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[A/N: Also hier das 4. Kapitel, Herzchen. Sofern watty es diesmal zulässt :D]

Schreib.
So schwer ist das nicht.
Setz dich hin und schreib.
Ein Wort, noch eins und noch eins. Das ist schon ein Satz.
Daraus bildest du ganz viele Sätze und aus einem Absatz wird eine Seite, ein Kapitel, ein ganzes Buch.
Geht doch ganz leicht.
Denkste.

Stöhnend rolle ich mit meinem Stuhl vom Schreibtisch fort und lege den Kopf in den Nacken. Früher fiel mir das Schreiben nie so schwer. Die Wörter und Sätze und Handlungsstränge flossen einfach aus mir heraus, als hätte ich gar keine andere Wahl, als sie schriftlich festzuhalten.

Auch jetzt mangelt es mir nicht an Ideen, nur an der Umsetzung hapert es. Als hätte der Erfolg - ich nenne es jetzt mal vorsichtig so - mir jegliche Kreativität geraubt. Kollegen von mir, Leute aus Internetforen, sie alle sind sich einig, dass das völlig normal sei. Besonders wenn man ein Buch beendet und auch veröffentlicht. Dass der innere Druck, es so gut wie möglich hinzubekommen und der Druck von außen, dass es ein Erfolg werden muss, einen schlauchen.

Wenn das so ist, dann weiß ich, wieso ich niemals mit dem Schreiben mein Geld verdienen wollte. Was ich jetzt aber tue.

Verdammt. Papa hatte immer recht, ich hätte das Studium nicht unterbrechen sollen, um »Der Mond und Ich« rauszubringen.

Allein bei dem Namen kommt mir wieder die Galle hoch. Ich liebe meinen Nachnamen, wirklich. Er ist poetisch, er ist schön, er gehört zu mir. Dass meine Verleger da noch mehr rausholen wollten ... Dass sie meinen Namen benutzen ...

Hätte ich die Wahl gehabt, ich hätte einen anderen Titel ausgesucht. Denn ehrlich, wie klingt »Der Mond und Ich« von Kassandra Moon? Wie ein ungünstig gewähltes Pseudonym, würde ich behaupten.

Das Vibrieren meines Handys rettet mich vor der Nicht-Tätigkeit, der ich gerade nachgehe.

»Rette mich.«

»Wovor?«, frage ich stirnrunzelnd und stehe vom Schreibtisch auf, um mir in der Küche einen Kaffee zu holen. Vielleicht ist ein bisschen Koffein gut für meine Gehirnzellen, auch wenn ich bezweifle, dass die noch zu retten sind.

»Rette mich«, wiederholt Sam. »Meine Mutter kommt zu Besuch.«

»Und?«

»Ich brauche sie«, kommen weitere Worte aus seinem Mund, die nach wie vor keinen Sinn für mich ergeben. »Sie denkt aber, dass ich in einer Beziehung bin.«

Meine Verwirrung wächst. Sams letzte Freundin ist ... Ewigkeiten her. Na ja, einige Monate zumindest. Ich verliere schnell den Überblick, weil er es selten lange mit einer Frau aushält. Oder sie mit ihm? Wobei ich das nicht verstehen kann, denn immerhin lebe ich mit Sam zusammen und das seit einigen Jahren.
Er ist nicht der umgänglichste Mensch, aber das bin ich auch nicht.

Sam flucht unterdrückt und eine Autohupe schallt durch das Telefon zu mir durch. »Sie denkt, Leo kann nur in einer funktionierenden Familie großgezogen werden, also habe ich gesagt, dass ich eine Freundin habe. Sie will das aber selbst sehen und kommt deswegen vorbei. Heute Abend! Wo soll ich so schnell eine Frau hernehmen, die mich so gut kennt, dass sie meine Freundin spielen kann? Deswegen rufe ich an.«

So allmählich ahne ich, worauf er hinaus will und ein Stein bildet sich in meinem Magen. Ein ähnlicher Stein, wie ich ihn früher immer mit mir herumtrug, als die Geschichte um »Der Mond und Ich« überhaupt erst begann. Dieses ungute Gefühl.

»Sam, ich glaube nicht, dass ich die geeignete Wahl dafür bin«, gebe ich kleinlaut zu, doch etwas flackert auf. Nur kurz. Blöde Gefühle. »Deine Mutter -«

Ungeniert unterbricht mich Sam. Lachend. »Doch nicht du, Depp.« Nicht ich? »Dich kennt meine Mutter doch schon. Ich sprach von Diana. Meinst du, sie kann heute Abend mal so tun, als mag sie mich? Wozu wollte sie Schauspielerin werden?«

Der Stein in meinen Eingeweiden fällt.


»Hältst du das für eine gute Idee?«

Wie viele Fragen muss ich heute noch ertragen? Fragte ich mich selbst.

Seufzend schüttle ich den Kopf und setze mich auf die Kante meines Bettes, während Diana vor meinem Standspiegel steht und sich von allen Seiten betrachtet. Der dunkelgraue Hosenanzug steht ihr gut, auch wenn sie etwas mehr Brust hat als ich. Trotzdem ist es das einzige meiner Kleidungsstücke, das sie sich ausleihen kann, ohne dass es an ihr wie Babykleidung aussieht.

Nach Sams Bitte, Diana als seine Freundin ausgeben zu dürfen, ist meine Laune in den Keller gesunken. So weit wie schon eine Weile nicht mehr und einen Teil von mir nervt das, obwohl ein anderer Teil darüber nur den Kopf schütteln kann. Solche Phasen und Augenblicke kenne ich, auch wenn sie nicht mehr ganz so häufig und so intensiv vorkommen.

»Du hast Ja gesagt«, erkläre ich und kämpfe darum, das Lächeln auf meine Lippen zu halten. Eigentlich behagt es mir nicht mehr, Diana etwas vorzuspielen. Manchmal ist das aber nötig, um überhaupt jemanden etwas vormachen zu können.

»Aber ich sehe doch, wie sehr dir das missfällt.«

Meine Erwiderung fällt schnippischer aus, als gewollt. »Wie könnte es auch nicht?« Doch sie weiß, was ich meine.

Großes Geheimnis: Ich liebe Sam. Ja, genau. Richtig gelesen. Das hier ist so eine Geschichte, in der die Hauptfigur ihren besten Freund liebt. Glaubt mir, ich würde gerne etwas daran ändern, um dieser Erzählung schriftstellerisch einen besseren Touch zu geben. Doch das hier ist die Wahrheit.

Es ist mir noch nicht sehr lange bewusst, doch die einst nur freundschaftlichen Gefühle Sam gegenüber haben sich irgendwann gewandelt. Er bedeutet mir mehr, als ich zugeben möchte und vermutlich hat mich die Tatsache, dass er ein so großes Geheimnis wie eine Tochter vor mir geheimhalten konnte, so getroffen. Bedeutet immerhin, dass er weitaus weniger für mich empfindet.

»Mädels?«, ruft der Teufel, von dem gesprochen wird, prompt durch die Tür. »Das Essen ist auf dem Ofen und meine Mutter wird jede Minute eintreffen. Seid ihr soweit?«

»Du solltest ihm einfach sagen, was du empfindest«, flüstert Diana, bevor wir hinaustreten.

Als wäre das so einfach. Mein Leben ist kein verdammtes Buch, in dem ich Sam jetzt meine Liebe gestehe und er seiner Mutter nichts vormachen muss, weil unsere Gefühle zueinander echt sind. So läuft es nur in Liebesromanen ab, welche ich weder konsumiere noch schreibe.

Mein Leben ist vielleicht nicht konventionell, doch ganz so aufregend und nach Plan verlaufend ist es dann doch nicht.

Was mir wieder einmal bewusst gemacht wird, als in der Küche gerade einer unserer Schränke Feuer fängt.

Everyday at 5AM {I'm asleep}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt