Angriff

107 8 0
                                    

Abigail

Perfekt, lobte ich mich schließlich selbst, als ich vor meinem großen, beleuchteten Spiegel stand, und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Jetzt musste ich mich nur noch passend schminken.

Nach einer Viertelstunde kam ich aus meinem Badezimmer und bewunderte mich ein weiteres Mal in meinem Spiegel. Ich war stolz auf mich. So konnte ich mich auf jeden Fall sehen lassen. Schlichte, aber schöne Smokey Eyes und ein knallroter Lippenstift schmückten mein Gesicht und verliehen ihm einen sexy Ausdruck. Zufrieden trat ich aus dem Zimmer und stolzierte die Treppe hinunter in die marmorne Vorhalle.

Hoffentlich tauchte Megan nicht wie der letzte Penner auf. Das würde mich und mein Outfit komplett ruinieren. Und meinen Ruf. Aber schon allein wegen John würde sie ihre schrecklich unförmigen Sachen zu Hause lassen, schließlich stand sie unheimlich auf ihn, auch wenn sie das nie zugeben würde. Das passierte eben, wenn man mit 18 noch Jungfrau ist. Aber ehrlich gesagt bezweifele ich, dass die beiden je zusammen kommen werden.

John stand leider eher auf blonde Mädchen mit üppigem Körper, stark geschminkt und am Besten nur im BH, also der normale Typ Schlampe von nebenan. Er war selbst eine kleine, männliche Schlampe, wenn man das denn so sagen konnte. Ich wusste sowieso nicht, wie man so verliebt sein konnte, dass man sich tatsächlich eine gemeinsame Zukunft mit einem Mann vorstellt, der jeden zweiten Tag mit einer anderen ins Bett hüpft.

Es wäre eine Lüge, zu sagen, ich hätte sie nicht vor ihm gewarnt. Ich war immerhin schon mit ihm im Bett gelandet - was nebenbei bemerkt keine große Sache war, er war schließlich so etwas wie die Schulmatratze - und konnte mich von seinem Talent, was Kreativität beim Sex anbelangt, überzeugen. Ich kannte ihn sehr, sehr gut und ich wusste sicher, dass er genau der Typ Mann war, den Megan absolut nicht gebrauchen konnte. Für jemanden wie ihn war sie zu verletzlich. Aber irgendwann hatte ich aufgehört. Ihr war mit Vernunft nicht beizukommen, auch wenn ich sie ungern in ihr eigenes Grab laufen ließ.

Als ich neben dem Springbrunnen stand, fiel mir Saphira ein. Mist. Ich stöckelte so schnell ich konnte und immer noch sehr elegant in Richtung Westflügel, in dem die Bediensteten untergebracht waren.

"Rose, Saphira wartet, ich habe keine Zeit!" Die kleine, pummelige Frau kam angetippelt und nickte mir knapp zu. Ich schaute auf meine goldene Uhr und stellte fest, dass Steve mal wieder zu spät war.

"Scheiße", fluchte ich. Noch knappe 25 Minuten, dann hatte ich gefälligst am Treffpunkt zu sein. "Steve!", brüllte ich in die Villa. Mit leichten Schritten kam er angerannt.

"Miss Abigail, was kann ich für Sie tun?" Verdammt, manchmal war er einfach zu blöd für die Welt.

"Bring mich zur Bentley Street. Es kann nicht sein, dass du immer zu spät bist, Steve. Ich habe dich ja wirklich gern, aber wir bezahlen dich nicht dafür, nichts zu machen. Wir sind hier kein Gnadenhof." Ohne ihm noch einen Blick zu schenken ging ich voraus in die Garage.

"Welchen Wagen bevorzugen Sie denn, Miss Abigail?", fragte er höflich und ignorierte meine vielleicht etwas übertriebene Ansage.

"Mir scheißegal. Den, der am besten klingt, okay? ", befahl ich ihm.

