Kapitel 2: Gefangen im goldenen Käfig

107 8 4
                                    

Ori

Klirrend treffen die Schwerter aufeinander. Mit einer Drehung meines Oberkörpers befreie ich meine beiden Doppelschwerter. Erneut schlage ich zu. Zufrieden stelle ich fest, dass mein Gegner einen Schritt zurückweichen muss. Er ist schon müde. Seine Abwehr kommt immer langsamer. Dies nutze ich aus. Mit einer schnellen Bewegung täusche ich einen Dachschlag an. Mein Gegenüber reißt seine Schwerter nach oben um meine abzufangen. Doch im letzten Moment ändere ich meine Bewegung und stoße mein Schwert Richtung Herz. Kurz bevor ich ihn berühre, stoppe ich. Ich grinse. Gewonnen! Schon wieder. Der Zentaur vor mir bemerkt erst jetzt, dass ich ihn gerade fast getötet habe. Geschlagen tritt er einen Schritt zurück. Er atmet heftig und unkontrolliert. Sein schwarzer Pferdekörper glänzte vor Schweiß. Ich hingegen bin überhaupt nicht angestrengt.

Die Menge um uns herum jubelt. Eigentlich sollte das ein Training sein. Aber immer wenn ich gegen einen der besten Kämpfer meines Vaters antrete, versammelt sich jeder um uns. Alle wollen der Tochter des Generals beim Training zuschauen. Ich schaue mich um. Der Großteil der Zuschauer sind Zentauren. Sie sind wahrscheinlich stolz auf mich. Seine eigene Spezies hat man halt gern. Aber es sind auch andere Wesen anwesend. Ein Greif sitzt etwas abseits und beobachtet mich aufmerksam. Einige Faune sind auch dabei. Ihre Ziegenbeine mit den gespaltenen Hufen klappern am Boden. Auch zwei Minotauren befinden sich im tobenden Publikum. Die Mischungen aus Stier und Mensch reden gerade angeregt miteinander. Zwerge dürfen natürlich auch nicht fehlen. Die kleinen Kerle mit langem Bart haben ein mürrisches Gesicht aufgesetzt. Also eigentlich wie immer. Die Leoparden liegen gelangweilt daneben. Auch Bären und andere sprechende Tiere haben mir zugesehen.

Ich galoppiere im Kreis, um mich bejubeln zu lassen. Wie immer genieße ich es im Mittelpunkt zu stehen. Gleichzeitig fordere ich einen neuen Gegner. Einer der Minotauren kommt zu mir in die Mitte. Jetzt muss ich mich konzentrieren. Es ist ja nicht so, dass ich nicht die besten Zentauren mit Leichtigkeit schlage, aber ein Minotaur ist ein anderes Kaliber. Sie haben eine gewaltige Kraft. Als würde seine große Doppelaxt nichts wiegen, schwingt er sie im Kreis. Mit leicht gerunzelter Stirn und zusammengekniffenen Augen stelle ich mich gegenüber von dem Minotaur. Ich muss schneller sein als er. Das ist mein Vorteil. Ein anderer Zentaur steht zwischen uns. ,,3, 2, 1. Der Kampf beginnt!", eröffnet er den Kampf.

Ich tänzele um ihn herum. Als der Minotaur mit einem bestialischen Schrei auf mich zukommt, weiche ich ihm gekonnt aus. Dieses Spiel wiederhole ich noch ein paar Mal.  Beim nächsten Mal weiche ich wieder zur Seite aus, kreuze aber ein Schwert mit seiner Axt. Die Kraft des Minotauren drückt meinen Arm hinunter. Doch er hat mein zweites Schwert vergessen. Mit diesem will ich zustechen. Aber ich habe die Schnelligkeit meines Gegners unterschätzt. Er schwingt die Axt im Kreis. Meine schnelle Reaktion rettet mich. Gerade noch rechtzeitig ducke ich mich. Als nächstes führt mein Gegenüber einen Dachschlag aus. Gekonnt wehrte ich ihn mit gekreuzten Klingen ab. Doch die Kraft, die er in diesen Schlag gesteckt hat, war so groß, dass ich es gerade so aushalten kann. Nun bin ich in der Defensive. Das gefällt mir nicht. Mein Motto lautet nämlich: ,,Angriff ist die beste Verteidigung." Doch gerade kann ich nicht angreifen, ob ich will oder nicht. Ich muss sogar ein paar Schritte zurückweichen. Mein Pferdekörper glänzt schon vor Schweiß. Aber dann habe ich eine Idee. Mühsam unterdrücke ich ein gemeines Grinsen. Bei dem nächsten Schlag geben meine Beine nach. Ich ducke mich unter die Axt hindurch und erwischte den Minotaur mit meinem Schwert an der Brust.

Schon wieder gewonnen. Diesmal war es aber knapp. Trotzdem kann mich keiner besiegen. Der einzige, der mich schlagen könnte, ist mein Vater. Ich stehe auf und grinse in die Runde. Ich atme schwer. Aber auch mein Gegner keucht, wie ein Walross. Noch immer grinsend verabschiede ich mich und gehe in mein Zelt.

Das Lager der Narnianen ist groß. Überall stehen Zelte. Meines ist eines der größten und steht etwas abseits. Auf dem gelben Zeltstoff ist ein großer roter Löwe abgebildet. Sein Wappen. In meinem Zelt habe ich Ruhe und alles, was ich brauche. Das ist eines der vielen Privilegien als älteste Tochter des Generals. Ich gehe zu dem Spiegel, der auf der gegenüberliegenden Seite meines Zeltes steht. Ich betrachte mein Spiegelbild.

