Kapitel 36: eine einsame Träne

27 3 4
                                    

Manche Leute sagen, ich sei stark. Ich sei immer gut drauf. Ich sei immer lustig. Ich sei immer fröhlich. Ich würde aber auch schnell zu weinen beginnen. Da haben diese Leute nicht ganz unrecht. Ich weine fast immer, wenn es traurig ist. Wenn andere Leute weinen. Wenn ein Vogel abstürzt. Ja, sogar wenn ich Zwiebeln von Entfernung sehe. Und natürlich bei einem tragischen Verlust. Außer jetzt. Jetzt wo Tränen angebracht sind. Jetzt. Jetzt weine ich aber nicht. ich habe nicht geweint, wie ich Ori tot am Boden gesehen habe. Ich habe nicht geweint, als ich neben der Leiche meiner besten Freundin gelegen bin. Ich habe nicht geweint, wie mich meine Freunde besorgt angeschaut haben. Ich habe nicht geweint, als mich die anderen von dem leblosen Zentaurkörper wegreißen wollten. Ich habe nicht geweint, wie sie mich davongezogen haben. Ich habe nicht geweint. Obwohl ich einfach nur weinen will.

Nun sitze ich hier. Hier bei den vielen Zwiebeln. Ich schneide schon eine ganze Weile dieses Gemüse für das Krönungsessen. Die Zwiebelstückchen stapeln sich schon und jeder meint das wäre viel zu viel. Doch ich schneide weiter. Davon überzeugt, dass eine einzige Träne meine Wange hinunterkullert. Überzeugt, dass wenigstens die Zwiebel mich weinen lässt. Überzeugt, dass ich der leeren und staubigen Wüste in meinen Tränendrüsen entfliehen kann.

Doch irgendwann hören die Zwiebeln auf. Doch meine Leere bleibt.

Müde von meinem Leben stehe ich auf und gehe träge aus mein Zelt. Wasser strömt aus einer dicken und schwarzen Wolke. Donnergrollen versetzt die Wesen in Panik. Innerlich verfluche ich diesen Regen. Warum kann er um die Toten trauern und ich nicht?

Die Wesen laufen mit geducktem Körper wieder in ihre Zelte. Doch anstatt schnell wieder in mein Bett zu huschen, stapfe ich durch den Matsch. Einfach weg. In wenigen Sekunden ist meine ganze Kleidung ungemütlich nass. Doch ich drehe nicht um. Zu sehr ist mein Kopf vernebelt. Ich denke nichts. Ich spüre nichts. Ich weine nicht. Es fühlt sich an wie als wäre ich in Watte eingehüllt. So laufe ich verirrt durch den Regen. Ich kann mich nicht erinnern wie lange ich so gehe, Fakt ist, dass ich dort bin, wo ich nicht sein wollte. Vor Oris Zelt. Ich wollte weglaufen, ich wollte verschwinden, egal wohin. Doch ich kann mich selbst nicht mehr beherrschen. Ich schleiche mich einfach hinein. Warum bin ich hier????

Traurig lege ich mich in ihr unordentliches und benutztes Bett. Doch schon springe ich wieder auf. Es riecht nach Ori. Ich brauche nicht einmal die Augen schließen um zu sehen, wie Ori in ihrem Zelt geschlafen hat. Sie wälzt sich in ihrem Bett, schmeißt dadurch die Decke hinunter und sie verwuschelt ihre Haare. Alles war schön und gut, bis ich ihr Gesicht sehe. Verkrampft zieht sie ihre Augenbrauen zusammen und sie beißt sich die Lippen blutig. Schnell laufe ich zu ihr, will sie umarmen. Sie sanft aufwecken, dass es ein Alptraum ist, doch als ich sie berühren wollte, verschwindet sie.

Und ich? Ich plumpse wieder auf den Boden der Tatsache. Ori ist tot.

Am Boden des Zeltes sind all ihre Klamotten zerstreut, als wäre sie überstürzt aufgebrochen. Dann wendet sich meine Aufmerksamkeit auf den Tisch. Nichts Ungewöhnliches zu finden, außer ein Medaillon. Das goldene Medaillon, welches sie hatte, als ich sie unter dem Baum habe weinen sehen. Das Schmuckstück, welches eine große Bedeutung haben muss. Ich starre das Ding an, als würde es im nächsten Moment mit mir sprechen. Doch das ist natürlich nicht der Fall. Stattdessen sehe ich jetzt wieder meine Freundin, die vom Bett aufsteht und sich das Gesicht wäscht. Dunkle Augenringe und ihre zerzausten Haare zeigen, dass sie schlecht geschlafen hat. Sie mustert sich selbst im Spiegel und schlägt blind vor Wut auf ihr Spiegelbild. Dann sinkt sie zu Boden und weint. Sie weint jämmerlich vor meinen Augen. Ich wollte sie trösten, doch ich wusste, wenn ich es machen würde, würde sie für immer verschwinden.

Dann fasst die Zentaurenfrau an ihren Hals und zieht das goldene Medaillon aus dem Ausschnitt ihres T-Shirts hervor. Das Medaillon, das nun in meiner Hand ist. Ori mustert das kostbare Schmuckstück und murmelt ein Wort vor sich hin, während sie sich den goldenen Anhänger an ihre Brust drückt. Das Wort, was sie murmelt, kann ich nicht verstehen. Darum gehe ich näher zu der zerbrechlichen Gestalt am Boden. Doch bevor ich es hören konnte, richtet sich meine tote Freundin wieder auf und geht nun zum Tisch. Dorthin legt sie ihr Medaillon und greift nach Feder und Tinte. Schnell schreibt sie auf ein Blatt Papier. Doch im nächsten Moment bricht sie wieder in Tränen aus und zerreißt das Blatt. Langsam fliegen die Papierstückchen auf den Boden. Ich schaue ihnen nach und wollte dann zur Ori gehen. Doch sie ist verschwunden. Und mein Gefühl sagt mir, ich würde sie nie wiedersehen, egal wie sehr ich es mir einzubilden versuche.

Dann richtet sich mein Blick auf den Boden. Verwirrt reibe ich meine müden Augen. Dort am Boden beim Tisch liegen Papierfetzten. Mit einem hastigen Sprung bin ich schon bei ihnen und hebe den größten Zettel auf. Auf diesen zerrissenen Blatt stehen nur zwei Wörter. Zwei Wörter, die mich noch mehr trauern lassen.

In gekritzelter Handschrift steht:

Entschuldigung, Tummy!

Ich spüre wie eine, eine einzige, Träne meine Wange hinunterkullert. Sie wollte sich bei mir entschuldigen. Es tut ihr leid! Sie sieht, nein sah, mich noch als ihre Freundin. Warum muss es jetzt zu spät sein? Warum muss sie tot sein? Auch wenn ich noch viel trauriger als zuvor bin, schaffe ich es, außer dieser einen Träne, nicht zu weinen. Egal wie sehr ich es versuche, es klappt nicht. Mit zittriger Hand nehme ich mir die selbe Feder und die selbe Tinte, die Ori benutzt haben muss. Unter diese zwei berührenden Worte schreibe ich etwas dazu.

Ich habe dir schon lange vergeben, meine Freundin!

Dann kommt ein Wind, erfasst den Zettel und lässt diesen Brief an meine Freundin in die Ferne verschwinden. Vielleicht kommt dieser Zettel eines Tages in das schöne Narnia an. Doch das kann ich nicht wissen, denn ich bleibe alleingelassen von meiner Freundin zurück in dieses tränenloses Leben.

___________________________________________

Da, das nächste Kapitel!

Ich bitte euch um weitere Kommentare. Das wäre sehr schön, denn ich habe gerade wirklich keine Ahnung, wie dieses Kapitel geworden ist.

Konntet ihr euch in Tummy hineinversetzen?

Fandet ihr gut, dass Ori gestorben ist?

Wenn ja, warum?

Wer wird Ori, außer mir und Tummy noch vermissen?

Was fandet ihr super an den zwei Charakter?

Entweder heute noch oder spätestens morgen kommt das nächste und das letzte Kapitel. (Buhu, da geht es schon wieder zu Ende)

Eure Tummywriterin

Für Immer VereintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt