Ich war langsamer geworden, schritt jetzt gemütlich dahin. Auch pfiff ich nicht mehr. Mein Weg führte mich durch einen Wald, entlang an einem großen Fluss, der mich immer noch begleitete. Neben dem leisem Rauschen des Wassers hörte ich auch das Flü-stern des Windes, der durch die Bäume huschte. Immer mal wieder hob ich aus Langeweile ein Blatt auf und spielte mit ihm, während dem Gehen. Eigentlich fühlte ich mich immer recht wohl in der Ge-genwart von Bäumen, Pflanzen und Tieren. Früher spielte ich jeden Tag mit Toni im Wald Verstecken. Er hatte mich zählen lassen, während ich die Augen verschloss, stellte er sich hinter mich und erschreckte mich, sobald ich fertig war. Ich lächelte innerlich. Lang-sam hob ich den Kopf, ließ das Blatt in meiner Hand fallen und blickte der Sonne entgegen. Ich sah sie nur vereinzelt, da sie sich einen Weg durch die Blätter bannen musste.
Ich war noch in Gedanken, als ich nur nebenbei bemerkte, wie das Rauschen des Wassers immer lauter wurde. Aus dem Augenwinkel kam es mir vor, als würde sich aus dem Fluss eine dünne Säule erheben, die sich aber sofort wieder fallen ließ, als ich meinen Kopf drehte. Stirnrunzelnd drehte ich mich wieder weg. Ein paar Minuten darauf geschah es wieder. Aus dem Augenwinkel erkannte ich eine dünne Wassersäule, die sich erhob, aber in sich wieder zusammenfiel, als ich hinsah. Dann halt nicht, ich werd' schon noch sehen, was du vor mir verbirgst, dachte ich und drehte frustriert den Kopf wieder nach vorne. Dieses Spiel lief fast eine halbe Stunde so, der Wald endete nicht und auch der Fluss lief im-mer weiter. Ich hatte aufgehört mich auf das Wasser zu kon-zentrieren und schon bereute ich es. Ich sah gerade noch aus dem Blickwinkel, wie sich wieder eine Säule erhob, nur dieses mal höher und diese sich blitzschnell auf mich zu bewegte. Ich traute meinen Augen nicht, als ein langer, tödlicher Eiszapfen an mir vorbei sauste und mir durch eine kurze Berührung eine lange Schnittwunde am Arm verpasste. Ich wich gerade so aus, als ein zweiter Pfeil auf mich zu flog. Meine Brust hob und senkte sich heftiger und meine Augen waren verdutzt aufgerissen. Was war das? Ich blieb stehen und starrte einfach nur das Wasser an, das an mir vorbeiplätscherte. Ruhig floss es. Soll ich weiter gehen? Ich tat so als wolle ich gerade weiter gehen, behielt aber den Fluss neben mir im Auge und wich schnell aus, als schon der nächste Eispfeil auf mich los schoss, nur das es nicht der Einzige war. Kaum wich ich nach rechts aus, hielt mir währenddessen den schmerzenden Arm, schon musste ich nach links ausweichen. So ging es immer weiter, einmal zielte einer auf meinen Kopf, dann auf mein linkes Bein, auf's rechte, auf die Arme und dann wieder auf den Kopf. Wie lange soll ich das denn noch mitmachen? Die Pfeile wurden immer schneller und immer knapper wurde es, getroffen zu werden. Neben der Wunde am Arm, hatte ich jetzt noch eine an der Wange und noch eine am Fuß. Jedes mal wurde ich vom Schmerz mehr gereizter und noch frustrierter. Soll ich einfach nur ausweichen?
Jetzt erwischte mich noch einer an der Hand, aber es sollte das letzte Mal sein. Intuitiv überkreuzte ich die Unterarme vor mir und schloss die Augen. Ich blieb reglos stehen und als ich nach einer Weile die Augen wieder öffnete, sah ich erstaunt, wie direkt vor meiner Nase ein dünner spitzer Pfeil in der Luft hang. Er bewegte sich nicht, genauso wie zwei andere, die auf meine Beine gerichtet waren und noch zwei vor meinen Schultern. Sie hingen in der Luft und ich weiß nicht wieso, aber als ich die Arme ruckartig aus-einander zog, also die Handflächen nach vorne zeigten und es aus-sah, als wolle ich jemanden von beiden Seiten eine klatschen, zer-schmolzen die Eiszapfen und fielen plätschernd auf die Erde. Ich keuchte immer noch. Langsam ließ ich Arme sinken, starrte auf die Wasserlaachen vor mir und dann auf die Wunden, die meinen Körper übersäten. Meine Hand fuhr über meine Wange und als ich auf die Hand blickte, erkannte ich das Blut, das immer noch aus der Wunde tropfte. Ich war ausgelaugt von dem ganzen Ausweichen und auch von den letzten Handgriffen. Ich hatte die Bewegung in-nerlich vor meinem Auge gesehen, hatte das Wasser gespürt. Von Großvater hatte ich nie solche Zaubereien gelernt. Er zeigte uns nur Formeln, kurze Handbewegung, aber nie solche großen Bewegung. Er sagt immer, Magie benützt man nur, zum Verhelfen oder Ab-leiten von etwas, nie zum Gegenspielen. Also soll man zum Beispiel eine Kerze nur Anzünden, ihr beim Brennen helfen oder sie aus-zünden. Man soll sie aber nie mit Wasser auslöschen, das wäre ein Gegenspiel.
Früher tat ich mir oft schwer, mit dem Unterscheiden, was ich als Magierin durfte und was nicht. Mittlerweile verstand ich den Unterschied, obwohl es immer noch etwas komisch für mich war, solche Lektionen und Regeln auf's alltägliche Leben zu proezieren. Instinktiv rutschte meine Hand in die Umhängetasche und holte den Edelstein heraus. Er war hellblau geworden und eine Welle war abgezeichnet. Ich lächelte sanft und sackte leicht in mich zu-sammen, als mir der Gedanke in den Sinn kam, wie lang ich wohl brauchen würde, um wieder daheim zu sein.
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Sila's Zauberstein
FantasySila ist eine Magierin, die ihre Prüfung abschließen will. Doch inwiefern soll ihr dabei ein Stein helfen? Und warum verhält sich ihre Großvater so seltsam? Noch dazu spielen ihre Gefühle Toni gegenüber verrückt.. fühlt er denn genauso?