Meine strohblonden Haare sind ein einziges durch einander. Das Kämpfen hat meinen schönen Locken nicht gut getan. Meine haselnussbraune Augen leuchten vor Freude und Abenteuerlust. Meine Wangen sind von der Andtrengung gerötet. Meine Ohren sind genau wie, die der anderen Zentauren. Eine Mischung aus Menschen- und Pferdeohren. Meine hohen Wangenknochen prägen mein schönes Gesicht. Das energische Kinn gibt mir das gewisse Etwas. Die Tatsache, das ich die Tochter von Oreius bin, verleiht mir genug Respekt. An meiner gebräunten Haut kann man erkennen, dass ich sehr viel in der Sonne bin.

Ich gehe beim Hintereingang vom Zelt hinaus und gehe in den Bach, der dahinter fließt. Er ist eiskalt. Irgendwie logisch. Es ist ja Winter. Ich seufze. Schon seit ich lebe, herrscht der Winter. Eigentlich sogar noch länger. Ich würde so gerne den Sommer spüren. Die Sonne, die meinen Rücken wärmt. Die grünen Wiesen und Wälder. Der reißende Fluss. Aber das alles kenne ich nur aus den Erzählungen meines Vaters.

Ich stehe also in dem Bach, der jeden Tag enteist wird, damit man Wasser holen und baden kann. Langsam lege ich mich in das Wasser. Auch wenn es kalt ist, ist es angenehm, wie das kühle Nass über meinen sandfarbenen Pferdekörper schwappt. Doch jetzt wird mir doch kalt. Langsam gehe ich in mein Zelt und trockne mich mit einem großen Handtuch ab. Mein Pferdekörper ist sandfarben. Die Hinterbeine haben braune Socken. Bei den Vorderbeinen sind es braune Stiefel. Mir gefällt mein Körper. Normalerweise haben Zentauren braunes Fell, manche auch schwarzes. Ich bin etwas Besonderes. Es gibt nämlich sehr selten helle Zentauren.

,,Ori!", ertönt es von draußen. Ich verdrehe die Augen. Schnell werfe ich einen blauen Umhang über meine Rüstung. Ja, ich habe eine Rüstung an. Aber es ist keine von diesen unbequemen Plattenharnische, sondern ein leichtes Kettenhemd. Darüber ist ein ledernes Ding. Ich habe echt keine Ahnung, wie es heißt, aber ich finde es schaut gut aus. Auf meinem Rücken stecken meine zwei Schwerter in überkreuzten Scheiden. So kann ich sie mit einem Griff raus ziehen. Mein Mantel hat auch ein Loch für einen Köcher, doch gerade liegt der mit meinem Bogen auf dem Bettlager. Der Umhang fällt über meinen Pferdekörper und endet bei meinem braunen Schweif.

Ein ungeduldiges Seufzen war zu hören. ,,Komme ja schon! Brauchst nicht gleich ungeduldig werden.", rufe ich hinaus. Gemächlich trotte ich aus dem Zelt. Er braucht gar nicht glauben, dass ich mich extra beeile. Als ich draußen bin, sehe ich einen großen Zentaur. Er ist der größte den ich kenne. Sein kastanienbraunes Fell glänzt in der kalten Wintersonne. Sein Oberkörper steckt in einer silbernen Rüstung. Auch der Pferdekörper hat eine Lederrüstung. Zwei Schwerter sind jeweils auf einer Seite befestigt. Die schwarzen langen Haare fallen über seine Schultern. Seine abstehenden Ohren sehen aus wie eine Mischung aus Menschen- und Pferdeohren. Die markanten Gesichtszüge muss ich von ihm haben. Auch seine braunen Augen habe ich geerbt. Der Zentaur, der vor mir steht, ist nämlich mein Vater Oreius, General der narnianischen Armee und seine rechte Hand.

,,Na endlich! Ich habe nicht ewig Zeit!", schnaubt mein Vater. ,,Ich habe eine Aufgabe für dich. Du bist die beste Kriegerin!" Er hat mich gelobt! Das tut er eigentlich nie. ,,Damit du nichts verschwendest, lernst du den jungen Kämpfern ein paar Techniken." Natürlich muss er es gleich wieder entschärfen. Ich seufze. Das macht doch keinen Spaß. Mein Vater hat meinen Seufzer gehört und weiß, was ich denke. Streng schaut er mich an. ,,Das ist ein Befehl! Ist dir das klar?", will er von mir wissen. Artig nicke ich. Eigentlich müsstest du mich besser kennen. Aber du bist immer anderweitig beschäftigt. Der General wendet sich wieder ab und lässt mich stehen.

Ich gehe zum erstbesten Zentaur und befehle ihm: ,,Unterrichte die jungen Krieger! Das ist ein Befehl von meinem Vater!" Dann galoppiere ich davon. Vorbei an den ganzen Zelten. Meine Hufe berühren kaum den schneebedeckten Boden. Am vereisten Fluss bleibe ich stehen. Ich genieße die Stille des Waldes. Ich schaue den Wasserfall hoch. So etwas Mächtiges ist eingesperrt. Manchmal fühle ich mich genauso. Eingesperrt. Ich kann mich nicht frei bewegen im Lager. Ich kann nicht ich selbst sein. Immer muss ich die Tochter des Generals sein. Immer muss ich würdevoll und selbstbewusst rüberkommen. Nie kann ich machen, was ich will. Nur hier draußen in der Natur und beim Galoppieren fühle ich mich frei. Nur dann kann ich, ich sein.

Wie findet ihr diese Figur?
Es werden immer abwechselnd Kapitel kommen.
Freuen uns über jeden Kommentar
♡eure labazow

Für Immer VereintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt