Verdacht

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Abigail

„Megana Lilith Johnson! Das ist nicht dein Ernst!" Entgeistert betrachtete ich die unförmige Strickjacke, die Megan in der Hand hielt, und rümpfte die Nase. Ein so schlechter Geschmack war schon fast wieder Talent. Da musste ich eingreifen. Nicht zuletzt, weil ich bereits mehr als genügend wunderschöne Klamotten gekauft hatte und mich weiter nach Ablenkung vom eintönigen Alltag sehnte. Ich packte ihren Arm und zog mit nach draußen auf die Fußgängerzone, denn in diesem Geschäft würde ich es keine weitere Minute aushalten.

Ich musste zugeben, die Frauenleiche, die Megan vor drei Wochen gefunden hatte, war eine nicht unbedingt willkommene, aber immerhin überhaupt eine Abwechslung gewesen, wohingegen die letzten Wochen langweilig waren wie eh und je. Ich sah ein Kameraobjektiv in der Menge aufblitzen und musste mich zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen, denn das wirkte sich auf Fotos nicht besonders vorteilhaft auf mein Gesicht aus. Ich setzte ein fröhliches Lächeln auf und richtete meine Haare. Kaum zu glauben, welch einen Adlerblick man entwickelte, wenn man so lebte wie ich.

„Megan, lass uns gehen. Wir haben eine Klette." Unsere Blicke trafen sich und natürlich wusste auch sie genau, was ich meinte. Wir drehten uns um und schlenderten die Fußgängerzone ein Stückchen herunter. Angeregt unterhielten wir uns über banale Themen, während ich mich nach einem geeigneten Laden umschaute, in dem wir untertauchen konnten.

Da sah ich eines meiner absoluten Schätzchen, die kleine, fast unscheinbare Boutique la belle rose, die jedoch voller wunderschöner, teurer Klamotten und feinster Schminke steckte. An der babyblauen Fassade war ihr Logo angebracht, eine überdimensionale Rose, das einem schon von weitem durch die kunstvolle Verzierung entgegen strahlte.

„Komm!", befahl ich Megan herrisch. Ich öffnete die schlicht gehaltene Flügeltür, betrat hinter meiner Freundin den Raum und bewunderte einmal mehr das anheimelnde Ambiente dieses Schmuckstücks. Ich liebte den schwedischen Landhausstil, mit dem alles in Szene gesetzt wurde und durch den der hier vorherrschende Vintage Style nochmal extra betont wurde.

„Ich geh dann mal was Schönes für mich suchen", brummte Megan und drehte auf dem Absatz um. Ich sah ihr einen Augenblick hinterher. Mir graute bereits davor, was sie gleich wieder anschleppen würde, obwohl es hier für sie eine Herausforderung sein sollte, etwas wirklich Schreckliches zu finden.

Hinter einem der Kleiderständer konnte ich aus den Augenwinkeln einen roten Schopf aufblitzen sehen und musste unwillkürlich anfangen, zu lächeln.

„Isabelle, wie schön, Sie endlich einmal wiederzusehen", begrüßte ich meine Lieblingsverkäuferin überschwänglich und gab ihr links und rechts ein Küsschen auf die Wange. Sie war die Seele dieser Boutique und hatte mir schon etliche Geheimtipps gegeben. Ich schwor auf ihren Modeinstinkt, der nicht mit den Trends ging, sondern einfach zeitlos war.

„Abigail, die Freude ist wie immer ganz auf meiner Seite. Wenn ich doch nur immer so wunderbare Kunden hätte wie Sie, ma Chérie",  sagte die etwas fülligere Verkäuferin. Ihr Lippen verzogen sich zu einem warmen Lächeln, das sogleich den ganzen Raum zu erhellen schien.

„Natürlich, immer wieder gerne", beteuerte ich. „Ich muss unbedingt Kleidung für meine Freundin finden, haben Sie vielleicht ein paar neue Schätzchen für mich auf Lager?" Sie lachte dröhnend und warf den Kopf in den Nacken.

„Mais bien sûre, ich werde nur kurz hinten schauen, ob ich etwas ganz Exklusives finde." Sie zwinkerte mir zu und machte sich mit federnden Schritten auf den Weg in das Lager, das sich hinter einem Satinvorhang befand. Das Geschäft war abgesehen von Megan und mir komplett leer, und somit hatten wir alles für uns. Naja, Megan brauchte eigentlich nicht besonders viel Platz, sie wühlte nur in den Second-Hand-Sachen herum, die Isabella billig bekommen konnte.

Avenging Angel - Schönheitsschlaf für Anfänger | #DreamAward2018 #SpringAwards18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt