Am nächsten Morgen wurde ich von lauten Geräuschen geweckt, die durch mein Fenster drangen. Unten auf der Straße stritten sich lautstark zwei Männer und benutzten dabei Wörter, die ich nicht einmal kannte.
Da ich nun wach war und nicht mehr einschlafen konnte, schlüpfte ich aus dem Bett und tapste zum Fenster, um es zu öffnen. Die kalte Morgenluft wehte mir in einer frischen Brise entgegen und ich hob zitternd meine Arme, um mich zu wärmen. Von hier oben sahen die Menschen so klein aus, wie sie durch die Gassen flitzten, immer ein Päckchen unter dem Arm und in Eile.
Seufzend ging ich zu dem einzigen Schemel, der sich im Raum befand und zog das Kleid an, welches dort gelegen hatte. Sofort roch ich den Lilienduft, der von der Kleidung ausging. Wahrscheinlich benutzten sie zum Waschen ein besonderes Mittel. Tante Lyra und ich hatten nur eine einfache Seife gehabt, deren Duft schon nach wenigen Stunden wieder aus der Kleidung gewichen war.
Das Kleid war aus einem einfachen Stoff genäht und in einem schlichten braun gehalten, sodass ich unter all den Menschen, die sich in der Stadt aufhielten, nicht auffallen würde. Zumindest konnte ich mich so unerkannt fortbewegen.
Langsam schritt ich die Treppe hinunter und sah mich um. Es war ungewöhnlich still im Haus und niemand war zu sehen.
,,Hallo?", langsam setzte ich einen Schritt vor den anderen, als einer der Holzbalken unter meinen Füßen laut quietschte und ich erschrocken zusammenzuckte. Doch niemand schien das Geräusch gehört zu haben, denn es blieb weiterhin still im Haus.
Verwirrt sah ich mich um und öffnete die Tür zur Küche, in der ich gestern gesessen hatte und die mit einem leichten knarzen zur Seite glitt. Auch hier konnte ich niemanden entdecken und als ich zum Fenster trat und die Vorhänge beiseite zog, sah ich nur die vorbeieilenden Menschen.
Wohin waren die beiden verschwunden?
Wahrscheinlich sind sie nur losgelaufen, um noch einige Besorgungen zu erledigen, flüsterte mir meine innere Stimme zu, die versuchte, die aufkommende Panik zu verdrängen.
Ich lief zu dem großen hölzernen Tisch, der schon mehrere Einkerbungen und Kratzer vorwies und ließ mich auf einem der Stühle nieder. Am besten, ich blieb einen Moment sitzen und wartete, bis sie wiederkamen.
Der Kummer über den Verlust meiner Tante saß immer noch tief, doch ich musste mich um andere Dinge kümmern, die im Moment Vorrang hatten. Zum Beispiel musste ich mir eine Wohnkammer für längere Zeit suchen, denn hier konnte ich nicht auf ewig bleiben.
Stumm starrte ich auf das Regal an der gegenüberliegenden Wand, in dem sich einige Teller und Tassen befanden. Dazwischen lagen kleine Bündel voller Kräuter, die ihren Geruch im gesamten Raum versprühten. Aus einem grauen Säckchen schaute etwas Thymian hervor.
Ein lautes poltern ließ mich zusammenzucken. Was war das?
Erschrocken sah ich mich um. Vielleicht hatte sich jemand unerlaubten Zugriff zum Haus verschafft? Oder Ava und Maeve waren doch zuhause geblieben und eine von ihnen war gestürzt und brauchte Hilfe.
Nervös verließ ich den Raum, der anscheinend Esszimmer und Küche in einem war und trat hinaus auf den Flur, wo es seltsam still war.
,,Hallo?", fragte ich erneut. Diesmal deutlich nervöser als noch vor wenigen Minuten.
Stille.
Vielleicht hatte ich mir das Geräusch auch nur eingebildet, versuchte ich mir einzureden. Am besten setzte ich mich wieder an den Tisch und - Wumm!
Diesmal war das Geräusch echt – ich konnte es mir auf gar keinen Fall eingebildet haben.
Aufgeregt schaute ich mich nach etwas um, womit ich mich verteidigen konnte – und entdeckte den Kerzenständer, der auf der großen Kommode im Flur steht. Nun fühlte ich mich wenigstens halbwegs sicher, dem gegenüber, was gleich passierte.
So gewappnet wagte ich es langsam, der Quelle des Kraches zu folgen. Es war immer noch unglaublich still im Haus, meine Schritte klingen viel zu laut auf dem Fußboden. Der Flur wurde immer schmaler und führte nach einigen Metern nach rechts. Dahinter befand sich eine dunkle Holztür, dicker als die anderen Türen, die ich im Haus bisher schon gesehen hatte.
Mit dem Kerzenständer in der einen Hand, griff ich mit der anderen zu der Türklinke, um sie herunterzudrücken. Das Metall fühlte sich merkwürdig kühl unter meiner Haut an und verursachte eine Gänsehaut, die sich auf meinen Armen ausbreitete. Es drang kaum noch Licht in diesen Teil des Hauses und ich musste mich anstrengen, um überhaupt noch etwas erkennen zu können.
Vorsichtig drückte ich die Klinke herunter, als die Tür plötzlich von innen aufgerissen wurde und ich fast in den Raum dahinter gestolpert wäre. Nur mit Mühe konnte ich mich aufrecht halten.
,,Huch, Samara! Was tust du denn hier?!" Ava sah mich erschrocken an. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt, aus dem ein paar dunkle Strähnen hingen und ihre blauen Augen fixierten mich nervös. Es schien, als hätte ich sie bei irgendetwas ertappt, was eigentlich hätte geheim bleiben sollen und ich kam mir wie ein kleines Mädchen vor, das etwas verbrochen hatte.
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HEXENJAGD
FantasyNorscas ist ein Land, in dem Magie schon seit Jahrhunderten existiert. Doch die Königin dieses Landes hat Angst vor der Macht der Hexen und beginnt, sie zu jagen... ... Samara ist eine junge Frau, die mit ihrer Tante in einem kleinen Haus abseits ei...