Wenn ich alle Tage zusammenzählen würde, an denen ich meinen Schlüssel suchen würde, dann würden da bestimmt schon längst mehrere Jahre bei rauskommen. So auch heute wieder. Nur heute suche ich nicht mal, denn ich weiß, dass er in meinem Zimmer auf dem Bett liegt. Und dort liegt er echt gut...
So setze ich mich vor die Tür und starre die Wand gegenüber an.
Als könnte ich dort noch etwas Neues entdecken. Diese Wand und auch ihre Makel kenne ich mittlerweile in uns auswendig.
"Lässt dich keiner rein?" fragt Tom als er gerade die Treppe hinaufkommt.
Ich bewege meinen Kopf ein wenig zu ihm.
"Mein Dad kommt wahrscheinlich erst heute Nacht irgendwann und ich bin zu blöd um an meine Schlüssel zu denken." antworte ich ihm.
"Und deine Mom, geht es ihr gut?" fragt er und kommt zu mir, um sich neben mich zu setzen.
"Die liegt noch im Krankenhaus." antworte ich knapp und senke den Kopf.
"Ist es doch so schlimm?"
"Weder der Arzt, noch mein Dad haben mir etwas gesagt. Mrs. Kruger sollte mich sofort nach Hause fahren, da alles gut wäre und ich mir keine Sorgen machen soll. Meine Mutter käme bestimmt wieder gegen Ende der Woche nach Hause sagten sie, aber wieso erst dann, wenn es angeblich nur eine leichte Kreislaufschwäche wäre?"
"Vielleicht einfach nur zur Beobachtung. Es wird schon nichts sein." sagt er und sagt somit etwas, dass ich nicht mehr hören kann.
Überall hört man ständig, dass bestimmt schon sei oder zumindest nichts Schlimmes, aber was ist wenn doch? Sie wollen einem nur die Angst nehmen und das ist ja nicht schlecht, aber es ist und bleibt für mich ein verschließen der Augen vor allen Möglichkeiten. Es kann auch was sein und es kann sogar was Schlimmes sein.
"Dann hätten sie mir doch was gesagt oder nicht? Dann hätten sie mich kurz mit ihr reden gelassen und mein Vater hätte nicht so nachdenklich gewirkt. Mein Vater ist niemand der in Gedanken versinkt, eher einer, der sie jedem gerne gerade heraus mitteilt." sage ich und schüttel den Kopf.
"Nein, die verheimlichen mir was. Aber danke, mein Dad hat's mir erzählt."
"Kein Problem, das war doch selbstverständlich."
Tom beginnt zu grinsen und sieht zu der gegenüberliegenden Wand.
"Und jetzt möchtest du Sherlock Holmes spielen und der Sache auf den Grund gehen? Wenn ja, dann lass mich dein Watson sein, ok?"
Ich sehe ihn durch schmale Augen an.
"Sei du mal froh, dass du hübsch und sympathisch bist, wäre das nicht der Fall, wäre ich jetzt aufgestanden und gegangen." sage ich und öffne meine Augen etwas mehr.
"Tom, das ist nicht witzig. Ich mache mir Sorgen. Wenn meiner Mom etwas zustößt, dann... Dann..." beginne ich und beende die zwei Anläufe.
Beim dritten Mal würde ich es auch nicht schaffen, deswegen versuche ich es gar nicht erst.
Tom wird ernster und entschuldigt sich sofort.
"Das war gar nicht meine Absicht, tut mir leid. Ich wollte dich einfach nur aufheitern und auch ein wenig auf einem Klischee herumreiten."
"Ist schon ok, ich weiß, dass du dich nicht über die Situation lustig gemacht hast. Dir würde ich das niemals zutrauen." sage ich und setze ein leichtes Lächeln auf.
Der Braunhaarige erwidert es.
"Und was machen wir jetzt?" frage ich, als wir beide dort sitzen und uns kurz wieder der Wand zugewendet haben.
"Magst du Videospiele?" fragt er.
"Kommt drauf an. Welche denn genau?"
