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„Hey, Eden, Süße, du musst unbedingt etwas mit deinem Gesicht machen."
„Genau auf die Weise möchte natürlich jeder nach einem langen Tag begrüßt werden, Cherry", erwiderte ich auf die Worte der großen Blondine, als ich mich zu ihr in die Umkleide gesellte. Bis auf sie waren noch zwei weitere Mädchenen anwesend. Während die eine ihr Makeup vor einem der Spiegel nachfrischte, tauschte die andere vollkommen ungeniert ihre Straßenkleidung gegen ein aufreizendes Dessous aus. Ich wandte meinen Blick sofort von ihr ab und sah zu Cherry.
„Kannst du mir helfen? Wenn Markus auch nur ein bisschen Blau durchschimmern sieht, rastet er aus." Markus gehörte das Lure und für einen Mann, der halbnackte Mädchen für sich tanzen ließ, war er ziemlich in Ordnung. Immerhin hatte er mich noch um keine Gefälligkeiten gebeten oder sich mir aufgedrängt.„Klar, Süße, setzt dich hin. Ein paar Handgriffe und du bist wieder die begehrenswerteste Frau hier." Cherry zwinkerte mir verschmitzt zu und deutete anschließend auf einen der Stühle.
Keine zwanzig Minuten später stand ich vor einem der Spiegel, ohne jedoch wirklich hineinzusehen. Denn ich wusste, was ich sehen würde. Und es gefiel mir nicht. Die junge Frau im Spiegel hatte zwar die gleichen blauen Augen wie ich, aber sonst ähnelte sie mir in keinster Weise. Das lange blonde Haar war einer braunen Perrücke gewichen und schwarze, spitzenbesetzte Reizunterwäsche bedeckte gerade so das Nötigste. Als wäre das nicht schon schlimm genug, steckten die Füße in High-Heels, deren Absätze mörderische 20cm betrugen.
Nach etlichen Stunden auf der Bühne konnte ich mich mittlerweile sicher auf den Beinen halten mit den Dingern, aber heute Abend fürchtete ich um mein Gleichgewicht. Ich hatte in der Nacht kaum geschlafen und dank Mr. Cole hatte ich keine Gelegenheit gehabt, ihn nachzuholen. Nach dem heutigen Tag war er definitiv unten durch bei mir.
Mit einem unmotiviertem Seufzen drehte ich mich vom Spiegel und somit dem verzerrten Abbild meiner Selbst weg, um anschließend das Herzstück des Lure zu betreten. Es war Zeit, Geld zu verdienen.
Mein Körper bewegte sich - lasziv und dem Takt folgend -, doch mein Geist hatte sich in dem Moment verabschiedet, als ich die Bühe betreten hatte. Nur auf diese Weise konnte ich die folgenen Stunden überleben, ohne mich aus Ekel vor mir selbst übergeben zu müssen. Ich ertrug alles. Ich ertrug die gierigen Blick der Männer, die jeden Zentimeter meines knappbekleideten Körpers mit den Augen musterten. Ich ertrug es, wenn sich mir eine Hand entgegenstreckte, um mir ein paar Dollar in den Bund meines Schlüpfers zu stecken. Aber nicht einmal ich konnte die Demütigung ertragen, die mich in dieser Nacht erwarten sollte.
Es war kurz nach zwei, als ich meine erste Pause antrat. Doch kaum hatte ich die Bühne verlassen, da stellte sich mir ein Mann entgegen. Groß und ebenso gutaussehend wie betrunken. Mein erster Gedanke war, ihn zu ignorieren und einfach an ihm vorbeizugehen, aber ich entschied mich dagegen. Wenn ich mich mit ihm gutstellte, ließe er sich vielleicht auf einen Lapdance ein und das bedeute mehr Geld, das wir unbedingt brauchten.
„Hey, schöne Frau! Wo gehst du denn hin?" Er kam einen Schritt auf mich zu und ich wäre am liebsten einen zurück gegangen. Stattdessen unterdrückte ich mein Bedürfnis nach Abstand und beugte mich mich zu ihm vor.
„Das kommt ganz darauf an, was du von mir willst", raunte ich ihm leise und verführerisch ins Ohr.
„Ich will nichts von dir", sagte er ernster als ich es für möglich gehalten hätte. „Zuhause wartet eine wunderschöne Braut auf mich, aber mein Freund Jared, der könnte eine kleine Ablenkung gebrauchen."