Kapitel 5: Die Reise beginnt

58 6 4
                                    

Tummy

Kauernd liege ich da. Das Zeitgefühl habe ich schon längst verloren. Dafür nicht meine inneren Stimmen. Die Stimme, die förmlich schreit. Eine Stimme, die mich tröstet und sagt, es sei nicht so schlimm. Eine Stimme, die denkt es sei ein Scherz. Und eine Stimme, die nur weint. Und die Schlimmste davon ist die tröstende Stimme.

Es wird nicht so schlimm sein wie du denkst. Kopf hoch das Leben geht weiter. Jetzt ist noch nichts verloren.

Doch. Alles ist verloren. ICH habe alles verloren. Meine ganze Familie. Mein zu Hause und ein Stück von mir. Und da ist schon die nächste Stimme.

Dein Vater macht nur einen Spaß. Bald wird er aus der Tür kommen, dich tröstend in den Arm nehmen und sagen es wäre nur ein Scherz und das wollte er nicht.

Aber ich würde meinen Papa nie mehr sehen. Er würde mich nie mehr in den Arm nehmen und würde mich niemals mehr trösten

Wärst du nicht weggegangen hättest du ihm helfen können. Die Evastochter ist schuld. Von wegen süß. Gemein hinterlistig. Genauso wie der Adamssohn. Wäre die Evastochter nicht da gewesen, hätte er dich nicht fortgeschickt.

Nein. Sei still. Schweig! Die süße Evastochter kann nichts dafür. Ich bin schuld. Ich bin schuld. Ich allein. Nur wegen mir ist das passiert. Ich möchte so nicht mehr weiterleben. Nicht so. Nicht mit den Stimmen. Nicht ohne mein zu Hause. Nicht ohne meine Familie. Nicht mit diesen Schuldgefühlen. Und vor allem möchte ich nicht als Tummy weiterleben. Die vorige Tummy ist zerstört, verschwunden und ertrunken wegen dieser Last.

Der Dolch, der Dolch da! Nimm ihn! Und ramme ihn dir in dein schon zerbrochenes Herz.

Nein, das kann ich nicht. Die süße Evastochter. Sie braucht mich. Sie hat schon einen Freund verloren.

Und was ist mit dir? Denk mal an dich und nicht an die 'ach so tolle' Evastochter! DU hast deine Familie verloren. DU hast dein zu Hause verloren. DU hast dein altes Leben verloren. DU hast dein altes ich verloren!

Aber...

Kein aber. Bereite es ein Ende. Mit dem Dolch. Nur ein kurzer Schmerz, aber der ist allemal besser als den Schmerz den du jetzt dein ganzes Leben mitschleppen wirst.

Meine schwitzende Hände greifen zittrig nach dem Dolch. Sie spüren das kalte Metall und das Leder. Mein Zeigefinger streicht an der scharfen Klinge.
Gut, der Dolch ist scharf. Und der Schmerz in meinem Finger, wie schön er ist. Er lenkt mich so wunderbar von der eigentlichen Schmerzquelle ab.
Ich richte schon fest entschlossen den Dolch zu meiner Brust.

Plötzlich durchfährt ein schriller Schrei die bedrohliche Stille.Und mein Name wird gerufen. Und der Name meines Vaters. Herr Tumnus. Dann stelle ich alles auf Durchzug. Ich will diese Welt nicht mehr. Ich vergrabe mein Gesicht in meine Hände und merke nicht einmal, wie jemand mich in eine Umarmung zieht.
,,Hey! Tummy!", ein Schluchzer folgt. ,, Ich brauche dich! Ich brauche eine starke, eine fröhliche und lustige Tummy. Ich brauche eine Freundin." Ich richte meinen Kopf hoch und blicke in ein tränenverschmiertes Gesicht. Ein Gesicht, das ich jetzt brauche. Ein Gesicht, das mir Halt gibt. Ein Gesicht, dem ich Halt geben kann. Das Gesicht von der süßen Evastochter.

Ich muss jetzt stark sein. Mit neuer Entschlossenheit stemme ich mich hoch und schaue verwundert in vier Gesichter.

Eines kenne ich. Und noch eins. Doch wer sind die anderen zwei? Lucy stellt ihre Geschwister vor: ,,Das ist Peter, der älteste von uns. Diese Schönheit heißt Susan und meinen anderen Bruder Edmund kennst du ja schon." Ich nicke alle freundlich zu und bringe ein schiefes Grinsen zu Stande. Alle schweigen, denn niemand weiß, was er sagen soll. Oh, Aslan! Wie sehr hasse ich Schweigen! Wie sehr hasse ich Stille! Wie sehr hasse ich es, wenn niemand weiß was er sagen darf." Bevor ich noch ausraste, murmelt Susan bedrückt: ,,Was ist denn, hier passiert?"

Für Immer VereintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt