Ich setzte einen Schritt vor den anderen und sah die ganze Zeit auf den Boden. Die Sonne strahlte auf uns hinab. Neben mir ging Toni und vor uns spazierte Großvater. Ich hatte meine Um-hängetasche umgehängt und Anton hatte seinen Rucksack dabei. Wahrscheinlich waren wir schon zwei Stunden unterwegs. Nach-dem ich Opa vorhin gefragt hatte, wie lange wir noch bräuchten, sagte er nur ein paar Stunden, was nichts genaues bei ihm war. Ein paar Stunden hießen entweder zwei Tage oder eine halbe Stunde.
Wir redeten nicht, jeder war in seinen eigenen Gedanken. Hin und wieder sah Toni zu mir, dann trafen sich unsere Blicke und schnell sah dann jeder wieder in eine andere Richtung. Sonst war er nie so, er lachte viel, lächelte durchgehen und ja, sah einfach glücklich und verträumt aus. Jetzt war er schüchtern und durch-gehend irgendwie abweisend. War es an mir gelegen? Egal, ich schob den Gedanken ganz weit weg. Denke an Quarin, an seine schönen langen Brücken und die schmalen moosbewachsenen Straßen, redete ich mir ein, dann wird's dir besser gehen, bestimmt.
Vielleicht würde es mir dann besser gehen, aber auch nur vielleicht. Das nervte, dieses andauernde Tief. Gestern war alles so schön gewesen, er sagte, dass er dasselbe geträumt hatte und er wollte mich küssen. Ich wollte wieder, wie in meinem Traum, seine Lippen spüren, auch wenn er neben mir ging, es fühlte sich an, als wäre er Meilen weit entfernt. So fern waren wir uns nie. Immer lachten wir, immer waren wir füreinander da, wir stellten ge-meinsam Großvaters Leben auf den Kopf und standen alle Probleme gemeinsam durch. Wieso also, wieso war jetzt alles anders, nur wegen eines Traums?
Ich merkte, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete, aber ich versuchte ihn runterzuschlucken. Ich konnte jetzt nicht einfach anfangen vor dem Meister und Toni zu weinen. Ich musste schmunzeln, da ich an eine gewisse, fast schon alltägliche Situation denken musste. Ich war früher kein recht fröhliches Kind gewesen, das ist bekannt, wegen Vergangenem und gegenwärtigen Gescheh-nissen. Der Trauer entsprechend weinte ich oft, auch in der An-fangszeit, als Anton und ich mit der Lehre begannen.
Oft fand mich Toni weinend in meinem Zimmer, zu-gegeben, ich war eine Memme gewesen, die kleine Sila von früher weinte wegen jeder Kleinigkeit. Wie gesagt, er fand mich weinend und fing dann stotternd an mich zu trösten. Naja, trösten konnte man das nicht nennen, er hatte mich nur in den Arm genommen und mir zu geflüstert, ruhig zu bleiben.
Ich merkte gar nicht, wie die Zeit verging, bis wir am Horizont endlich eine Reihe von Häusern entdeckten. ,,Bald sind wir da.", murmelte Großvater in sich hinein. ,,Sieht schon mal ganz gut aus.", ich war verwundert, über den plötzlichen Stimmungswandel Tonis, da er jetzt recht froh klang, aber wahrscheinlich wollte er einfach für einige Momente das Ganze vergessen, also tat ich das-selbe. ,,Fast nichts hat sich geändert, genauso schön, wie damals, als du mich alleine hier gelassen hast und ich dann mehrere Stunden nach Hause lief.", ich bekam nur ein Kichern als Antwort zurück. Toni sah kurz zu mir rüber und ich lächelte ihm zu, als so gesehenes Friedensangebot, wieso Friedensangebot wusste ich selbst nicht so genau, aber es kam mir so vor.
Wir liefen noch eine halbe Stunde, aber es lohnte sich, als wir endlich an den Toren von Quarin, der Hauptstadt des Elfen-reichs ankamen. Wir wurden sogleich durchgelassen, als Großvater seinen Namen erwähnte. Viele Menschen, Zwerge und natürlich auch Elfen tummelten sich in der Stadt. Es wurde viel gedrängt und da mich Opa mahnend ansah, zog ich meine Maske noch enger. Meine Hand fuhr über die blauen Federn und schnell strich ich noch mein dunkelgrünes Kleid glatt. Auch Anton zog an seinen Kla-motten rum, obwohl einfaches Rumziehen nichts bewirken würde, da er, wie fast immer, ein schmutziges Hemd und eine braune Hose trug.
Als wir mit Großvater durch Gassen und über Brücken liefen, wurde immer wieder getuschelt, was man den Leuten aber nicht verübeln konnte. Wir gingen zu dritt durch immer mehr schmale Straßen, bis wir an einem kleinen Haus anhielten. Es hatte eine raue Fasade, einen kaputten Zaun, aber trotzdem war der Garten schön gepflegt. Besonders die kleinen Tannen, die am Zaun wuchsen, waren prächtig. Großvater klopfte nicht oder hielt zu-mindest kurz an, als er durch das Zauntor lief und schnur stracks auf die Haustür zu. Er öffnete sie, als sei es selbstverständlich und bat uns sogleich herein.

DU LIEST GERADE
Sila's Zauberstein
FantasySila ist eine Magierin, die ihre Prüfung abschließen will. Doch inwiefern soll ihr dabei ein Stein helfen? Und warum verhält sich ihre Großvater so seltsam? Noch dazu spielen ihre Gefühle Toni gegenüber verrückt.. fühlt er denn genauso?