"Da würde ich Ihnen den Mustang hier empfehlen. Ganz neues Modell und fast unberührt." Ich schaute mich in der großen Garage um und machte links von mir das erwähnte Auto aus. Es war groß, fett und mattschwarz. Perfekt. Ich nickte ihm zu und Steve setzte eine erleichterte Miene auf. Er entriegelte das Auto und hielt mir die Tür auf. Dann lief er auf die andere Seite und stieg ebenfalls ein. Als Chauffeur war er wirklich zu gebrauchen, als Hausmann eher nicht, dachte ich genervt.

"Drück ein bisschen auf die Tube, ich muss in einer Viertelstunde beim Impossible sein." Ich sah noch einmal kurz an mir herunter, nur um wieder zu erkennen, was für einen guten Geschmack ich doch hatte. Mit einem Blick in den Spiegel prüfte ich noch einmal mein Make-Up. Man ist ja doch nicht unfehlbar, nicht wahr? Aber ich konnte mich davon überzeugen, dass es toll aussah, wie immer. Dann lehnte ich mich zurück und wartete einfach ab.

Glücklicherweise waren wir pünktlich am Impossible und ich strich vor dem Aussteigen noch einmal mein Top glatt und fuhr mir durch die Haare.

Ich sah ihn schon von Weitem. Er stand unter dem leuchtenden Schild der Disco und war anscheinend in Gedanken versunken. Ach, er war einfach so perfekt! Das schwarze T-Shirt spannte leicht über seinen Brustmuskeln und unter dem Schatten seiner herabfallenden Haare konnte ich die hellblauen Augen und seine wunderschönen, aber harten Gesichtszüge ausmachen.

Ich ging mit weit ausgreifenden Schritten über den Asphalt und beachtete die Blicke der kleinen Jungs am Straßenrand nicht, die aussahen, als würden sie sofort anfangen zu sabbern. Kurz bevor ich bei ihm ankam, sah er hoch und ich meinte ein Lächeln über sein Gesicht huschen zu sehen. Ich schenkte ihm einen Kuss auf die Wange und genoss noch kurz das Kribbeln auf meinen Lippen.

"Sind unsere beiden Turteltäubchen noch nicht da?", fragte ich amüsiert.

"Dir auch einen wunderschönen Abend Sue. Nein, wie du siehst, siehst du nichts." Auch seine raue, männliche Stimme war betörend. Er war der einzige, der mich Sue nannte, aber bei ihm konnte ich darüber hinweg sehen. Seit er zufällig vor ein paar Jahren meine Geburtsurkunde in die Finger bekommen hatte, auf der mein voller Name stand, nannte er mich nur noch so, denn ihm gefiel 'Abigail' nicht. Seiner Meinung nach klang es zu gehoben, dabei hatte ich ihm klar und deutlich erklärt, dass der Name genau deswegen so gut zu mir passte.

Da bemerkte ich auf einmal einen großen Schatten, der sich zu meinem Leidwesen auf mich zu bewegte. Als er vor mir stand und ich aufblickte, stöhnte ich auf. Mein Verdacht bestätigte sich. Allein an seinen dunkelblauen, mir allzu bekannten Augen erkannte ich ihn.

"Na, Babe", raunte er schleimig mit seiner zugegeben angenehm tiefen Stimme.

Ich hielt die Luft an. Die Gefühle bloß nicht an die Oberfläche lassen. Ruhig bleiben. Ich durfte mich von ihm auf keinen Fall beirren lassen, die Vergangenheit war vorbei und ich hatte mich damit abgefunden. Ich sollte mich damit abfinden. Eigentlich.

Ich atmete tief durch und legte mir meine Worte zurecht.

"Zack, darf ich dich nebenbei daran erinnern, dass ich erstens die Tochter deines Chefs bin, zweitens nichts von dir will und drittens du vielleicht wieder an deinen Platz gehen solltest? Du bist nämlich verdammt noch mal hier, um die Tür zu bewachen und nicht um hilflose Mädchen anzubaggern! Du bist und bleibst ein verdammtes Arschloch." Angriff ist und bleibt nunmal die beste Verteidigung. Wie oft musste ich ihm das denn noch erzählen? Ich wollte ihn doch irgendwann einfach loswerden.

Ihn, den Schmerz, die Verzweiflung.

Am liebsten die Vergangenheit.

Avenging Angel - Schönheitsschlaf für Anfänger | #DreamAward2018 #SpringAwards18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt