In der Schule bin ich dank dem gestrigen Tag mal wieder die Lachnummer. Verona würdigt mich keines Blickes und hat sich sogar ihre Hausaufgaben bei jemand anderes beschafft. Brooklyn und Cat sehen nur zu mir rüber, um zu tuscheln und dann kurz darauf zu lachen.
"Süße?"
Ich sehe von meine Buch auf und sehe Mary.
"Was machst du hier?" frage ich, als sie mich neben mich setzt.
"Konnte mir schon denken, dass der Tag hier nicht leicht wird. Hab meine Schicht getauscht. Und ich hab Tom den Kopf gewaschen. Der war danach richtig klein, das kannste mir glauben." sagt sie stolz.
Auch wenn ich es gut finde, dass sie die Beschützerin und Stimme für mich spielt, tut mir Tom leid.
Verrückt oder?
Er hat Scheiße gebaut, wegen ihm bin ich nun noch einsamer, als sonst schon und doch fühle ich mich jetzt schlecht.
Schließlich konnte er doch wirkich nichts dafür. Er hat diesen Job und ich hatte nur diese Aufführung.
"Was meinte er?" frage ich.
"Es tut ihm echt leid. Er will's wieder gut machen. Heute auf dem Dach."
"Ein Treffen auf dem Dach wird mir meine Note nicht retten."
"Nein, aber eure Freundschaft." sagt Mary und zwinkert mir zu.
Mit einem lauten "Guten Morgen" betritt Mrs. Kruger den Klassenraum.
Mary bleibt seelenruhig in der Bank sitzen, bleibt aber trotzdem nicht unentdeckt.
"Und sie sind?" fragt Mrs. Kruger sie.
"Mary und sie?" fragt Mary sie breit grinsend.
Vielleicht war das der Grund, warum Mary damals fast von der Schule flog.
Mangelnder Respekt gegenüber dem Lehrpersonal?
Einen richtigen Grund hat mir Mary nie genannt. Immer nur "dies und das".
"Freut mich sie kennenzulernen, Mary."
Die Klasse beginnt zu tuscheln und ich sehe zwischen den Beiden hin und her.
Mrs. Kruger wirkt nicht so, als würde es sie stören. Ihr "Freut mich" nicht gelogen.
Sie wirft sie sogar nicht einmal aus dem Unterricht, sondern lässt sie mitmachen. Mary kann kaum etwas beantworten, weil sie nach eigenen Aussagen in Biologie lieber den Schlaf studiert hat.
Fast wie ich. Was soll man auch sonst machen, wenn man keine Freundin zum Quatschen hat. Mary hatte in ihrer Schulzeit genauso viele Freund wie ich. Null...
Nur machte es ihr nie etwas aus. Mich belastet es dagegen sehr.
Sie war gerne alleine und gegen alles. Ich bin dagegen gerne unter Menschen und für vieles.
Und obwohl wir so unterschiedlich sind, passen wir gut zusammen.Als die Schulklingel leutet, packen wir alle unsere Sachen zusammen, verabschieden uns bei Mrs. Kruger und verschwinden nach Hause.
Eigentlich wollte ich sogar noch ins Krankenhaus, aber nachdem der Schultag schon nicht der Beste war, kann ich das nicht noch ertragen. Früher machte es mich glücklich meine Mutter zu sehen, jetzt macht es micht traurig.
Und das liegt ja nicht an ihr, sondern an der Situation, die von Tag zu Tag schlimmer wird.
Wie schnell so etwas gehen kann...
Es kommt mir so vor, als würde einen das Böse manchmal viel schneller besiegen, wenn man seinen Namen kennt.
"Bist du noch sehr sauer?" fragt Mary mich auf dem Weg.
"Schon... Aber ich werde ihn nicht anschreien oder sowas. Ich versuch's zu verstehen." antworte ich ihr.
"Er hätte es ja verdient, aber es geht ihm echt mies deswegen." sagt sie und widmet sich ab und an ihrem Handy.
Mein Blick fällt zwar nur kurz darauf, aber ich sehe, dass sie mit jemandem chattet.
"Du schreibst mit ihm, mh?" frage ich sie grinsend.
"Er hat eben Angst. Er will genauso wenig wie du, dass ihr nie mehr miteinander redet."
Nie mehr... Als wäre ich nun für immer sauer...
Ich bin eigentlich gar nicht sauer, eher enttäuscht.
Weil er gestern nicht da war und weil er es mir nicht schon früher gesagt hat. Mary wusste sogar davon. Wobei sie es sicher slebst rausfand, weil sie Spideyfan ist.
Aber völlig egal, wie sie davon erfahren hat, wieso hat er es mir nicht einfach gesagt statt so einen Akt daraus zu machen?
Ob er mir es auf dem Dach erklären möchte?
"Er braucht keine zu haben. Alles ist gut. Schreib ihm das ruhig." sage ich.
Als wir an unserem Haus ankommen, steht dort schon Harry, der wohl auf Mary gewartet hat.
Sie hat wohl nicht nur mit Tom geschrieben.
"Hey." begrüßt sie ihn fröhlich und gibt ihm einen Kuss.
Ich schaue dabei zur Seite.
Unangenehmer Moment...
"Hey, Jane." begrüßt er mich, als sie fertig sind.
Mit einem kurzen "Hey" erwidere ich seine Begrüßung.
"Keine Angst, sie reißt Tom heute nicht den Kopf ab. Sie ist zahm." beantwortet Mary Harrys Frage ohne ihm auch nur die Chance zu geben sie zu laut stellen zu können.
"Ihm tut..."
"Es echt leid? Ich weiß. Erzähl mir lieber, warum ich auf's Dach kommen soll." unterbreche ich ihn.
"Wird 'ne Überraschung. Obwohl ich Angst hab, dass er es ein wenig übertreibt." sagt Harry.
Dann sieht er zu Mary, die heftig den Kopf schüttelt.
"Quatsch, es ist süß."
Und bei diesem Satz von ihr klingeln sämtliche Alarmglocken bei mir.
Wenn Mary etwas süß findet, dann ist es übertrieben. In jeder Hinsicht.
Statt mit einem gutem Gefühl, folge ich den Beiden nun mit Magenschmerzen die Treppe zu unseren Wohnungen hinauf. Ich ging von einem normalen Gespräch aus, nicht von einer großen Aufmachung.
"Zieh dir was Schickes an." sagt Mary grinsend, als sie in ihrer Wohnung verschwindet.
"Mach ihr keine Angst." sagt Harry lachend und verschwindet mit ihr nach drinnen.
Ich stehe da und habe nun durch das Zittern Probleme den Schlüssel in das Schloss zu stecken.
Als ich es geschafft habe, höre ich Schritte, die nach oben kommen.
Schnell verschwinde ich in der Wohnung und schließe die Tür. Dann schaue ich aus dem Spion und strenge mich an etwas zu erkennen.
Natürlich kann es auch jeder Andere sein, der über uns wohnt, doch mein 6. Sinn hatte recht. Tom kommt die Treppen hinauf.
Er geht jedoch nicht direkt zu seiner Wohnung. Zuerst scheint er zu meiner Tür zu wollen, schüttelt dann aber den Kopf und geht zu seiner Tür.
Ist wohl auch besser so.
Auf dem Dach können wir alles klären.
Wenn ich überhaupt hingehe...
Nach Marys Worten habe ich gar keine Lust mehr. Ich bin eher fast einer Panickattacke nahe.
Wofür soll ich mich denn schick machen?
Die Angst und die Gedanken bschäftigen mich jede Sekunde. So kommt es auch, dass ich die Hausaufgaben nach fünf Minuten aufgebe und nur noch aus dem Fenster sehe, bis mich mein Handy aus den Gedanken reißt.
"Viel Spaß." erscheint auf Display.
"Halt die Klappe..." schreibe ich Mary zurück, woraufhin ich nur eine Armee lachender Smiley zurückbekomme.
So witzig meinte ich es jedoch gar nicht.
Die Panik wird immer mehr.
Und als ich sehe, dass es nur noch eine halbe Stunde bis 18 Uhr ist, dreht sich mein Magen noch mehr um. So sehr, dass ich das Gefühl habe mich jede Sekunde übergeben zu müssen.
Doch auch wenn ich dieses Gefühl selbst noch im Fahrstuhl begleitet, bin ich zuversichtlich, dass es nicht passieren wird. Genauso wenig wie das Schick machen. Ich habe mir zwar andere Klamotten angezogen, aber schick sind die nicht. Leger wie alle meine Outfits eben.
Als sich die Fahrstuhltür öffnet und ich zum Ausgang, der zum Dach führt gehe, atme ich tief durch, bevor ich die Tür öffne. Mein Griff um den Türgriff ist so fest, dass ich Angst habe ihn so fest nach unten zu drücken, dass er abbricht.
Und als ich dann sehe, was mich da auf mich wartet, fühle ich mich fehl am Platz.
Tom steht da. Zwar ebenso leger gekleidet, wie ich, doch mit einem schön gedeckten Tisch und einer Aussicht, die noch nie schöner war.
Ich komme mir wie in einer perfekt inzinierten Filmszene vor. Fehlt nur noch der Heirateantrag, der gerne auch fehlen darf.
"Was zum..." sind meine ersten Worte.
Nicht die, die Tom sich wohl gewünscht hat.
"Ähm... Ich weiß, dass ist ein bisschen zu viel, aber das war..."
"Marys Idee." unterbreche ich ihn grinsend und komme zu ihm.
"Ja..." sagt er und geht zu einem der Stühle um ihn nach hinten zu schieben.
"Setz dich doch."
Mit einem leisen "Danke" nehme ich Platz und merke, wie sich trotz der komischen Situation mein Unwohlsein legt. Vielleicht weil es ihm wohl ebenfalls sichtlich unangenehm ist.
Tom nimmt gegenüber von mir Platz und er wirkt nun fast nervöser, als ich es bin.
"Also..." beginnt er und lehnt sich etwas auf den Tisch.
"Es tut mir wirklich leid. Das hast du heute sicher schon oft genug gehört, aber ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich hätte dir vielleicht schon früher von meinem Job erzählen sollen."
"Du hättest mir nicht versprechen sollen. Das ist alles." sage ich trocken.
Er sieht mich an und beißt sich auf die Unterlippe.
"Ich war mir einfach zu sicher, dass ich es schaffen würde, aber dann kam der Anruf, dass noch eine Szene nachgedreht werden muss und... Es tut mir leid. Ich mach's wieder gut." sagt er und er wirkt so ehrlich, dass ich nicht anders kann als ihm zu verzeihen.
Ich hab ihm ja eigentlich schon bei dem ersten "Es tut mir leid", dass mir Mary überbracht hat, schon verziehen. Wie gesagt, ich war ja nie wirklich böse auf ihn, sondern enttäuscht.
"Siehste nun, warum ich Helden nicht mag?" frage ich ihn.
"Superhelden neigen dazu zu verschwinden." sage ich und schaue lächelnd unter mich.
"Ich werde versuchen es nicht mehr zu tun, ok?"
"Versprich mir einfach nichts mehr, das reicht mir." sage ich und sehe ihn ernst an.
"So enttäuschst du mich nicht mehr, weil ich eh nichts mehr erwarte."
Innerhalb von Sekunden und zwei Sätzen, kippt die Stimmung.
Weder auf Partys, noch in Gesprächen, bin ich diejenige, die da ist um die Stimmung zu heben. Das Gegenteil liegt mir mehr.
"Ok..." sagt Tom nach längerem Schweigen.
Eigentlich war das wohl nicht die Antwort, die er geben wollte, aber was würde Diskutieren jetzt bringen? Es würde im Streit enden, das weiß er so gut wie ich.
"Das Essen ist fertig."
Mary kommt mit zwei Tellern in den Händen zu uns, während Harry ihr die Tür aufhält.
Tom und ich sehen uns an und auch wenn es eben ernst war, können wir es uns nicht verkneifen kurz loszuprusten.
"Ihr lacht zusammen, das ist doch schön." sagt sie und stellt uns die Teller mit der Lasagne hin.
"Guten Appetit." sagt sie und verschwindet dann wieder.
Wir sehen ihr hinterher und ich schüttel den Kopf.
Sicher bin ich auch knallrot vor Scham.
"Ich würde sie so gerne verschenken, aber keiner möchte sie." murmel ich vor mich hin, als ich in der Lasagne herumstocher.
"Sie ist schon sehr... speziell." sagt Tom grinsend und isst einen Bissen.
"Sag ruhig, dass sie komplett bescheuert ist." sage ich und esse ebenfalls.
Und von da an, wirken wie wie vor dem Disaster mit dem Stück. Wir reden normal miteinader, über dies und das, lachen und vergessen, dass die Szenerie eher zu einem Date statt zu einem feundschaftlichen Essen passt.
Nachdem uns Mary einmal noch wegen dem Dessert stört, wechseln wir auf die Couch und der Abstand zwischen uns verschwindet mit jeder weiteren Stunde die wir dort verbringen.
"Warst du schon mal in Italien?" fragt er plötzlich.
"Ja. Mit der Hand auf der Landkarte." antworte ich mit dem Kopf auf seiner Schulter ruhend.
Ich höre und merke wie er lacht.
"Wieso?" frage ich dann.
"Im zweiten Film geht's wohl dahin. Würdest du mitkommen?" fragt er.
Ich hebe meinen Kopf und sehe ihn an.
"Als was?" frage ich.
"Als eine Freundin?"
Bevor ich antworte wäge ich soviel Dinge ab. Innerhab von Sekunden denke ich daran, dass wir vielleicht dann schon lange nicht mehr hier leben, sondern vielleicht sogar in Italien, aber ich denke auch an Mrs. Krugers Worte. Dass ich mir trotz meinem unseren Zuhause etwas aufbaue muss und an dem Ort, an dem ich gerade lebe eine Zukunft aufbauen muss. Auch wenn sie vielleicht niedergerissen wird. Nur wie lasse ich mich darauf ein? Ich hab das seit meiner zweiten Heimat verlernt.
Vielleicht mit einem 'Ja'?
Schließlich sind wir oft nur eine Entscheidung von einem völlig anderen Leben entfernt. Und es ist nicht mal so kompliziert, wie wir denken.
"Ja." antworte ich lächelnd.
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Am liebsten trage ich das Lächeln, welches du mir gibst
RomanceJane wohnt seit neustem in Atlanta und wenn sie ehrlich ist, hätte sie sich das Ganze etwas leichter vorgestellt. Sie ist schon öfter mit ihren Eltern in fremde Städte oder gar Länder geflogen und hat dort eine Zeit lang gewohnt, doch dieses Mal ist...