Hey, mein erster Oneshot. Ich hoffe er gefällt euch. :)
Wörter: 1769
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„Und kannst du deinen Text, Lora?", fragte mich meine beste Freundin Natalie gegen Ende unserer Mittagspause. Der Theater-Kurs begann erst in zehn Minuten und aus der Gewohnheit heraus, hatten wir uns dennoch bereits jetzt auf den Weg zum Musiksaal gemacht.
„Nahezu perfekt", meinte ich ein wenig stolz und bedachte sie mit einem Grinsen. „Ich fürchte allerdings, sollte Mark den Text nicht endlich in seinem Kopf bekommen, müssen wir uns jemanden anderes für die männliche Hautrolle suchen."
Natalie stieß ein amüsiertes Lachen aus. „Es ist ja nicht so, als hätten wir so viel Auswahl, was unsere männlichen Mitglieder angeht." Tatsächlich waren Mark und Ben die einzigen Jungs in unserer neun-köpfigen Theatergruppe. Wir hatten zum Anfang des Schuljahres zwar heftig die Werbetrommel gerührt, aber das Interesse unserer Mitschüler für das Theater war ernüchternd.
Der Musiksaal war nicht annähernd so leer, wie wir erwartet hätten. Außer uns waren noch unsere zwei Jungs, Lisa und Samuel da. Dummerweise durfte ich ihn nur in meinen Gedanken so nennen, denn wie jeder andere hatte auch ich mich an das Herr Becker zu halten.
Samuel saß auf dem Höcker vor dem Klavier und blickte konzentriert auf ein paar Blätter, die er in den Händen hielt. So bemerkte er unser Erscheinen auch erst, als Ben uns über den gesamten Raum ein lautes „Hey, ihr beiden" zurief.
Samuel sah wie auf Knopfdruck auf und, als seine blauen Augen mich erblickten, erschien ein Lächeln auf seinen Lippen. Es war unmöglich, es nicht zu erwidern. Ein warmes Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus und mein Herz begann schneller zu schlagen, wie es eigentlich sollte. Nur ein Blick, ein Hauch eines Lächelns und mein Körper reagierte.Ich zwang mich, meinen Blick abzuwenden und zu Ben und den anderen herüber zu sehen. Dieser unterhielt sich mittlerweile mit Mark. Der Lautstärke nach diskutierten sie eher.
„Über was seid ihr so uneinig?", wollte ich von den Jungs wissen, als wir zu ihnen stießen. Ich hatte nur heraushören können, dass es irgendetwas mit dem Stück zu tun hatte.
„Ich habe Mark vorgeschlagen, die Rollen zu tauschen, da er mit seinem Text ja solche Schwierigkeiten hat", erklärte uns Ben, dem zuzutrauen war, diesen Seitenhieb mit voller Absicht ausgeteilt zu haben. Die Rolle des Sir Augustus war heiß begehrt und seit Beginn unserer Proben ein Streitpunkt. Der Grund: Ein Kuss der Lady Seraphin. Samuel und ich wollten dieses Detail aus dem Stück rausschreiben, doch die Mehrheit hatte uns überstimmt. Sehr zu meinem Leidwesen. Mark war nicht hässlich, sogar ganz hübsch, aber es waren schlichtweg nicht seine Lippen, die ich küssen wollte.
„Ich hab ihn geübt – also kannst du noch lange warten, Ben!", erwiderte Mark mit einem überlegenen Funkeln in den dunklen Augen.
Kurz darauf konnten wir uns davon überzeugen, ob das tatsächlich der Fall war. Nachdem der erste als auch zweite Akt geprobt wurde, waren Mark, Natalie und ich an der Reihe. Natalie spielte die Antagonistin des Stückes (recht ironisch in Anbetracht unserer Freundschaft). Unser Schauort war ein Ball Ende des 18. Jahrhunderts. Natalie in der Rolle der Lady Marrian verkündete die angebliche Verlobung mit Sir Augustus. Ich bekam davon Notiz und veranstaltete daraufhin eine Szene. Es endete damit, dass Sir Augustus Lady Marrian wegschickte und mich bat, ihn nach draußen auf den Balkon zu begleiten.
Bis dahin lief alles gut. Mark begann seine Ansprache an seine geliebte Lady Seraphin. („Seraphin, ich hätte niemals erwartet, dass Lady Marrian-") und stoppte abrupt. Sein zuvor selbstsicherer Blick wurde unsicher und er fuhr sich fahrig durch das blonde Haar.
„Tut mir leid, Leute! Ich hab den Text vergessen. Vielleicht bin ich doch nicht für so eine große Rolle geeignet", seufzte er niedergeschlagen. Irgendwie tat er mir ja leid. Vor allem, als von den anderen einige "Oh's" kamen und Ben „Von wegen du kannst deinenText" rief.