»Ich möchte nur festhalten, dass das nichts mit mir zu tun hatte.«
»Hm.«
»Ich war überhaupt nicht in der Küche tätig.«
»Hm.«
»Es ist also nicht meine Schuld.«
Bevor Papa noch ein grimmiges »Hm« raushauen kann, sehe ich bettelnd zu Sam, der in einer Rettungsdecke eingewickelt neben uns im Krankenwagen sitzt und noch immer hustet.
»Ausnahmsweise war es wirklich nicht Kas' Schuld«, steuert er mir bei und mit meinen Lippen forme ich die Wörter »nicht hilfreich«, was komplett an ihm vorbeizugehen scheint. Er steht ja auch scheinbar noch unter Schock, den Krankenpflegern nach zu urteilen, die ihn sich kurz angesehen haben.
Unter Schock stehen wir alle. Zwar konnte Sam das ausgebrochene Feuer schnell mithilfe unseres Feuerlöschers beseitigen, aber ein Stück Restpanik blieb uns allen in den Knochen zurück.
» … und siehe da, er trägt nur noch einfarbige Boxershorts. Nicht wahr, Liebling?«
Na ja, fast allen.
Diana klimpert mit den Wimpern, was mich beinahe zum Lachen bringt. Sie hat den Arm bei einer älteren, gepflegt aussehenden Frau eingehakt, die kaum Ähnlichkeiten zu ihrem Sohn aufweist.
Sams blonde Haare, das weiche Kinn und die Knubbelnase standen schon immer im harten Kontrast zu der schwarzhaarigen Riesin mit den scharf geschnittenen Gesichtszügen. Er scheint sehr nach seinem Vater zu kommen, der schon lange nicht mehr Teil der Familie ist.
»Wie es aussieht, hast du meinen Sohn sehr gut unter Kontrolle. Anders als Kassandra scheinbar.« Ihr letzter Satz richtet sich direkt an mich, was mich kurz zusammenzucken lässt. Harsche Tonfälle bin ich nun wirklich nicht unbedingt gewöhnt.
»Theresa, wie schön dich zu sehen«, springt zum Glück mein Vater sofort zu meiner Rettung und bringt sein charmantestes Lächeln zum Vorschein.Ich bin wirklich froh, ihn zu haben. Auch wenn er manchmal alles andere als mir zugeneigt ist.
Es war aber nun einmal nicht meine Schuld, dass Sam das Essen auf zu hoher Flamme hat unbeaufsichtigt in der Küche stehen lassen. Ein Koch ist er sicher nicht.
»Meinst du, die Versicherung zahlt das?«, flüstert er leise, während unsere Eltern und Diana sich weiter unterhalten, als wären sie die besten Freunde. Es ist eine seltsame Zusammenstellung und irgendwie urkomisch, die beiden Elternteile und meine beste Freundin vereint zu sehen.
Ich zucke mit den Schultern, klettere zu ihm in den Krankenwagen und lehne meinen Kopf gegen seine Schulter. Er stinkt nach Rauch, doch das macht mir nichts aus. Ich bin einfach nur froh, dass ihm nichts passiert ist.
»Papa wird das regeln.«
»Aber die beiden Häuser laufen auf deinen Namen«, hält Sam dagegen, weswegen er direkt einen Schlag auf den Arm kassiert. Niemand außer ihm, Papa und mir wissen davon. Nicht einmal Diana habe ich erzählt, dass ich Papa die Häuser abgekauft habe. Einfach um nicht weiter die reiche Tussi mimen zu müssen.
Nach meinem zwanzigsten Geburtstag hat Papa unser Nachbarhaus gekauft und das oberste Stockwerk umbauen lassen, damit ich mein eigenes Reich besitze. Als ich den Buchvertrag abschloss und einen riesigen Vorschuss bekam, kaufte ich beide Häuser von ihm, um es wirklich zu meinem Eigen zu machen.
So reich bin ich, jap. Auch wenn es mehr Ausgaben als Einnahmen sind, wenn man bedenkt, dass das Café unten seit Jahren leer steht und außer einem Pärchen im Erdgeschoss des Nachbarhaus niemand mit wohnt.
»Ich sagte ja, Papa kümmert sich schon drum. Er kennt sich damit aus«, versuche ich Sam zu beruhigen. Und, vielleicht nur ein bisschen, um auch mich ruhig zu stellen.
Wir warten noch über eine Stunde, bis die Feuerwehr die Wohnung wieder freigibt. Durch den Schaum aus dem Feuerlöscher ist die Küche ein einziger Sauhaufen und es stinkt bestialisch, trotz aller geöffneter Fenster. Da es zudem bitterkalt ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als Papas Angebot, mit ins Hotel zu fahren, anzunehmen.
»Hervorragend, dann komme ich auch endlich mal dorthin!«, flötet Theresa zugleich und Sam und ich verdrehen zeitgleich die Augen.
Nur Eltern schaffen es, aus erwachsenen Menschen wieder Kinder werden zu lassen.
Diana schnappt sich meinen Arm, bevor wir die Treppen wieder hinabsteigen und petzt hinein, was mich aufquietschen lässt.
Blöde Kuh!
»Bitte sag mir, dass das jetzt ein Ende hat.«
Ich zucke mit den Schultern. Was soll ich auch schon sagen? Theresa kommt nicht oft zu Besuch, sie wohnt außerhalb der Stadt und steht Sam auch nicht sonderlich nahe. Jetzt jedoch wird sie sicher nicht direkt am nächsten Morgen wieder abreisen.
Seufzend schüttle ich den Kopf. »Ich befürchte, dieses Spiel hat gerade erst begonnen.«
Auch Diana seufzt, allerdings weitaus theatralischer. »Ich hasse dich.«
»Sieh es als Übung für deinen großen Durchbruch an?«, feixe ich noch schnell und renne, bevor sie mich noch einmal erwischen kann.
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Everyday at 5AM {I'm asleep}
Fiction générale»Jeden Morgen um fünf Uhr liege ich in meinem Bett. Jeden Morgen um fünf Uhr bin ich tief und fest am Schlafen. Das ist nicht unbedingt der spannendste Einstieg in diese Erzählung - aber es ist der Anfang meiner Geschichte.« Kassandra Moons Leben be...