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Zwölf Jahre später

,,Und drei Zwiebeln bitte." Ich lächelte den Verkäufer freundlich an und nahm meine Einkäufe entgegen.

,,Das macht dann zehn Denar." Der Verkäufer, ein alter Mann mit einer Glatze auf dem Kopf, verzog mürrisch sein Gesicht und nahm mir das Geld, dass ich ihm hinhielt, grob aus der Hand.

Enttäuscht sah ich ihn an. Ich wußte zwar, dass die Leute im Dorf mich nicht leiden können, aber es machte mir immer noch schwer zu schaffen, wenn ich sah, wie die Menschen aus dem Dorf auf den Straßen auf mich zeigten und hinter vorgehaltener Hand über mich lästerten. Natürlich so, dass ich es nicht mitbekam, denn keiner will den Zorn einer Hexe auf sich ziehen. Aber die Blicke, die mir zugeworfen wurden, wenn ich durch das Dorf ging oder die Gespräche, die verstummten, sobald ich vorbeilaufe, sind sehr eindeutig.
Mit einem leichten nicken verabschiedete ich mich und machte mich auf den Weg nach Hause, vorbei an den anderen Ständen, die an der Straße entlang standen.

,,Hallo Samuel!" Ich lächelte dem alten Mann zu. Er war einer der wenigen, die mich und meine Tante nicht verabscheuten oder Angst vor uns hatten. Im Gegenteil. Oft saß ich bei ihm und diskutierte mit ihm über die verschiedenen Auswirkungen der Kräuter. Die Königskerze, zum Beispiel, hilft vor allem bei Entzündungen und lindert die Schmerzen. Die meisten Leute aus unserem Dorf dachten, dass Amara und ich Hexen wären und mieden uns deshalb, aber unsere Dienste, oder eher die meiner Tante, waren trotzdem gefragt.

,,Guten Tag, Antea." Samuel war ein Mann mittleren Alters, der seinen eigenen kleinen Laden im Dorf hatte, in dem er selbstgemachte Ware verkaufte.
Ich hob die Hand zum Gruß und betrat den Laden, der nur aus einem großen Zimmer bestand, das den ganzen unteren Bereich des Hauses ausfüllte.

Das Licht fiel nur spärlich in den Raum und beleuchtete gerade so den Tisch, der direkt unter dem Fenster stand.
Die großen Regale waren mit allerlei Kram gefüllt. Von kleinen Figuren über Bücher ist alles dabei. Im Raum sind zudem noch klein oder groß Vasen verteilt, die die verschiedensten Formen haben und aus denen es komisch roch. An Schnüren, die von der Decke baumelten, hingen verschiedene Kräuter, die ein würziges Aroma versprühten.

,,Was brauchst du diesmal?" Samuel schloß die Tür mit einem lauten Krachen. ,,Das übliche.", antwortete ich und betrachtete fasziniert eine kleine bronzene Schatulle, auf deren Deckel merkwürdige Zeichen zu sehen waren.

Samuel nickte und schlurfte dann zum Tisch, wo er in einigen Schubladen kramte und ein kleines Säckchen hervorholte. ,,Mal sehen." Er durchquerte den Raum zielstrebig und hielt inne, als er vor einem der herunterhängenden Kräuter stand. Er holte aus einer seiner vielen Manteltaschen ein Messer heraus und schnitt damit etwas von dem Bündel ab.

,,Mhm...", er roch kurz daran, um es danach in ein kleines, blaues Säckchen zu stecken. ,,Ja, das müsste passen." Er ging weiter und wiederholte die Prozedur noch einige Male.

,,Hier, bitte schön." Samuel reichte mir das Säckchen, das inzwischen prall gefüllt ist und aus dem die verschiedensten Gerüche dringen.