"Was hat er nochmal alles da?" murmelt Tom zu sich selbst und legt die Hand an sein Kinn.
"Ach so, alle Teile von Uncharted, Beyond two souls, Bioshock und ich glaube, auch ein paar Call of Duty Teile."
"Na dann komm ich gerne mit." sage ich und stehe auf.
"Ich nehme einfach mal an, dass du mich fragen wolltest, ob ich zu deinem Cousin und dir möchte und wir ein bisschen zocken?"
"Gut kombiniert, Sherlock." sagt Tom während er aufsteht und geht dann schon mal vor.
"Danke, Watson." gebe ich zurück und betrete nach ihm die Wohnung.
Im Gegensatz zu Mary's Wohnung ist es hier ziemlich leer und fast schon trist. Alles ist in weiß und schwarz gehalten, es gibt kaum Deko und die einzigen Farbakzente sind die Hüllen der Spiele, die sich neben dem Fernseher befinden und ein paar Bilder an der Wand.
Mary würde das hier nicht gefallen, ich finde es jedoch schön.
"Setz dich, ich leg noch schnell Uncharted rein. Bin da sofort durch." sagt er und beschäfitgt sich mit der PS4.
"Mach du nur. Ich bin das Zugucken gewohnt. Mein Dad hat früher immer auf der PS2 Turok und irgendwelche James Bond spiele gespielt, da habe ich auch immer zugeguckt." sage ich und setze mich auf die Couch.
"Es dauert nicht lange." sagt er und nimmt neben mir Platz.
Ich sehe ihm zu, wie er erst das Spiel auswählt und dann seinen Spielstand.
Als ich sehe, wo er im Spiel startet, muss ich grinsen. Von wegen, 'Es dauert nicht lange.', ich kenne die Stelle und das Ende ist von dort aus noch nicht in Sicht.
Er führt Nathan zu einem Schild und als der Charakter vorliest, was da steht, spreche ich leise mit.
"Die Hände die mich bestahlen." murmel ich mit Nathan zusammen.
Tom scheint das gar nicht mitzubekommen und geht mit Nathan einfach in den nächsten Raum.
Dort lässt er Nathan das nächste Schild lesen, dessen Aufschrift ich auch kenne.
" Die Herzen, die nicht ehrlich waren." murmel ich wieder vor mich hin.
Und auch bei dem nächsten Raum spreche ich mit Nathan den Satz auf dem Schild.
"Die Münder, die mich leugneten."
"Kennst du das schon?" fragt Tom mit dem Blick auf den Fernseher gerichtet und mit ziemlich konzentriertem Gesichtsausdruck.
"Ich hab's damals mit Serena gespielt. Sie war immer total besessen von dieser Spielreihe. Ich mag sie auch sehr gerne." antworte ich.
"Dann kannst du mir ja bei den Rätseln helfen." sagt er grinsend.
"Aber bestimmt nicht für umsonst. Da musst du mir schon was dafür geben."
"Was denn?" fragt er und pausiert das Spiel.
Ich beginne zu überlegen und möchte ihm erst vorschlagen, dass er mich zum Essen einladen muss, aber das ist nichts, was ich jetzt schon verlangen kann. Außerdem würde es mich in eine Situation bringen, die mir bei meinem Geühlschaos nicht gerade weiterhelfen würde. So versuche ich weiter zu überlegen, doch ich als ich meinen Blick schweifen lasse, sehe ich etwas, das mich mein Denken unterbrechen und aufschreien lässt.
"Was ist denn jetzt los?" fragt Tom und sieht zu mir hoch, als ich auf die Couch springe.
"Mach die weg. Mach die weg!" sage ich und zeige auf dei Spinne, die vor der Couch herumkrabbelt.
Doch statt sie zu töten oder zu fangen, springt Tom ebenfalls auf und hält sich an mir fest.
"Was tust du denn da? Rette mich vor ihr." sage ich und sehe ihn etwas verwirrt an.
"Ich habe vielleicht auch Angst vor denen?!"
"Und jetzt? Sterben wir hier zusammen?" frage ich ihn.
