpraktischerweise nicht selbst heilen können. Ich freute mich, aber meine Aufmerksamkeit galt vor allem dem Zettel, den ich jetzt vorsichtig auseinanderfaltete.
Morgen Abend, im Wald hinter der Grenze.
Folge deinem Gespür.
Ethan
,stand da in hastig gekritzelter Handschrift. "Ethan also." , murmelte ich leise und ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, als ich dem Jungen nachblickte, der gerade zwischen den Häusern verschwand.

Ist ein bisschen lang geworden, ich weiß... Aber das musste sein ❤🌙
Weiter geht's bei CrazyCat179 💭💕

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