,,Wieviel macht das?", ich öffnete den kleinen Lederbeutel, der an meinem Gürtel hing und wartete auf seine Antwort. Der alte Mann blickte auf das Säckchen in meiner Hand. ,,Fünf Denar. Weil du es bist." Er zwinkerte mir zu und begann, die Ablagen abzuwischen. Ich nickte zustimmend und kramte in meinem relativ leeren Geldbeutel herum. Als Heilerin verdiente man nicht gerade viel, auch wenn man etwas anderes denken sollte, immerhin rettet man vielen menschen das Leben. Aber die meisten Leute haben Angst vor Leuten wie uns. Menschen, die sich mit Kräutern und deren Wirkung auskennen. Genau das weiß Samuel, weswegen er mir die Kräuter auch immer für einen etwas niedrigeren Preis verkaufte, als es eigentlich der Fall war.

,,Hier, bitte." Ich reichte ihm das Geld und verstaute das gekaufte Säckchen ebenfalls an meinem Gürtel.

,,Nichts zu danken." Er nahm die Denar an sich und liess sie geschickt in den Tiefen seines Mantels verschwinden. ,,Und grüß' deine Tante von mir!", rief er mir noch hinterher, als ich auf die Straße trat. Ich nickte lachend und winkte ihm zum Abschied zu, bevor ich mir meinen Mantel umwarf und mich auf den Weg nach Hause machte.

,,Tante!" Ich stellte den Korb mit den Einkäufen auf den Tisch, während ich mich suchend umsah. Wir wohnten in einem kleinen Haus, welches am Rande des Dorfes steht. Der Wald ist nicht weit entfernt und ganz in der Nähe gab es einige Stellen, an denen es seltene Kräuter gab. Tante Lyra schickte mich immer fort, um sie zu holen, deswegen ist mir dieses Handwerk auch einigermaßen vertraut, obwohl sie mir natürlich um Längen voraus ist.

,,Ich bin hier!", ertönt Amaras Stimme aus dem hinteren Teil des Hauses. Wir besitzen einen kleinen Garten, der direkt hinter dem Haus anfängt und nach ein paar Metern wieder aufhört. Er ist von kleinen Büschen und Sträuchern durchzogen und besitzt ebenfalls ein Beet, in dem wir Kräuter und Gewürze anpflanzen. Aus eben diesem Garten tritt Amara nun und streift ihren Mantel ab. ,,Hast du alles bekommen können?", sie trat an den Tisch und begutachtete die Einkäufe, die ich mitgebracht hatte.

,,Ja.", ich half ihr, die Kräuter einzupacken und alles zu verstauen. Manche brauchten wir sehr bald wieder, um zum Beispiel ein Gericht zu würzen, andere hingegen, benutzten wir nur selten. Das sind solche, die bei Entzündungen und schweren Unfällen zum Einsatz kommen.

,,Aber?" Sie hörte mit ihrem tun auf und durchbohrte mich mit ihrem fragenden Blick.

,,Die Leute waren wieder so abweisend.", ich schaute sie nicht an, als ich ihr antwortete, sondern sortierte weiter die Kräuter ein. ,,Ach Kind. Warum nimmst du dir das immer so zu Herzen?", sie musterte mich besorgt. Verärgert zuckte ich mit den Schultern. ,,Dir mag es ja egal sein, wenn du von allen ignoriert, gefürchtet und gehasst wirst, aber mir nicht!" Wütend lasse ich die Kräuter fallen. Lyra verzog mitfühlend ihr Gesicht und zog mich in ihre Arme. ,,Egal was wir tun, die Menschen werden uns nie wirklich akzeptieren. Dafür fürchten sie uns viel zu sehr. Menschen wie wir. Heiler." Sie strich mit ihren schlanken Fingern behutsam über meinen Rücken. ,,Hast du je daran gedacht, damit aufzuhören, was du tust? Einen ganz normalen Beruf auszuüben, bei dem nicht sofort jeder daran denkt, dass du anders bist?" Ich hob mein Kinn und sah sie fragend an.

Sie zögerte einen Moment, bis sie schließlich antwortete. ,,Ich helfe Menschen mit meiner Arbeit. Auch, wenn die meisten das nicht verstehen.", erklärte sie mit ruhiger Stimme. ,,Deshalb werde ich auch nicht mit meiner Arbeit aufhören. Weil es etwas besonderes ist, was ich tun kann. Weil ich-", sie unterbrach sich selbst und sah mich ernst an. ,,Weil wir etwas besonderes sind."

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