20. Idiot... Ich danke dir

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Ich wusste ja, dass er am nächsten Tag nicht mehr da sein würde, aber mit einem Brief hatte ich nicht gerechnet. Er hing an unserer Tür, als ich am nächsten Tag zu ihm rüber wollte, obwohl ich mir sicher war, dass er längst wieder verschwunden ist. Trotzdem hatte ich ein wenig Hoffnung, dass ich ihn noch mal kurz sehen kann, bevor er dann wohl erst wieder Montag, Dienstag oder gar erst zur Aufführung wiederkommt.

Doch alles, was ich nun in der Hand halte blieb mir von ihm, bis zu seiner Rückkehr.

Und es vergehen drei Tage, bis ich ihn auf dem Dach öffne.

'Hallo Jane,

einen Brief zu schreiben ist etwas aus der Mode geraten, aber ich finde diese Art dir etwas da zu lassen, sehr passend. Nicht, dass du altmodisch wirken würdest, obwohl das wohl auch nicht negativ wäre, aber ich meine, es eher vom Charme her. Ich bin mir sicher, dass du verstehst, was ich meine und es nicht als Beleidigung wahrnehmen wirst. (Das hoffe ich sehr, haha.)' beginne ich still in mich hineinzulesen und muss dabei lächeln.

Sieht er mich denn wirklich so?

Dass ein Brief zu mir besser passen würde, als eine Whatsappnachricht oder eine E-Mail?

Er zwar weder meine Nummer, noch meine E-Mail Adresse, aber ich hätte ihm sie ja für so etwas geben können. Aber ein Brief ist mir da doch tatsächlich lieber. Es hat etwas persönlicheres, als diese elektronischen Nachrichten, die gerade mal aus ein paar Bits und Bytes bestehen.

Nur bin ich mir nicht sicher, ob diese Art besser zu mir passt. Ich würde nicht gerade sagen, dass ich so viel Charme habe, wie so etwas Persönliches.

'Es tut mir leid, dass ich dich nicht unterstützen kann und hoffe sehr, dass ich dir irgendwann erklären kann, wieso und wohin ich immer verschwinden musste. Vielleicht findest du es auch schon voher von selbst heraus, aber ich hoffe doch, dass ich es dir sagen kann. Ich bin mir sicher, dass du es verstehst, auch wenn du das wohl nicht mögen wirst, was ich tue.'

Was denn bitte?

Ist er etwa kriminell?

Das würde diese Geheimniskrämerei ganz gut erklären, doch es würde nicht zu dem Bild passen, was ich von ihm habe. Er wirkt viel zu nett für so etwas.

Nein, Tom könnte niemals etwas so böses anstellen, dass ich ihn hassen würde. Er hat es als Erster geschafft, dass ich mich bei jemandem wohl fühle und meinen Wunsch von hier zu verschwinden etwas in die Ecke gedrängt habe.

Atlanta ist durch ihn nicht besser geworden, aber viel erträglicher. Und durch ihn habe ich auch einen Grund hier zu sein und noch etwas bleiben zu wollen. Tom ist ein guter Freund geworden, in relativ kurzer Zeit und es freut mich wirklich sehr.

'Jane, ich weiß, dass es schwer ist, aber ich bitte dich um etwas. Hass mich dafür, schrei mich dafür an, wenn wir uns wiedersehen, aber tu es. Besuch deine Mutter. Du liebst sie, sie liebt dich. Es wäre falsch nicht bei ihr zu sein in dieser Zeit. Bevor du es bereust solltest du hin, ich bin in Gedanken bei dir, wenn du dort bist. Mary soll dich begleiten, als er Ersatz für mich, ja? Vielleicht ist es ein wenig viel, was ich von dir verlange, aber du wirst mir dafür danken. Nicht sofort, aber irgendwann...' lese ich und stoppe dann, denn die Sicht verschwimmt.

Ich schließe meine Augen und merke, wie eine Träne über meine Wange rollt.

So ein Idiot... Da hat es sich wieder mit dem mögen.

Wie kann er sowas von mir verlangen?

Reicht es denn nicht schon, dass ich schon genug auf mich einrede und mich zerfetze, weil ich so schwach bin und mich nicht zu ihr traue?

Am liebsten trage ich das Lächeln, welches du mir gibstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt