D r e i

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In den nächsten Tagen ging jeder von uns wieder seinem gewohnten Tagesablauf nach und die Hexenjäger wurden nicht mehr erwähnt.

Ich holte gerade frisches Wasser aus dem Brunnen hinter dem Haus, als ich an das Gespräch mit Lyra zurückdachte. Direkt danach hatte sie sich in den Garten zurückgezogen und war den ganzen Tag nicht wieder reingekommen. Die Kräuter hatte sie einfach auf dem Tisch liegen lassen, was ihr gar nicht ähnlich sah.  Was also hatte sie so beunruhigt? Mir ging der Gedanke, dass es etwas mit den Hexenjägern zu tun hatte, nicht aus dem kopf. Hatte Lyra etwas mit ihnen zu tun?

Ich schüttelte den Kopf und scholt mich selbst für meine Dummheit. Wenn man jede Person, die etwas von Kräutern und Heilkunde verstand, als Hexe bezichtigte, konnte man gleich halb Norscas einsperren und verbrennen.

Ich dachte schon wie die Dorfbewohner.

,,Samara, ich brauche dich.", erschrocken sah ich mich um und entdeckte Lyra, die einige Meter hinter mir stand. Komisch, ich hatte sie gar nicht kommen hören. Ich stellte den Eimer auf den Boden und wischte mir die nassen Hände an meinem Kleid ab. ,,Was soll ich tun?" Ich befeuchtete meine spröden Lippen mit der Zunge und sah sie aufmerksam an.

Tante Lyra war in den letzten Tagen merkwürdig still gewesen und ich war heilfroh, dass sie wieder die Alte zu werden schien. ,,Du musst für mich in die Stadt. Ich selber kann leider nicht weg, sonst brennt mein Trank an." Bei dem Wort Trank kroch mir eine kalte Gänsehaut über den Rücken, doch ich ignorierte sie und nickte stattdessen. ,,In Ordnung. Lass mich noch kurz etwas anderes anziehen..." ,,Nicht nötig.", unterbrach sie mich. ,,Ich habe deinen Umhang hier dabei.", erst jetzt sah ich das braune Bündel Stoff, das sie unter dem Arm trug.

Sie überreichte mir einen kleinen Beutel voll Geld, den ich mir an meinen Gürtel band. ,,Ich brauche Eisenwolfswurzel und Silberkraut."

Ich nickte und streifte mir den Mantel über, dann ging ich auf dem Rasen davon, in Richtung des Dorfes. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich Lyra, die wie sie mir konzentriert nachsah, nur um dann ins Haus zu verschwinden.

Im Dorf war heute nicht besonders viel los, es war kein Markt und die kalten Temperaturen halfen nicht gerade dabei, die Menschen aus ihren Häusern zu locken. Fröstelnd zog ich den Mantel näher um mich. Ich hatte vergessen, meine Handschuhe mitzunehmen, fiel mir ein und ich verfluchte mich selbst dafür.

Schnellen Schrittes überquerte ich den halb leeren Marktplatz und ignorierte das Getuschel, das wiedereinmal entstand, wenn ich auftauchte.

,,Da ist sie."

,,Nimm dich vor der Hexe in acht."

Ich drückte mein Gesicht in den Schatten der Kapuze und eilte in die Gasse, in der der Kräuterladen lag.

,,Guten Tag, was kann ich - Oh, hallo Samara!" Samuel, der Besitzer des Ladens und ein enger Freund von Lyra, sah mich überrascht an. ,,Was kann ich für dich tun, mein Kind?"Fragend sah er mich an.

,,Tante Lyra hat mich geschickt. Ich soll Eisenwolfswurzel und Silberkraut holen."

Er nickte geschäftig und verschwand im hinteren Teil des Ladens. ,,Während ich die Kräuter hole, kannst du dich umschauen."

Ich befolgte seine Anweisung und trottete zielstrebig auf eines der Regale zu. Wie immer fiel das Licht nur spärlich in den Raum, obwohl es schon später Morgen war, was dem Laden eine romantische Atmosphäre verlieh.

Außer mir befand sich kein anderer Kunde in diesem Raum, sodass ich mir in aller Seelenruhe die Dinge, die hier ausgestellt waren, anschauen konnte, ohne von unheimlichen oder neugierigen Blicken verfolgt zu werden.

Eine kleine Brosche hatte es mir angetan. Sie lag halb verdeckt in einem der hinteren Regale und nur das leichte Funkeln, das von einem der Sonennstrahlen, der sich in den Raum verirrt hatte, machte mich auf das Schmuckstück aufmerksam.

Vorsichtig hob ich die Brosche hoch und betrachtete sie im Licht. Mit meinem Daumen wischte ich über das Schmuckstück, wobei eine Vielzahl von Staubkörnern auf den Boden rieselte. Zum Vorschein kamen einige Steine, die lila leuchteten und an verschiedenen Stellen in die Brosche eingesetzt waren.

Staunend betrachtete ich das Schmuckstück in meinen Händen. ,,Gefällt sie dir?", ertönte plötzlich eine Stimme hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um und entdeckte Samuel hinter mir, der mich amüsiert ansah.

,,Naja...", verlegen wollte ich die Brosche zurücklegen. So etwas teures konnte ich mir bestimmt nicht leisten. Obwohl Lyra und ich nicht gerade arm waren, konnten wir unser Geld doch nicht aus dem Fenster werfen.

,,Wenn du willst, kannst du die Brosche behalten." Ich stoppte mitten in der Bewegung uns starrte auf das Schmuckstück in meiner Hand hinunter.

,,Nimm sie ruhig. Ich schenke sie dir."  Ungläubig sah ich den alten Mann an. Meine Hand mit der Brosche darin fuhr zum Regal, doch er hinderte mich daran und schüttelte seinen Kopf.

,,Das alte Ding liegt hier schon seit jahren rum. Wenn ich dir damit eine Freude mache, tue ich es gerne." Er zwinkerte mir zu.

Nach kurzem zögern umschloss ich die Brosche fester und steckte sie mir unter den Mantel an mein Kleid.

,,Vielen Dank. Das ist wirklich sehr freundlich von Euch."

Als Antwort nickte Samuel nur und schlurfte wieder in den hinteren Teil des Ladens zurück.

,,Ich habe noch etwas von den Kräutern im Lager gefunden.", er übergab mir einen kleinen Beutel.

Diesmal liess er mich die Kräuter bezahlen und es war soagr noch etwas übrig von dem Geld, das Tante Lyra mir gegeben hatte.

,,Bis zum nächsten Mal!" Ich stülpte mir meine Kapuze über und hatte gerade die Tür erreicht, als er mich noch einmal rief. ,,Pass auf dich auf, Kind!" Er senkte seine Stimme. ,,Es sind gefährliche Zeiten..."

Ich sah ihn einen Moment stumm an, bevor ich mich umdrehte und so schnell wie möglch aus dem laden verschwand. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mehr wusste, als er zugab und versuchte, mich vor irgendetwas zu warnen.


Als ich wieder auf die Straße trat, war es schon Mittag. Ich hatte also mehrere Stunden im Laden verbracht, stellte ich erstaunt fest. Es war inzwischen deutlich wärmer geworden und der Nebel hatte sich gelichtet.Eilig ging ich durch die kleinen Gassen des Dorfes, als ich plötzlich eine laute Stimme vernahm.

,,Wir wurden von der Königin höchstpersönlich darum gebeten, uns um diese Angelegenheit zu kümmern!" Lautes Jubelgeschrei und klatschen war zu hören.

,,Nieder mit der Hexenbrut!"

,,Verbennt sie alle!", ertönten Schreie aus der aufgebrachten Meute.

,,Beruhigt euch. Ich verspreche euch, dass ich nicht länger ruhen werde, bis auch die letzte Hexe ihren Tod gefunden hat!" Der Mann auf der Tribüne ballte die Faust und reckte sie gen Himmel, sodass ich etwas an seiner behandschuhten Hand blinken sehen konnte.

Ich trat einen Schritt näher und erschrak. An der Hand des Mannes befand sich ein silberner Ring, in dessen Metall ein brennendes Feuer eingraviert war.

Entsetzt hob ich den Kopf und sah den alten Mann näher an.

Was, um alles in der Welt, wollte Phillip Howard, einer der gefürchtesten Hexenjäger des Landes, hier in unserem kleinen Dorf?







Das oben im Bild ist die Brosche, die Samara im Laden entdeckt hat.

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