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Noch bevor die Sonne wirklich aufging, war ich aufgestanden und hatte mich fertig gemacht.

Meine Kammer lag im hinteren Teil des Hauses und bestand aus einem Bett und einer Kommode, in der ich all mein Hab und Gut verstaute. Durch ein kleines Fenster konnte ich auf den Wald blicken, der ein paar Meter hinter dem Haus begann und dunkel und bedrohlich vor mir lag.

Immer noch etwas müde, tapste ich hinunter ins Erdgeschoss, wo ich Tante Lyra entdeckte, die gerade dabei war, das Frühstück zu machen. ,,Guten Morgen!", sie stellte mir eine Scheibe Brot auf den Tisch und legte einen angebrochenen Laib Käse dazu. Ich brummte als Antwort nur etwas Unverständliches, bevor ich begann, das Essen in meinen Mund zu schaufeln.

Nach dem Frühstück zog ich mir meinen Mantel über das braune Kleid , denn die Temperatur war über Nacht erschreckend gesunken. Ich öffnete die schwere Holztür und rief noch ein ,,Bis nachher!" über meine Schulter, dann schlug ich den Weg in den Wald ein.

Der Boden war mit Rauhreif überzogen und die Erde knirschte unter meinen Schuhen, als ich den Weg zum Wald einschlug.

Ich blieb einen Moment stehen, um den morgendlichen Sonnenaufgang sehen zu können, der zwischen den Bäumen hervorbrach und die Umgebung in ein rötliches Licht tauchte.

Nach einem kurzen Augenblick, in dem ich die wenigen Sonnenstrahlen, die auf meine Haut fielen, genoss, machte ich mich wieder auf den Weg, um die Kräuter zu holen.

Die gesammelten Kräuter steckte ich in den Gürtel , dann stand ich auf und streckte meine verspannten Glieder.

Zum Glück brauchte Lyra nicht oft neue Kräuter, denn ich hatte fast vergessen, wie mühsam und anstrengend es war, auf dem kalten harten Boden herumzukriechen und die Blätter aufzusammeln.

Gerade wollte ich mich auf den Weg nach Hause machen, als mir einfiel, dass ich den Baldrian, der essenziell für Lyras Arbeit war, vergessen hatte.

Seufzend zog ich den Umhang fester um mich, damit ich halbwegs vor der Kälte geschützt war, dann machte ich mich auf die Suche nach dem Kraut.

Tiefer und immer tiefer ging es in den Wald hinein, bis ich sogar den Weg verlassen musste, um zu meinem Zeil zu kommen.

,,Ah, da ist es ja!" Ich bückte mich und hob dann das kleine Pflänzchen, welches ich eben aus der Erde gezogen hatte, hoch. Inzwischen war es etwas wärmer geworden und irgendwo konnte ich Vogelgezwitscher hören.

Zufrieden, dass ich nun wirklich alles hatte, machte ich mich auf den Heimweg und ging den Trampelpfad, über den ich gekommen war, wieder zurück.

Kurz vor dem eigentlichen Weg stoppte ich, als ich fremde Stimmen vernahm. ,,Vor ein paar Wochen wurde eine Hexe gefangen. Sie hat sich in den Wäldern, nur ein paar Meilen von hier entfernt, versteckt. Kannst du dir das vorstellen? Zum Glück haben sie sie gefunden." ,,Was ist mit ihr passiert?" Zwei Männer erschienen in meinem Blickfeld. Sie saßen beide auf einem Karren, der von einem großen braunem Pferd gezogen wurde und mit Kisten und Säcken beladen war.

Ich duckte mich tiefer ins Gebüsch und beobachtete, wie sie langsam vorbeifuhren. Der Ältere der beiden, ein dicker alter Mann, dessen braunes Haar von Strähnen durchzogen war, lachte rauh auf. ,,Na was wohl? Sie haben sie zum Hexenhügel gebracht! Die hat vielleicht geschrien, sag ich dir. Und das Feuer..." Er hielt die Zügel in der rechten Hand und machte mit eine große Geste mit der linken. ,,Puff! Die Flammen waren mindestens zwei Meter hoch.."

Sein Begleiter nickte aufgeregt und befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. ,,ich habe gehört, dass bald ein paar Hexenjäger hierher kommen. Hier soll es wohl auch ein paar Hexen geben..." Der alte Mann nickte zustimmend und nahm die Zügel wieder in beide Hände. ,,Ja, dieses Pack ist immer noch nicht ausgerottet..."

Er schnalzte mit der Zunge und brachte das Pferd so dazu, schneller zu laufen. Kurz darauf konnte ich nur noch das Rumpeln des Karrens hören.

Ich sah mich aufmerksam im Wald um. Hexen? Hier bei uns? Kopfschüttelnd erhob ich mich aus meiner Hocke.

Plötzlich kamen mir die Schatten zwischen den Bäumen unglaublich bedrohlich und nah vor und ich beeilte mich, schnell nach Hause zu kommen.


,,Du bist ja schon wieder da!" Tante Lyra stand im Garten zwischen den Kartoffelbeeten und hatte offensichtlich noch nicht mit mir gerechnet. Ich murmelte irgendwas Unverständliches und gang an ihr vorbei in die Küche.

Sie legte ihre Arbeit nieder und folgte mir. ,,Was ist los?", sie sah mich besorgt und fragend zugleich an.

Ich antwortete nicht, sondern packte stattdessen die gesammelten Kräuter aus und legte sie sorgsam auf den Küchentisch, wobei ich darauf achtete, dass keine Blätter verloren gingen.

,,Samara? Ist irgendwas passiert?", als ich ihr immernoch nicht antwortete, wurde ihr Blick streng. ,,Würdest du mir jetzt bitte erzählen, was passiert ist?"

Ich wollte keinen Streit zwischen uns auslösen, also antwortete ich ihr. ,,Heute morgen beim Kräutersammeln, da..." Sie blickte mich fragend an. ,,Da hab ich ein Gespräch zwischen zwei Männern belauscht. Sie sprachen davon, dass bald ein paar Hexenjäger zu uns kommen."

Aus irgendeinem Grund hatte ich damit gerechnet, dass sie in Panik verfallen würde, doch stattdessen blieb sie ganz ruhig und sah mich ernst an. Nur am leichten Zittern ihrer Hände bemerkte ich, dass irgendetwas nicht stimmte.



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