Kapitel 20: Gefühlschaos

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Ori

Hoffnungsvoll starre ich Tummy an. Ich kann sie nicht verlieren. Ich kann einfach nicht! ,,Bitte!", flehe ich leise. Verzweifelt suche ich nach einer Reaktion in ihren Augen. Auf einmal springt sie auf und rennt davon. Sie rennt vor ihrer Freundin weg. Echt erbärmlich! Sie hat Angst vor mir. Tränen steigen in meine Augen. Ich halte sie nicht zurück. Ich habe gerade meine erste richtige Freundschaft zerstört. Ich habe alles kaputt gemacht. Tummy war die Erste, die nicht von meiner harten Seite abgeschreckt wurde. Sie hat nicht aufgehört, mich zu nerven mit ihrer lustigen Art. Immer hatte sie einen Spruch parat, um mich aufzuheitern. Die Tränen hinterlassen eine nasse Spur auf meiner Wange.

Unter dem Tränenschleier sehe ich, wie die anderen sich mit einem enttäuschten oder ängstlichen Blick von mir abwenden. Mir ist alles egal. Seit sie nicht mehr ist, bin ich immer alleine gewesen. Bis ich Tummy getroffen habe. Sie war die Erste, die versucht hat, herauszufinden, wer ich wirklich bin. Lange dachte ich, dass ich sie nicht mag. Sie ist nervig, faul, nervig, verfressen, nervig, tollpatschig, nervig, sie redete zu viel. Das alles sind Eigenschaften, mit denen ich nicht klarkomme. Aber sie ist auch fröhlich, durch nichts unterzukriegen, einfühlsam. Ja, wer hätte gedacht, dass Tummy einfühlsam sei. Sie hat einfach alles, was sich eine Freundin wünscht. Gestern haben wir so viel Spaß gehabt. Und ich habe alles vermasselt. Verzweifelt lasse ich mich auf den sandigen Boden fallen.

Was war nur los mit mir?

Meine Erinnerungen sind alle so verschwommen. Das einzige, an das ich mich klar erinnere, ist, wie ich mein Schwert auf Tummy richte. Alles andere ist unscharf, verschwommen, nicht da. Angestrengt versuche ich herauszufinden, was ich gemacht habe und warum. Mein Kopf brummt. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Noch immer weiß ich nichts. Es ist zum Verzweifeln! Frustriert schreie ich auf. Mit meiner Faust schlage ich auf den Boden. Ich brülle all meine Gefühle in den Himmel. All die Verzweiflung, die Frustration, die Verwirrung, die Ungewissheit. All meine Angst. Meine Angst wieder alleine zusein. Meine Angst alle enttäuscht zu haben. Meine Angst, dass ich Tummy für immer verloren habe.

Ich schluchze laut auf. Ich schreie meinen Schmerz hinaus. Erschrocken flattern Vögel auf. Ich schreie und schreie bis meine Stimme heiser ist. Meine Schultern beben. Heftige Schluchzer schütteln meinen Körper. Wieder einmal bin ich alleine. Und wieder einmal ist es alleine meine Schuld. Ich habe meine einzige Freundin verscheucht. Ich habe es geschafft, dass meine einzige Freundin vor mir Angst hat. Nur ich bin Schuld. Ich alleine. Diese Gewissheit drückt mich nieder.

Nie wieder werde ich ihr Lachen hören.
Nie wieder wird sie mit verrückten Ideen zu mir kommen.

Ich habe sie für immer verloren. Ich schluchze und schluchze. Warum?! Ich habe alles zerstört. Ich wollte ihr doch nur helfen. Ich wollte ihr lernen, wie sie sich verteidigen kann. Wir können nicht immer beisammen sein. Ich werde Tummy nicht immer beschützen können. Da wollte ich zumindest wissen, dass sie ein bisschen kämpfen kann. Doch ich habe sie vertrieben. Früher als gedacht sind wir getrennt worden. Ich halte das nicht aus! Niedergeschlagen liege ich am Boden.

Ich weiß nicht, wie lange ich schon am sandigen Boden liege. Ich habe alles Zeitgefühl verloren. Sekunden werden zu Minuten. Minuten zu Stunden. Es fühlt sich so an, als würde ich schon eine Ewigkeit da liegen.

Irgendwann stehe ich auf. All meine Tränen sind getrocknet. Keine Tränen kommen mehr nach. Langsam trotte ich in irgendeine Richtung. Wohin, weiß ich nicht, aber es ist mir egal. Mit leerem Blick starre ich um mich herum. Doch kann ich nichts sehen. Es ist unwichtig, was gerade passiert. Das Einzige, das zählt, ist Tummy.

Tummy, die die immer lacht.
Tummy, die immer Spaß, Essen oder Schlafen im Sinn hat.
Tummy, meine ehemalige Freundin.
Tummy, die Angst vor mir hat.

Für Immer VereintWo Geschichten leben. Entdecke jetzt