"Scheint so." antwortet er und gemeinsam beobachten wir die kleine Spinne, die jetzt einfach nur noch da sitzt und sich nicht mehr bewegt.
Ebenso wie wir.
Es sind bestimmt ein paar Minuten, bis wir etwas hören und kurz darauf Tom's Cousin im Wohnzimmer autaucht und uns etwas verwirrt ansieht.
"Was macht ihr da, wenn ich fragen darf?"
"Spinne." sagen Tom und ich gleichzeitig und zeigen auf sie.
"Euer ernst?" fragt er und verschwindet kurz.
Nach dem er wieder mit einem Glas aus der Küche kommt, dauert es nicht lange, bis sie gefangen ist und von ihm aus dem Fenster gesetzt wird.
"Ich dachte immer, dass nur Tom so ein großer Angsthase ist."
"Viele Menschen haben Angst vor Spinnen..." sagt Tom und setzt sich gemeinsam mit mir wieder normal hin.
"Als wären diese Tiere so gefährlich. Du bist bestimmt Jane. Tom hat von dir erzählt. Er tut das ziemlich oft." sagt der Braunhaarige, der eigentlich keine Ähnlichkeit mit ihm hat.
Aber das muss er ja nicht unbedingt haben, er ist schließlich nur der Cousin.
"Lüg doch nicht." wehrt sich Tom und wird dabei leicht rot.
Grinsend sitze ich daneben und frage mich, ob er ebenso über uns nachdenkt, wie ich.
Wahrscheinlich weniger kompliziert und er wehrt sich womöglich auch nicht so, wie ich, aber er tut es bestimmt. Wenn er schon so reagiert.
Schulterzuckend geht er aus dem Raum und hört nur noch ein "Ich sag nur die Wahrheit." bevor man eine Tür zufallen hört.
"Er lügt." flüstert mir Tom sofort zu, als er weg ist.
"Hätte ich jetzt auch gesagt." sage ich leicht süffisant.
Tom verdreht sie Augen und widmet sich wieder dem Spiel.
Er konzentriert sich darauf und scheint mich komplett zu ignorieren, was mir nichts ausmacht.
Ich beobachte ihn beim Spielen und kauer mich auf die Couch.
Wie ich bereits vorausgesehen habe, weil ich das Spiel selbst schon durchgespielt habe, dauert es noch eine ganze Weil, bis er endlich durch ist und den Controller zur Seite legt, um sich zu strecken.
Das und auch, dass es mittleweile schon dunkel draußen ist, nehme ich nur noch halb wahr. Mein Kopf lehnt an der Rückenlehne und ich gähne immer öfter.
"Sollen wir was gegeneinander oder miteinander spielen?" fragt Tom und sieht zu mir.
Mit geschlossenen Augen sitze ich da.
"Bist du nicht mehr sauer?"
"Sauer?"
"Ich dachte du wärst sauer gewesen, weil dich dein Cousin und ich ein wenig aufgezogen haben." murmel ich fast schon im Schlaf versunken.
"Ach, was. Ich steh über sowas. Aber ich glaube, das mit dem Spielen wird nichts mehr, mmh?"
"Wetten, ich würde dich sogar in meinem jetzigen Zustand erledigen." murmel ich und gähne danach wieder.
"Ich dachte, du wettest nicht, weil es dir nicht liegt?"
"Hier bin ich mir aber ziemlich sicher." murmel ich weiter und es fällt mir immer schwerer, so zu murmeln, das man es noch versteht.
"Wir holen es trotzdem lieber nach. Versprochen." sagt er und das ist auch das Letzte, was ich mitbekomme.
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Am liebsten trage ich das Lächeln, welches du mir gibst
RomanceJane wohnt seit neustem in Atlanta und wenn sie ehrlich ist, hätte sie sich das Ganze etwas leichter vorgestellt. Sie ist schon öfter mit ihren Eltern in fremde Städte oder gar Länder geflogen und hat dort eine Zeit lang gewohnt, doch dieses Mal ist...