Hey hey!
Es gibt einen neuen OneShot, was schon lange überfällig ist. Ich kann leider nicht versprechen, dass die OneShots jetzt wieder regelmäßiger kommen, da ich erstmal etwas Ordnung in mein Leben bringen muss.
Für diesen OS wünsche ich euch ganz viel Vergnügen beim Lesen. :)Liebe Grüße, Aura
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Der Regen prasselte unaufhörlich auf mich herab. Dass ich dennoch trocken blieb, verdankte ich dem großen,roten Regenschirm über meinem Kopf. Während andere Menschen schnellstmöglichst einen trockenen, warmen Ort aufsuchten, ging ich in aller Ruhe die Straße entlang. Rechts von mir fuhren die Autos in einer rasenden Geschwindikeit vorbei, aber das Einzige, was ich wahrnahm, war das beruhigende Trommeln der Regentropfen auf meinem Schirm. Es gab kaum ein schöneres Geräusch.
Bis auf eines vielleicht. Die Stimme des Menschen, an den ich eigentlich nicht mehr denken wollte. Zu Spät. Kaum hatte ich an ihn gedacht, war es schlichtweg unmöglich, ihn so schnell wieder aus meinem Kopf zu bekommen. Jonathan Steiner. Nicht mehr regelmäßig in seinem Unterricht zu sitzen, in den Genuss seiner unverkennbaren Stimme und dieses atemberaubend schönem Lächeln zu kommen, setzte mir auch noch Monate nach meinem Schulwechsel zu.
Er hatte mich nicht an diesem schrecklichen Ort halten können, der mich beinahe vernichtet hätte. An meiner neuen Schule dagegen ging es mir gut. Dort hatte ich von vorne beginnen können. Herr Steiner fehlte mir natürlich trotzdem. Er war der einzige Lichtblick an meiner alten Schule gewesen, aber schlussendlich hatte er nicht hell genug gestrahlt, um mir einen Weg durch diese scheinbar ausweglose Dunkelheit zu zeigen.
Eine Fußgängerampel, die soeben auf Rot geschaltet hatte, zwang mich zum Stehen. Über mir trommelte weiterhin der Regen, bis er auf einmal an Intensität abnahm und schließlich vollens verstummte. Ich ließ meinen Regenschirm sinken und schloss ihn, um anschließend festzustellen, dass auf der anderen Straßenseite ebenfalls jemand wartete. Es war ein hochgewachsener Mann. Mit der einen Hand hielt er den rabenschwarzen Regenschirm, die andere hatte er in der Tasche seines dunklen Mantels vergraben. Sein Gesicht konnte ich dank dem Regenschirm nicht sehen.
Ich wusste nicht weshalb dieser Mann meine Aufmerksamkeit eingenommen hatte. Normalerweise schenkte ich den Menschen auf der Straße nicht besonders viel von eben jener. Dieser Mann jedoch ... ich spürte, wie mein Herz begann, etwas schneller als gewöhnlich zu schlagen. Aufregung machte sich in mir breit, von der ich nicht wusste, was sie auslöste.
Wie gefesselt beobachtete ich, wie er den Regenschirm beinahe quälend langsam sinken ließ, um ihn zu schließen. Im selben Moment passierten zwei Dinge gleichzeitg. Mein Herz blieb für einen Bruchteil der Sekunde stehen, um anschließend wie verrückt gegen meine Brust zu schlagen. Wie wahrscheinlich war es, dass ich ausgerechnet ihm in dieser Stadt, an eben dieser Ampel, genau zu diesem Zeitpunkt begegnete? Gab es solche Zufälle überhaupt?
Zeitgleich schaltete die Ampel auf grün. Ich hätte ihn beim Vorbeigehen ansehen und ihm „Hallo" sagen können. Anstelle dessen trugen mich meine Beine beinahe wie von selbst über die Straße. Den Blick hatte ich stur auf den Boden gerichtet, obwohl ich nichts lieber getan hätte, als ihn noch einmal anzusehen. Für einen winzigen Augenblick glaubte ich, seine Wärme zu spüren, als ich an ihm vorbeiging. Es war nicht einmal eine Sekunde, doch es reichte aus, um mich an meinem Gleichgewicht zweifeln zu lassen.
Die gewaltige Enttäuschung kam, sobald ich mit beiden Füßen auf der anderen Straßenseite stand. Herr Steiner war nicht stehen geblieben. Er hatte kein Wort fallen lassen. Vielleicht hatte er mich nicht einmal erkannt.
In meinem Kopf kehrte Chaos ein. Ich hatte nicht mehr an ihn denken wollen, aber wie konnte ich nicht, vor allem jetzt, da ich ihn gesehen hatte. Ich hätte ihn ansprechen können. Nein, müssen! Jetzt war es zu spät. Ein kurzer Blick über die Schulter verriet mir, dass er schon längst weg war.
Traurig darüber, diese Gelegenheit verstrichen zu haben, brachte ich den restlichen Weg zur Haltestelle hinter mich. Kaum stand ich mit einem Fuß im Bus, den ich gerade noch so erwischt hatte, spürte ich, wie sich etwas Kühles um mein Handgelenk legte. Erschrocken blickte ich nach hinten und erstarrte ich selben Moment.
„Herr Steiner?", kam es mir vollkommen perplex über die Lippen.
Dieser atmete schwer und brauchte einen kurzen Moment, um sich zu sammeln, bevor er zu sprechen anfing. „Steig bitte nicht ein, Cara."
Es fiel mir ungemein schwer zu realisieren was soeben passierte, weshalb ich mich auch bereitwillig von Herr Steiner mitziehen ließ - weg vom Bus und den gaffenden Leuten. Noch immer lag seine große Hand um mein Handgelenk, das aufgrund seiner Berührung angenehm kribbelte.
„Es tut mir leid, dass ich dich regelrecht überfalle. Ich wollte mich eigentlich aus deinem Leben raushalten, aber dann habe ich dich dort an der Ampel stehen sehen und habe beinahe den größten Fehler meines Lebens gemacht ..." Er hielt für einen kurzen Moment inne und sah mir direkt in die Augen. In seinen stahlgrauen Augen tobte regelrecht ein Sturm. Herr Steiner schien tatsächlich nicht weniger aufgregt zu sein, wie ich.
„... Dich gehen zu lassen", beendete er seinen Satz und entfachte damit ein Feuerwerk der Glückseeligkeit in meinem Inneren.
Ehe ich darüber nachgedacht hatte, hatte ich mich auf die Zehenspitzen gestellt und meine Lippen auf die von Herr Steiner gelegt.
„Man, Cara, wo bist du denn mit deinen Gedanken? Träumst du etwa schon wieder vor dich hin?"
Die Realität war ernüchternd. Ich saß im Bus, den Kopf an die kühle Scheibe gelehnt und die Augen geschlossen. Neben mir eine meiner neuen Freundinnen. Und in meinem Inneren ein Wunsch, der nie in Erfüllung gehen würde.