8. Kapitel

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Die Tage verstrichen mit immer dem selben Ablauf, bis Alicias Geburtstag, der 21. Oktober begann. Zuerst war alles wie immer:
Ich stand um sieben auf, brachte James seine Medikamente, half ihn in den Rollstuhl und machte uns anschließend Müsli zum Frühstück. Später gesellte sich auch unser Vater dazu. "Guten Morgen, ihr Süßen. Selina, wann wirst du zu Alicia gehen? Soll ich dir beim Transportieren der... Pflanze helfen?", er schmunzelte, als er das ausgesprochen hatte. "Das wäre nett, ja. Ich muss gegen 10 da sein. Kannst du dich dann um James kümmern? Mittags braucht er immer von jeder Tablette eine, Nachmittags die gegen die Schmerzen und sonst müsst ihr spontan handeln." Genervt sah mein Bruder zu seiner Müslischale. Mittlerweile weiß ich, dass er es hasste, wenn man so über ihn sprach - als ob er einen Aufseher benötigte und von jemanden abhängig wäre. Er griff zu seinem Löffel und strengte sich an, ihn zum Mund zu führen. Fast schaffte er das auch, aber bei den letzten Centimetern musste ich ihm doch noch helfen.

Mein Vater und ich waren bei Alicias Haus angekommen, vor dem meine Freundin uns schon erwartete. "Alles Gute zu deinem 15. Geburtstag!", begrüßte mein Vater sie, während ich sie liebevoll umarmte. "Danke, Frédéric! Hey Selina. Kaum zu glauben, dass du den Drachenbaum wirklich besorgt hast! Vielen Dank!" Sie strahlte über ihr ganzes Gesicht. "Äm... Alicia... Ist Lisa auch da?"
Lisa ist meine größte Feindin, aber leider auch eine der besten Freunde meiner Freundin. Dieses Miststück konnte mich noch nie leiden und versuchte schon immer krampfhaft, mir den Tag zu vermiesen, egal was es kostete.
"Ja, natürlich! Komm schon! Gehen wir rein." Mein Vater und ich folgten ihr bis zu ihrem Zimmer, wo er die Pflanze abstellte und sich von uns verabschiedete. Lisa saß schon auf dem Bett und starrte mich abwertend an. "Du bist also immernoch mit der befreundet. Schade, ich dachte du hättest langsam einen besseren Geschmack, Alicia." "Ach hör' auf. Ich will nicht, dass mein Geburtstag in Gezicke untergehen wird." Schnaubend verschränkte das fiese Wesen die Arme, aber sagte nichts mehr. Ich ignorierte sie wie sonst auch und fragte schließlich das Geburtstagskind: "Also, was hast du für diesen bedeutenden Tag vor?", woraufhin sie antwortete: "Auf jeden Fall werden wir noch den Kuchen essen, den meine Mutter gemacht hat. Später wird noch mein Vater vorbeikommen und dann suchen wir uns ein paar Filme aus, die wir schauen werden. Dass ihr dann auch übernachtet habe ich euch schonmal erzählt, oder?" "Äh, nein?", schimpfte ich entsetzt. Alicia zuckte mit den Schultern und gab nur ein 'okay' von sich.

Ein paar Schweigeminuten vergingen, bis uns Antonia, Alicias Mutter zum Essen rief. Erleichtert stürzten wir nach unten, wo losgesungen wurde: "Haaappy Biiirthdaaaay tooo youuuu, haaappy Biiirthdaaaay tooo youuuu, haaappy Biiirthdaaaay liebe Alicia, haaappy Biiirthdaaaay tooo youuuu!" Ihr Vater  war wohl schon gekommen, als wir noch oben waren, denn dieser lief jetzt glücklich auf seine Tochter zu und umarmte sie kräftig. Eine andere Frau war auch gekommen, jedoch hatte ich keine Ahnung wer sie war. Da sagte Alicia schon zu ihr: "Hallo, Chrisi. Schön, dass du auch gekommen bist." Als Alfred, Alicias Vater der Chrisi einen Kuss auf die Lippen drückte, war mir klar, dass sie seine Freundin war, von der Alicia mir gelegendlich erzählt hatte. Alfred fing an zu sprechen: "Chrisi und ich haben für dich zwei große Geschenke.", er verließ kurz den Raum und kam mit einem viereckigen  Geschenk zurück. "Mach auf!", forderte er. Glücklich riss seine Tochter das Papier weg, unter dem ein Karton mit einem Bild eines Fernsehers hervorlugte. "Ein neuer Fernseher?! Danke! Danke!", sie öffnete den Karton, um sich den Fernseher anzusehen, doch heraus holte sie eine Karte. Sie laß laut vor: "Alles Liebe zu deinem Geburtstag, Alicia. Wir wünschen dir einen tollen Tag mit deinen zwei besten Freundinnen und hoffen, dass du am ersten November zu unserer Hochzeit erscheinen wirst.", erstaunt blickte sie auf "Oh mein Gott! Herzlichen Glückwunsch, ihr zwei!" Zufrieden lächelte das Pärchen, das jetzt von jedem beglückwünscht wurde. Dann meldete sich Antonia wieder zu Wort: "Ich habe ja auch noch ein Geschenk für dich, mein Schatz." Auch sie verschwand kurz und kehrte mit einem kleineren, ebenfalls viereckigen Geschenk zurück. So schnell, dass man es gar nicht mehr richtig mitbekam, war auch schon das Geschenkpapier zerfetzt am Boden. Vorsichtig hob sich von alleine der Deckel und ein haariger Kopf schaute hervor. Ein schriller Schrei von Alicia ertönte: "Ein Hund! Ein Welpe! Oh mein Gott!" Sie hob einen Dackelwelpen heraus und kuschelte sofort mit ihm. Ich freute mich sehr für sie, da ein Hund schon immer ihr sehnlichster Wunsch war. Das musste wohl ihr besster Geburtstag sein.

Eine gefühlte Ewigkeit spielte sie noch mit ihm, bis es dämmerte und wir dann die Filme aussuchten, die wir auf dem neuen Fernseher schauen würden. "Du, Alicia. Ich gehe besser noch schnell zu mir rüber, um Bescheid zu geben, dass ich übernachten werde und um die Sachen für James herzurichten." "Okay, mach das bis gleich!", war ihre Antwort, also floh ich schnell vor Lisa nach draußen und zu meinem Haus. "Papa?", rief ich, als ich aufgesperrt hatte. "Ich komme!", ertönte von oben. Ich sagte ihm, was zu sagen war, aber fügte dann noch hinzu: "Du kennst doch bestimmt noch die gemeine Lisa? Das Mädchen, das mich immer gemobbt hat?" "Aber klar. Ist sie etwa die, die auch bei der Geburtstagsfeier ist?!" Ich antwortete mit einem Nicken. "Falls sie sich wieder daneben benehmen sollte, kannst du ruhig wieder zu uns kommen. Ob es Alicia passt oder nicht ist doch egal. Hauptsache meiner Kleinen geht es gut, ja?" "Okay. Danke.", antwortete ich und umarmte ihn zum Abschied.

Bei Alicias Haus angekommen musste ich klingeln und Antonia öffnete die Tür. Alfred und Chrisi waren wieder weg, wie ich festgestellte. Als ich dann im Zimmer war, giftete Lisa: "Ich hatte eigentlich gehofft, dass du auf dem Weg überfahren wirst, aber siehe da: du bist leider doch angekommen" "Auch schön dich zu sehen, Lisa.", antwortete ich ironisch. Ich hatte gehofft, dass sie dann leise sein würde, aber sie gab immer mehr bissige Kommentare von sich. "Jetzt reicht's mir aber!", schrie ich wütend, "Tut mir leid Alicia, aber ich halte es mit ihr nicht mehr aus!" Ich verließ das Zimmer und rannte zur Haustür. "Warte, Selina!" Ertönte die Stimme meiner Freundin, doch ich ließ mich nicht beirren und kam aufgelöst in meinem Haus an.

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